Wer am Mittwoch seinen Hausarzt konsultieren muss, steht möglicherweise vor verschlossenen Türen: In drei Bundesländern wird gestreikt.
In Wien, Kärnten und Burgenland bleiben am Mittwoch Ordinationen der Hausärzte geschlossen. Die Ärztekammer hat einen Protest der geplanten Gesundheitsreform initiiert. Auch die Spitalsärzte bekannten sich zwar solidarisch, allerdings ohne eigene Streik-Maßnahmen.
Der Streik könnte auch flächendeckend auf ganz Österreich ausgeweitet werden - sofern die Politik nicht einlenke. Das kündigte Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart vergangene Woche an.
Vorerst bleiben in Wien etwa 80 Prozent der Ordinationen geschlossen, in Kärnten streiken alle rund 850 niedergelassenen Ärzte (auch Fachärzte) und im Burgenland alle Hausärzte ab 12:00 Uhr. Patienten, die an diesem Tag einen Hausarzt benötigen, müssen sich an Notdienste oder den Funkdienst wenden.
Ärztekammer sieht Hausärzte-System in Gefahr
Wogegen richtet sich der Protest konkret? Der Nationalrat will einen sogenannten "Kostendämpfungspfad" beschließen. Bis 2021 sollen für die öffentlichen Gesundheitsausgaben (ohne Pflege) Ausgabenobergrenzen von 3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (2017) abgestuft bis 3,2 Prozent (2021) festgelegt werden.
Andererseits soll durch die zweite 15a-Verordnung in den Ausbau der Primärversorgung investiert werden - bis Ende 2020 rund 200 Millionen Euro. Bis Laufzeitende sollten zumindest 75 Primärversorgungseinheiten eingerichtet sein – diese müssen aus einem Kernteam mit einem Allgemeinmediziner und Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege bestehen und bedarfsgerechte Öffnungszeiten anbieten.
Bei der Ärztekammer sieht man in diesen Plänen eine Gefahr: Sie könnten das System der wohnortnahen Versorgung durch Hausärzte aushebeln, befürchtet Steinhart. Es würde Ärzte in Zentren konzentrieren. Nach Steinhart wäre das das Ende der ärztlichen Freiberuflichkeit, der freien Arztwahl und der sozialen Medizin. Seine Befürchtung: gewinnorientierte Großkonzerne könnten solche Zentren übernehmen.
Dass es sich lediglich um "Kostendämpfung" handle, lässt er nicht gelten. Die Kosten für das Gesundheitssystem sind immerhin von 3,2 auf 3,6 Prozent gestiegen. Damit würden um 4,3 Milliarden Euro weniger in das System fließen als notwendig. Die 200 Millionen Euro, die für die Primärversorgung gedacht sind, seien laut Steinhart kein zusätzliches Geld, sondern würden aus der Krankenversicherung umgeschichtet. Seine größte Angst: Die Ärztekammer könnte aus Entscheidungsprozessen gedrängt werden.
Scharfe Kritik am Streik
Als "dezidierten Blödsinn" bezeichnete Kärntens Gesundheitslandesrätin Beate Prettner (SPÖ) diese Vorwürfe. Sie übte am Montag scharfe Kritik am Streik. Die Ärztekammer verbreite im Zusammenhang mit den geplanten Primärversorgungszentren bewusste Falschinformationen, meint Prettner. In "keinster Weise" solle der Hausarzt abgeschafft werden.
In Kärnten, einem der bestreikten Bundesländer, seien sechs Primärversorgungszentren geplant, und dafür gebe es sechs zusätzliche Kassenverträge. "Eine weitere Falschinformation ist die Behauptung der Ärztekammer, es werde weniger Geld für das Gesundheitssystem geben, das ist ein dezidierter Blödsinn." 2014 habe Österreich 27 Milliarden Euro in diesem Bereich ausgegeben, bis 2021 würden es 4,6 Milliarden mehr sein: "Das Ganze erweckt den Eindruck, dass die Ärztekammer bewusst eine Lösung blockiert."
Ärzte fürchten um direkten Kontakt
Ärztekammer-Präsident Arthur Wechselberger sieht das anders. Die Primärzentren bezeichnet er als "private Krankenanstalten mit angestellten Ärzten". Er verteidigte den Streik am Montag im "Ö1-Morgenjournal". Wechselberger befürchtet, dass sich mit den Primärversorgungszentren die ambulante Versorgung der Patienten verschlechtere: "Es geht der direkte, individuelle Kontakt zum Arzt verloren. Es geht die Wohnortnähe verloren, es wird das Leistungsspektrum eingeschränkt sein."
Wolle man den niedergelassenen Bereich stärken, sollte man auf Bewährtem aufbauen, die bestehenden Arztpraxen vernetzen und die Zusammenarbeit der Ärzte verbessern. Dazu brauche es "frisches Geld." Denn die geplanten 200 Millionen müssten erst recht wieder erst im System eingespart werden.
Regierung sichert zentrale Rolle zu
Die Bundesregierung reagierte auf die Diskussionen nun mit einem direkten Brief an die Hausärztet. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ), Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) sowie die Spitzen der Sozialversicherung und Ländervertreter nehmen darin Stellung. Vor allem zu den kritisierten Primärzentren: "Das können Zentren sein oder Netzwerke, wo mehrere Hausärzte und Hausärztinnen im Team mit anderen Gesundheitsberufen in einem organisatorischen Verbund miteinander kooperieren.Klar ist: Auch bei diesen neuen Modellen werden Hausärzte und Hausärztinnen eine zentrale Rolle spielen“, steht in dem Brief.
Weiter heißt es: "Die niedergelassenen ÄrztInnen - ob in Einzelordinationen oder Gruppenpraxen - bleiben nach wie vor zentraler Bestandteil der Gesundheitsversorgung. Niemand wird wegen der gesetzlichen Änderungen seinen bzw. ihren Kassenvertrag verlieren. Auch an der freien ÄrztInnenwahl wird sich nichts ändern.“
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