Laut einer Auswertung der Arbeiterkammer und Gewerkschaft vida finden sich bei den Arbeitsbedingungen in der Sicherheitsbranche systematische Probleme.
Die Arbeiterkammer (AK) und die Gewerkschaft vida haben sich die Arbeitsbedingungen in der Sicherheitsbranche angesehen und kommen zu einem wenig vertrauenserweckenden Ergebnis: "Mit der Sicherheit für die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, ist es nicht weit her", sagt vida-Experte Gernot Kopp. Dass Bewacherinnen und Bewacher bis zu fünf Tage in Folge zwölf Stunden am Stück im Dienst sind, sei "höchst riskant".
Zertifizierte Ausbildungen und eine Abschaffung der Alleindienste müssten Einzug in diese Branche halten, betonten Arbeitnehmervertreter am Donnerstag. "Sicherheit kann es nicht zum Nulltarif geben - weder für Auftraggeberinnen und Auftraggeber noch für andere", warnt Bianca Schrittwieser, Leiterin der Abteilung Arbeitsrecht der AK Wien.
Zahlreiche Missstände in der Branche
Gerade das Bewachungsgewerbe zähle seit Jahren zu den Branchen "mit einer Vielzahl an Problemen". "Unsere Fallanalyse bestätigt einige systematische Missstände: Der Großteil der Abrechnungen, die uns vorgelegt wurden, war fehlerhaft", so die Kritik. Überstunden und Zuschläge würden nicht oder falsch abgerechnet. Rechtswidrig angeordnete Minusstunden und kurzfristig verschobene Diensteinteilungen seien "an der Tagesordnung".
Fazit von AK und vida: "Die Beschäftigten im Bewachungsgewerbe finden keineswegs sichere und zuverlässige Arbeitsbedingungen vor." Verwiesen wird auf einen starken Preisdruck in der Branche, der an die Arbeitnehmer weitergegeben werde - in Form von langen Diensten, kurzfristiger Einsatzplanung, schwierigen Arbeitsbedingungen und Einsparungen bei Ausbildung und Personalplanung, zählen die Arbeitnehmervertreter auf.
Dominiert werde der Markt von G4S, Securitas, Siwacht und ÖWD. Sie machten mehr als die Hälfte des Marktes aus, wobei alle vier Firmen über einen Betriebsrat verfügen. Dadurch würden arbeitsrechtliche Interventionen häufig außergerichtlich gelöst werden. "Zahlreiche Studien von AK und Gewerkschaften zeigen, dass Betriebe mit Betriebsrat wirtschaftlich erfolgreicher und in Krisenzeiten belastbarer sind", geben AK und vida zu bedenken.
12.700 Personen im Bewachungsgewerbe tätig
Jährlich sind rund 12.700 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Bewachungsgewerbe tätig. Rechne man kurzfristig Beschäftigte für bestimmte Anlässe dazu, steige die Anzahl auf bis zu 16.000. "Rund 5.000 Beschäftigte arbeiteten 2024 in Wien, das sind knapp 40 Prozent aller Sicherheitskräfte in Österreich. Der Frauenanteil beträgt bundesweit 40 Prozent. Mehr als ein Drittel der Beschäftigten in Wien hat keine österreichische Staatsbürgerschaft", rechnen AK und vida in einer Aussendung vor.
Die AK Wien habe von 1. Jänner 2023 bis 30. November 2024 rund 400 Fälle aus der Branche analysiert und ca. 700 Beratungsgespräche in der AK Wien geführt. "Das ist in Anbetracht der vergleichsweise kleinen Branche eine bemerkenswerte Zahl an Fällen. Insbesondere weil sich nur ein Teil der von Unrecht betroffenen Beschäftigten an die AK wendet und die Dunkelziffer immer höher ist", gibt die Arbeiterkammer zu bedenken. Auffällig sei unter anderem gewesen, dass der Frauenanteil an den Beschäftigten bei diesen Fällen bei 20 Prozent lag. Die Branche sei von hoher Fluktuation geprägt, 62 Prozent der Personen blieben weniger als ein Jahr im selben Betrieb.
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"In 36 Prozent der Fälle wurden Überstunden nicht oder nicht korrekt bezahlt. Das reichte von kleinen Differenzen bis hin zu Extrembeispielen, bei denen 300 Überstunden samt Zuschlägen unterschlagen wurden", zeigen sich die Arbeitnehmervertreter fassungslos.
Kündigung bei Krankenstand
Um die Bezahlung stehe es jedenfalls nicht gut. So würden bei der Baustellenbewachung die Löhne stark variieren - von 12,25 bis 16,09 Euro pro Stunde. Und vor allem: "Der Umgang mit kranken Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern lässt zu wünschen übrig und ein klares Muster erkennen: Bereits der zweite Krankenstand in einem Arbeitsverhältnis kann für die Beschäftigten zum Problem werden, viele werden gekündigt - oftmals sehr formlos über WhatsApp", bemängeln AK und vida.
Ein weiteres Problem sei die "Zuverlässigkeitsprüfung", die je nach Bundesland unterschiedlich lange dauere und zu eigenartigen Ergebnissen führe. "Es liegen Fälle vor, bei denen sogar Verkehrsstrafen zum Entzug der Zuverlässigkeit geführt haben", so AK und vida.
Kritik an Festivalbetreibern
Ein großes Thema bei den Beratungen sei der Einsatz von Subunternehmen. Sehr häufig sei das zur Festivalsaison zu beobachten. "Teilweise ist kaum noch nachvollziehbar, bei welchen Firmen betroffene Beschäftigte wirklich angestellt waren. Diese Konstruktionen machen es sehr schwer, Lohnansprüche durchzusetzen", kritisieren Arbeiterkammer und Gewerkschaft. Gefordert werden "wirksame und abschreckende Strafen bei Lohndumping" und eine "Beschränkung von Subunternehmerketten".
WKÖ weist Kritik zurück
Die Wirtschaftskammer reagierte befremdet auf die Kritik der Arbeitnehmervertreter. "Die Bewachungsbranche leistet seit Jahren wertvollen Beitrag zum hohen Sicherheitsstandard Österreichs", wurde betont. Die Bewachungsunternehmen hätten "in den letzten Jahren den Wandel zu modernen Sicherheitsdienstleistern vollzogen".
Die Unternehmensvertreter stellten in einer Aussendung klar: "Es gibt rechtliche Vorgaben, die von allen Bewachungsunternehmen einzuhalten sind. Wenn Marktteilnehmer sich nicht an rechtliche Vorgaben halten und die Branche in Misskredit bringen, sind alle seriös und verantwortungsbewusst agierenden Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz klar die Geschädigten", so Hans-Georg Chwoyka, Bundesvorsitzender des Bewachungsgewerbes in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
Er plädiert für eine Versachlichung der Diskussion: Die Höhe des KV-Mindestlohns betrage im Bewachungsgewerbe aktuell je nach Verwendungsgruppe zwischen 2.122 und 2.787 Euro brutto. "Die branchenübergreifende ÖGB-Forderung nach einem KV-Mindestlohn von 2.000 Euro wurde in der Bewachungsbranche somit schon deutlich überschritten", erklärte Chwoyka in einer Reaktion auf die Kritik von AK und vida. Aktuell beträgt die Wochenarbeitszeit in der Branche 40 Wochenstunden bzw. in Bereichen mit Arbeitsbereitschaftszeiten 48 Stunden. (APA/bearbeitet von ng)