Das heiße Jahr 2018 und die lange Trockenheit wirken für die Autofahrer immer noch nach. Im Süden und Westen Deutschlands müssen sie deutlich mehr für den Sprit bezahlen als im Norden und Osten.
Für Autofahrer in den südlichen Bundesländern und in Nordrhein-Westfalen ist keine Entwarnung in Sicht. Sie werden wohl noch bis Weihnachten und darüber hinaus mit hohen Benzin- und Dieselpreisen leben müssen. Denn die Pegelstände des Rheins und seiner Nebenflüsse bleiben niedrig und das macht Benzin teuer.
Spritpreise bleiben hoch, das steckt dahinter
Die Rohölpreise sind deutlich gesunken. Wie wirkt sich das an den Tankstellen aus?
In der Tat sind die Preise für Rohöl seit ihrem Höchststand Anfang Oktober um mehr als 20 Dollar je Barrel (159 Liter) gefallen, von mehr als 84 auf weniger als 62 Dollar für die Nordsee-Sorte Brent. Das gilt auch nach dem Preisschub am Montag. An den Zapfsäulen hat sich dieser Rückgang nur mit Verzögerung und nicht so ausgeprägt bemerkbar gemacht. Superbenzin ist von einem Spitzenpreis von 1,54 auf 1,47 Euro je Liter zurückgefallen, Diesel von 1,45 auf 1,37 Euro je Liter. Der November war laut ADAC der teuerste Tankmonat.
Dann sind die Preise an den Tankstellen zu hoch?
Auf den ersten Blick sieht das so aus. Die Preise für Benzin und Diesel bewegen sich in aller Regel ungefähr parallel mit den Rohölpreisen, mit Abweichungen nach unten und oben. Es handelt sich jedoch um bundesweite Durchschnittspreise. Ein genauerer Blick zeigt, dass die regionalen Preisunterschiede gegenwärtig extrem hoch sind. In besonders teuren Städten wie Konstanz oder Trier müssen die Autofahrer mehr als 1,50 Euro für den Liter Diesel und 1,60 Euro für Super bezahlen. In Rostock oder Lübeck kostet Diesel dagegen nur 1,27 Euro und Super 1,34 Euro je Liter. Bei einer Tankfüllung von 50 Litern macht der Unterschied ungefähr 11 bis 13 Euro aus. Im Norden und Osten Deutschlands sind die Preise unauffällig.
Wie kommt es zu dieser Sondersituation?
Die Mineralölwirtschaft macht dafür die niedrigen Wasserstände des Rheins und seiner Nebenflüsse verantwortlich. Entlang der Wasserstraßen sind Raffinerien und Tanklager angesiedelt, die das Herzstück der Versorgung in den angrenzenden Bundesländern bilden. Das Rohöl wird in der Regel per Pipeline angeliefert, verarbeitet, gelagert und per Schiff, Bahn und Lkw ausgeliefert. Da die Schiffe auf den Flüssen entweder gar nicht oder nur eingeschränkt fahren können, ist das ausgefeilte und empfindliche Logistik-Räderwerk gestört. Ersatzkapazitäten per Bahn und Lkw sind nur begrenzt vorhanden. "Die Situation ist unverändert schwierig", sagt ein Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV) in Berlin. "Aber sie wird zumindest nicht schlechter."
Nutzen die Mineralölkonzerne die Lage aus?
Das vermutet der Autofahrerclub ADAC. Es herrsche schon seit mehreren Monaten Niedrigwasser, während der Preisanstieg an den Tankstellen erst im Oktober sichtbar geworden sei, sagte ein Sprecher. "Der enorme bundesweite Preissprung der vergangenen Wochen ist deutlich überzogen." Eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts RWI bestätigt hingegen die "Knappheitspreise". Sie würden wieder verschwinden, wenn die Flusspegelstände steigen. Ohnehin sind "richtige", "gerechte" oder "faire" Preise in der Wirtschaft eigentlich nicht gegeben. Preise sind ein Ergebnis von Knappheit, der Intensität des Wettbewerbs und den Rahmenbedingungen. Zu flache Flüsse sind gleichbedeutend mit einer unzureichenden Infrastruktur, die entsprechend höhere Versorgungskosten nach sich zieht.
Wer profitiert von der Situation und den höheren Preisen?
Die Tankstellen im Süden und Westen sind es nicht. Sie leiden eher unter Umsatzverlusten, wenn sie mal vorübergehend leerlaufen. "Mineralölhändler, gut laufende Raffinerien abseits der Rheinschiene und Logistiker auf Schiene und Straße", lautet die Antwort von Rainer Wiek vom Energie-Informationsdienst EID. Sie dirigieren Benzin und Diesel aus dem gut versorgten Norden und Osten in die unterversorgten Regionen und können dafür hohe Preise nehmen. Die Raffinerien am Rhein dagegen haben ihre Produktion gedrosselt und ihre Rohölimporte verringert, weil sie die Produkte nicht abtransportieren können.
Was lässt sich gegen den Engpass tun?
Die Wirtschaft hat ihre Kapazitätsreserven mobilisiert, die Politik einige Produktmengen aus der nationalen Ölreserve freigegeben und in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hamburg wurde für Tanklaster das Sonntagsfahrverbot aufgehoben. Der MWV würde das auch in weiteren Bundesländern für sinnvoll halten. Ansonsten bleibt nur abzuwarten, bis die Flüsse wieder mehr Wasser führen. Doch das kann durchaus bis zur Schneeschmelze im Frühjahr dauern.
Kann der Autofahrer sich selbst helfen?
Bei langen Fahrten im Norden oder Osten tanken, nicht im Süden, wenn es sich einrichten lässt. Und die Preise vergleichen; der Wettbewerb ist nicht außer Kraft gesetzt. "Wir beobachten die Entwicklung sehr genau, und natürlich sind hohe Preise ein Ärgernis", sagt der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt. "Ich gehe davon aus, dass sich die Preise mit steigendem Pegelstand im Rhein und sinkendem Rohölpreis nach unten bewegen." © dpa
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