Der Airbus-Rivale Boeing kommt nicht zur Ruhe: Der seit fast einem Jahr aus dem Verkehr gezogene Krisenflieger 737 Max muss wegen neuer Probleme inspiziert werden. Doch der Konzern gibt sich gelassen.
Der angeschlagene US-Luftfahrtkonzern Boeing ist bei seinem nach zwei Abstürzen mit Flugverboten belegten Krisenjet 737 Max auf ein neues Problem gestoßen. Während der Wartungsarbeiten seien in Treibstofftanks einiger Maschinen, die derzeit zwischengelagert werden, Fremdkörper gefunden worden, teilte Boeing am Dienstag (Ortszeit) mit.
Dies habe zu einer umfassenden internen Untersuchung und sofortigen Korrekturen im Produktionssystem geführt. Alle noch nicht ausgelieferten 737 Max werden inspiziert. Das ist viel Aufwand: Boeing hatte rund 400 Jets auf Halde produziert, die wegen des Flugverbots noch nicht zu Kunden gebracht werden konnten.
Der Konzern rechnet aber nach eigenen Angaben trotz der nun angekündigten Inspektionen weiter damit, dass die 737 Max Mitte des Jahres wieder für den Flugbetrieb zugelassen wird.
Flugverbot seit März 2019
Der bestverkaufte Flugzeugtyp des amerikanischen Airbus-Rivalen darf seit Mitte März 2019 wegen der Abstürze mit insgesamt 346 Toten nicht abheben. Als entscheidende Ursache der Unglücke gilt eine fehlerhafte Steuerungsautomatik der Flugzeuge. Dieses Problem hatte Boeing eigentlich längst per Software-Update behoben haben wollen, doch die Freigabe durch die Aufsichtsbehörden liegt noch immer nicht vor.
Stattdessen kamen im Laufe des Wiederzulassungsverfahrens immer neue Schwierigkeiten hinzu. So hatte Boeing erst Anfang des Monats eingeräumt, die US-Luftfahrtaufsicht FAA über ein weiteres Software-Problem informiert zu haben, das ein Warnlicht in Verbindung mit dem Trimmsystem zur Stabilisierung des Flugwinkels der 737 Max betreffe.
Das Verhältnis zwischen der Behörde und dem Konzern war zwischenzeitlich äußerst angespannt, weil sich die FAA von Boeing unter Druck gesetzt fühlte. Ex-Konzernchef Dennis Muilenburg, der wegen seines Krisenmanagements schon zuvor stark in der Kritik stand, wurde im Dezember im Zuge des Konflikts mit der Aufsicht gefeuert.
Boeings 737-Max-Debakel
Muilenburgs Nachfolger Dave Calhoun hat versprochen, alle Missstände entschlossen auf den Tisch zu bringen und das Vertrauen in Boeing wiederherzustellen. Dabei hat er alle Hände voll zu tun. Das 737-Max-Debakel hat Boeing 2019 den ersten Jahresverlust seit 1997 eingebrockt und in eine der tiefsten Krise seiner mehr als hundertjährigen Konzerngeschichte gebracht. Das US-Unternehmen steht im Verdacht, die Unglücksflieger im scharfen Wettbewerb mit Airbus überstürzt auf den Markt gebracht und dabei Sicherheitsrisiken in Kauf genommen zu haben. Boeing ist deshalb mit zahlreichen Klagen sowie zivil- und strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert.
In einem Memo an die Mitarbeiter bezeichnete Boeings 737-Produktionsmanager Mark Jenks den Fund der Teile in den Treibstofftanks der zwischengelagerten Flugzeuge als "absolut inakzeptabel". In Boeings Werk in Renton nahe Seattle seien bereits neue Arbeitsabläufe mit aktualisierten Instruktionen und zusätzlichen Prüfungen eingeführt worden, um das Problem abzustellen. Die gefundenen Teile wurden als "foreign object debris" bezeichnet - demnach könnte es sich um Unrat wie Reste von Bauteilen oder von Arbeitern zurückgelassene Werkzeuge handeln. Dieses Problem hatte Boeing auch bereits bei anderen Modellen wie dem Tankflugzeug KC-46.
Berichte über solche Produktionsmängel hatten den Flugzeugbauer im vergangenen Jahr schon hinsichtlich des Langstreckenjets 787 "Dreamliner" unter Druck gebracht. So berichtete die "New York Times" von Sicherheitsrisiken im Boeing-Werk in North Charleston, auch hier sollen Fremdkörper in Flugzeugen gefunden worden seien. So seien etwa Metallspäne nicht ordentlich beseitigt und defekte Teile in den Fliegern installiert worden. Die Zeitung berief sich auf Hunderte Seiten an internen E-Mails, Dokumente des Unternehmens und Unterlagen von Behörden sowie Interviews mit mehr als einem Dutzend Mitarbeitern. Boeing hatte die Vorwürfe damals aber entschieden zurückgewiesen. © dpa
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