Ernüchterung im kalifornischen Cupertino: Das Wachstum des Elektronikriesen Apple stockt, die Gewinne gehen zurück, der Aktienwert hat sich in diesem Jahr deutlich verringert, und das Image hat diverse Kratzer bekommen. Seit Monaten schon prophezeien skeptische Beobachter das Ende der Erfolgsstory des iPhone- und iPad-Konzerns. Die neuen Quartalszahlen scheinen ihnen Recht zu geben – und doch ist es zu früh für einen Abgesang.
Der märchenhafte Höhenflug scheint vorbei. Der Börsenwert von Apple ist in den vergangenen Monaten so drastisch gesunken, dass der US-amerikanische IT-Konzern vor wenigen Wochen vom Ölmulti Exxon Mobil als wertvollstes Unternehmen der Welt abgelöst wurde. In der vergangenen Nacht präsentierte der erfolgsverwöhnte Computerriese ernüchternde Zahlen zum dritten Quartal seines Geschäftsjahrs. Ein Jahrzehnt lang waren die Gewinne stetig gestiegen, nun verzeichnete Apple bereits das zweite Quartal in Folge einen Rückgang: Der Gewinn schrumpfte um 22 Prozent auf 6,9 Milliarden Dollar. Der Umsatz lag mit 35,3 Milliarden Dollar nur leicht über dem Wert des Vorjahreszeitraums.
Trotz des deutlichen Gewinnrückgangs nahmen Beobachter und Börsianer die Zahlen insgesamt freundlich auf. Vor allem, weil sie ihre Erwartungen vorab schon deutlich runtergeschraubt und sich auf noch Schlimmeres eingestellt hatten – schließlich hatten zuletzt auch Intel, Ebay, Google und Microsoft allesamt mit ihren Quartalszahlen enttäuscht.
"Die Innovationsmaschine stockt"
Längst mehren sich die Stimmen, die mutmaßen, der Apple-Stern sei am Sinken. Ungeachtet der jüngsten Zahlen ist es aber noch zu früh, das Totenglöckchen für Apple zu läuten. Denn der Höhenflug des Konzerns in den vergangenen Jahren war untrennbar mit der Einführung innovativer Produkte verbunden: Er begann zur Jahrtausendwende mit dem mp3-Player iPod und verstärkte sich mit der Vorstellung von iPhone und iPad. Es stellt sich also die zentrale Frage: Hat Apple seine Innovationskraft verloren oder ist das Unternehmen noch zu einem weiteren großen Wurf in der Lage?
Das "Manager-Magazin" unkte am Dienstag in seiner Onlineausgabe bereits: "Apples Innovationsmaschine stockt." Vor Monaten schon galt Apple-Boss Tim Cook, der vor fast zwei Jahren die Nachfolge des charismatischen Visionärs Steve Jobs angetreten hatte, als Chef auf Zeit. Denn bisher ist er den Beweis schuldig geblieben, dass der Konzern auch unter seiner Führung neue Trends setzen kann.
Seit drei Jahren kam aus Cupertino nichts grundlegend Neues mehr: 2010 wurde mit dem iPad der Tablet-Computer eingeführt, das erste iPhone wurde sogar schon 2007 vorgestellt. Seither wurde zwar an diesen Geräten gefeilt, ein revolutionäres neues Produkt aber nicht mehr vorgestellt. Und schenkt man den Gerüchten Glauben, werden sich die Apple-Fans wohl auch noch einige Zeit gedulden müssen.
Uhr oder Fernseher?
An Spekulationen über mögliche neue Apple-Produkte mangelt es dabei nicht. Zumindest zwei Geräte werden demnach wohl früher oder später kommen. Intensiv gearbeitet wird bei Apple offenbar an der iWatch, einem intelligenten Computerarmband, das Schritte zählen und den Puls messen kann, eine Karten- und Navigationsfunktion bieten soll und außerdem auch zum Telefonieren sowie zum Öffnen von Apps verwendet werden kann.
Die Entwicklung zur Marktreife kommt allerdings Medienberichten zufolge langsamer voran als erwartet, sodass Apple befürchten muss, dass ihm andere Anbieter mit einer Smartwatch zuvorkommen. Denn angeblich wird es vor 2014 nichts werden mit der iWatch – wegen nicht gelöster Probleme soll Apple zuletzt "aggressiv" neue Entwickler für das Projekt eingestellt haben.
Darüber hinaus hält sich seit vielen Monaten die Erwartung, Apple könnte einen eigenen Fernseher auf den Markt bringen: Ein TV-Gerät mit Internetfunktionen und eingebauter Kamera für Videotelefonie, das sich durch Gesten, mündliche Befehle oder aber über das iPad und iPhone intuitiv steuern lässt. Bereits Steve Jobs soll das Projekt vorangetrieben haben, einige Beobachter hatten das Gerät schon für Ende vergangenen Jahres erwartet. Doch auch der iTV soll offenbar erst 2014 in den Handel kommen.
iPhones verkaufen sich gut
Der dringend nötige, nächste Paukenschlag von Apple wird also noch auf sich warten lassen. Bis dahin könnten zumindest neue iPhones und iPads den Umsatz ankurbeln: Just in diesen Tagen wurde kolportiert, der Konzern experimentiere mit größeren Bildschirmen für iPhone und iPad, um der Konkurrenz Paroli bieten zu können. Neben einem Riesen-iPhone könnte im Herbst auch eine Billigversion des beliebten Smartphones auf den Markt kommen – im bunten Plastikgehäuse.
Gerade der iPhone-Absatz ist einer der großen Lichtblicke im aktuellen Quartalsbericht von Apple. Während die Zahl der verkauften Macs und iPads im Vorjahresvergleich sank, gingen mit 31,2 Millionen iPhones rund fünf Millionen Geräte mehr über den Ladentisch als vor einem Jahr.
Cook versprach bei der Vorstellung der Quartalszahlen einmal mehr, dass im Herbst sowie im nächsten Jahr neue Produkte auf den Markt kämen. Damit er alle, die den sinkenden Apple-Stern beschwören, Lügen strafen kann, muss er den Worten allerdings auch spektakuläre Taten folgen lassen und einen neuen Kassenschlager aus dem Hut ziehen. Sein Konzern steht in diesen Monaten am Scheideweg. Nur durch eine Rückkehr zur Innnovationskraft der vergangenen Jahre wird mit den Kaliforniern auch in Zukunft noch zu rechnen sein. Beispiele wie Nokia zeigen, wie schnell auch Branchenriesen den Anschluss verlieren können, wenn sie neue Entwicklungen verschlafen.
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