US-Präsident Donald Trump und seine Strafzölle lassen weltweit die Aktienkurse einbrechen. Wie tief geht es noch nach unten? Und was sollen Sparer jetzt tun? Fragen an den Finanzexperten Christian Röhl.

Ein Interview

Die Börsen im Panik-Modus: Ob Deutschland, Japan oder USA – innerhalb weniger Tage sind die Märkte eingebrochen. Der Grund dafür sitzt im Weißen Haus. US-Präsident Donald Trump überzieht die Welt mit einem Handelskrieg. Extra-Zölle von 20 bis 50 Prozent sollen künftig auf Exporte in die USA anfallen. Weltweit wächst die Angst vor einer Rezession. Und an der Börse, wo die Zukunft gehandelt wird, fallen die Kurse.

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Doch selbst wenn es gelingt, die Zölle durch Verhandlungen noch abzuwenden oder zumindest abzumildern, bleibt ein massiver Schaden, sagt Investor und Börsenexperte Christian Röhl. Was er Anlegern jetzt rät.

Herr Röhl, können Sie aktuell ruhig schlafen?

Christian Röhl: Ja, das kann ich. Natürlich mache ich mir Gedanken, aber: Eine gewisse Resilienz und guter Schlaf sind wichtige Bedingungen, um überhaupt an den Märkten aktiv zu sein.

Börsen-Experte Christian Röhl. © Scalable Capital

Die Aktienkurse sind an mehreren Tagen hintereinander massiv eingebrochen. Wie heftig ist dieser Crash?

Wenn wir auf die letzten 30 bis 35 Jahre blicken, dann gehören die Verluste der letzten Tage zu den 15 extremsten Marktbewegungen. Ähnliche Kurskorrekturen hatten wir zuletzt beim Corona-Crash im Jahr 2020. Ob man die Entwicklung der letzten Tage jetzt Crash nennt oder Kursrutsch, ist eine Frage der Terminologie. Klar ist aber: Es ist eine sehr heftige Reaktion der Börsen auf diese massiven Ankündigungen.

Nämlich die Strafzölle von US-Präsident Donald Trump gegen den Rest der Welt.

Wir erleben eine handelspolitische Zeitenwende. Bislang lag die effektive Zollquote in den USA bei etwa zwei Prozent. Durch das, was am sogenannten „Liberation Day“ angekündigt wurde, steigt sie in den Bereich von 20 Prozent, manche sagen sogar 25 Prozent. Man muss sich klarmachen: Das ist ein Niveau, das wir zuletzt in den 1910er Jahren gesehen haben.

Viele Menschen – gerade die, die neu an der Börse mit dem Investieren angefangen haben – sind beim Blick ins eigene Depot verunsichert.

Es ist nicht der erste Kurseinbruch dieser Art. Und grundsätzlich gilt: Risiko ist der Preis für die Rendite, die man langfristig am Aktienmarkt erzielen kann. Wichtig ist, jetzt nicht in Panik zu verfallen und die eigene Anlagestrategie über den Haufen zu werfen.

"Ich gehe davon aus, dass die Zeiten volatil bleiben."

Christian Röhl

Was heißt das?

Man sollte sich klarmachen: Warum investiere ich überhaupt in Aktien? Wie ist meine eigene Lebenssituation? Wie lang ist mein Anlagehorizont? Und was ändert die aktuelle Situation an all dem? Wer zehn, 15 oder 20 Jahre Zeit hat und regelmäßig jeden Monat per Sparplan in einen weltweiten, breit gestreuten ETF investiert, kann ganz entspannt bleiben. Voraussetzung ist natürlich, dass man nicht kurzfristig an das Geld muss.

Am Dienstag haben sich die Märkte leicht erholt. Haben wir das Schlimmste vielleicht schon hinter uns?

Das ist pure Raterei. An den Märkten gibt es die Hoffnung, dass sich die Strafzölle wieder wegverhandeln lassen und es nicht zu einer weiteren Eskalation kommt. Man darf aber nicht vergessen: Es ist viel Vertrauen in Amerika als Leuchtturm des freien Handels und der freien Wirtschaft verlorengegangen. Und das wird so schnell nicht zurückkommen. Ich gehe davon aus, dass die Zeiten volatil bleiben.

Die Finanzmärkte signalisieren US-Präsident Trump, dass sie mit seiner Politik nicht einverstanden sind. Trotzdem hält er daran fest.

Als Trump ins Amt kam, meinten viele: Das ist gut für die Wirtschaft. Er liberalisiert, senkt Steuern, stärkt Unternehmertum. Die CEOs der großen Tech-Unternehmen waren bei seiner Amtseinführung, ebenso die Finanzwelt. Sie alle haben gedacht: Trump mag ein bisschen merkwürdig sein, am Ende aber ist er kein isolationistischer Ideologe. Aber dieses Kalkül ist – Stand heute – nicht aufgegangen. Wir sehen eine populistische und protektionistische Agenda.

Und das kann gutgehen?

Ich möchte das Vorgehen nicht verteidigen, aber die Wähler sehen auch schon Erfolge: Der Ölpreis ist deutlich gesunken, das spüren die Amerikaner beim Tanken. Die langfristigen Zinsen sind von 4,6 auf 4,2 Prozent gefallen, die Kurzfristigen sogar noch stärker. Auch der Dollar hat nachgegeben, was gut für die Handelsbilanz ist. Und auch die Lebensmittelpreise sinken. Dass es am Aktienmarkt bergab geht, kann als temporärer Preis dafür verkauft werden. Widerstand gegen Trumps Politik wird sich erst regen, wenn die Arbeitslosigkeit steigt oder die Preise durch die verhängten Zölle wieder anziehen.

Angenommen, die Zölle lassen sich nicht wegverhandeln: Müssen wir uns dann auf weitere turbulente Monate an der Börse einstellen?

Davon gehe ich aus, ja. Mal abgesehen vom zerstörten Vertrauen stellt sich auch die Frage, was passiert, wenn es bei den Zöllen bleibt, wie sie sich konkret auf die Gewinnerwartungen der Unternehmen auswirken. Es gibt eine erste Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 – das ist der Index mit den 500 größten börsennotierten Unternehmen der USA – um elf Prozent belastet werden. Diesen Verlust würden wir dann auch am Aktienmarkt sehen.

In Deutschland besitzen inzwischen über zwölf Millionen Menschen Aktien und ETFs. Besonders beliebt ist der MSCI World mit seinem hohen Anteil an US-Titeln. Ist das inzwischen ein Problem?

Der MSCI World bildet die Aktienlandschaft der Industrieländer ab und da war Amerika in der Vergangenheit sehr, sehr stark. Deswegen ist auch das Gewicht von US-Titeln sukzessive gestiegen – was die Performance getrieben hat. 2023 und 2024 hat der MSCI World, in Euro gerechnet jeweils über 20 Prozent Zuwachs erzielt. dazu ist so ein nach Börsenwert gewichteter Index ein sich selbst aktualisierendes System.

Was bedeutet das?

Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass amerikanische Unternehmen an Marktmacht und an Börsenwert verlieren, wird sich das Gewicht Amerikas im MSCI World entsprechend reduzieren. Das haben wir in der Vergangenheit bereits gesehen: In den späten 80er Jahren hatte Japan einen Anteil von über 40 Prozent im MSCI World. Nach Platzen der Spekulationsblase ist es innerhalb eines Jahrzehnts auf zehn Prozent gesunken, spiegelbildlich ist der Anteil Europas und der USA gestiegen – und währenddessen hat der Index sogar substanziell zugelegt. Wer sich als Anleger mit dem MSCI World allein aber nicht wohlfühlt, kann auch Schwellenländer ins Depot nehmen oder andere Regionen wie Europa stärker beimischen.

Ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um Aktien zu kaufen?

Wer einen Sparplan hat, sollte ihn weiterlaufen lassen, das sehen wir auch bei unseren Kunden. Wer in der glücklichen Situation ist, über Cash-Reserven zu verfügen und mehr sparen zu können, der kann die Korrekturen am Markt natürlich auch nutzen und das Depot aufstocken. Man sollte sich nur klarmachen: Die Kurse können noch weiter sinken. Man muss das also psychisch aushalten können. Und: Den perfekten Zeitpunkt zum Einstieg – nämlich dann, wenn die Kurse am Tiefpunkt sind – erreicht man in der Regel nicht.

Über den Gesprächspartner

  • Christian Röhl ist Investor, Bestseller-Autor und Chief Economist beim Neobroker Scalable Capital. Seit über 25 Jahren ist er professionell am Finanzmarkt aktiv. Er gehört zu den bekanntesten Aktien- und Kapitalmarktexperten in Deutschland.