Inklusion war das letzte Thema, mit dem sich Jan Böhmermann im Dezember in die Staffelpause verabschiedet hat. Am Freitagabend meldet sich der Satiriker nun zurück und hat einen Begriff mitgebracht, den alle gut finden: Freiheit. Aber Freiheit wovon und für wen? Die Antwort dürfte vor allem die Menschen interessieren, die AfD wählen wollen und glauben, der Partei ginge es um sie.

Christian Vock
Eine Kritik
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Am 14. Dezember begrüßte Jan Böhmermann zum letzten Mal zu seinem "ZDF Magazin Royal", danach verabschiedete er sich in die Staffelpause. Seitdem ist viel passiert, von der Amtseinführung Donald Trumps bis hin zur jüngsten Abstimmung im Bundestag, in der sich CDU-Chef Merz ohne Not an der Brandmauer gegen die Rechtsextremen zu schaffen machte. All das geschah also in Abwesenheit von Jan Böhmermann, doch am Freitagabend meldete sich der ZDF-Chefsatiriker zurück.

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"Es hat sich einiges angestaut", findet auch Jan Böhmermann und blickt einmal noch genauer hin, was da alles so passiert ist: wahrscheinlich bald ein rechtsextremer Kanzler in Österreich, mit Trump ein chauvinistischer Populist als US-Präsident, eine Tech-Elite, die sich wie Meta-Chef Marc Zuckerberg vor ihm in den Staub wirft, Alice Weidel, die Hitler einen Linken nennt, Elon Musk, der Hitler-Grüße in die Menge wirft und ein Friedrich Merz, der sich eine Mehrheit durch Zustimmung der AfD holt.

"Und das war nur der Januar!", kommentiert Böhmermann die Ereignisse, hat aber noch eine Szene vorbereitet: den Tortenwurf gegen Christian Lindner und hier ist dem Satiriker aufgefallen, was auf der Torte stand: "Aus Liebe zur Freiheit".

"Die FDP ist doch für Freiheit. Also dachte ich immer, oder nicht?", erklärt Böhmermann und fragt: "Freiheit – was bedeutet das eigentlich, Freiheit? In Zeiten, in denen ein CDU/CSU-Kanzlerkandidat im deutschen Parlament mit Rechtsextremen, den Feinden der Freiheit, zusammenarbeitet."

"ZDF Magazin Royale": Warum Rechtsextrem den Staat minimieren wollen

"So sehr wie zurzeit war die Freiheit in den letzten 80 Jahren noch nie bedroht – und mit ihr die Demokratie", resümiert Böhmermann. Zwar werbe vor der Bundestagswahl jede Partei mit Freiheit, aber "Freiheit bedeutet eben für jede und jeden was anderes", erklärt er und fragt in Bezug auf die AfD: "Was bedeutet Freiheit für die Rechtsextremen?" Die verwende den Begriff "Freiheit" nämlich auffällig häufig: "Alice Weidel und die AfD waren so frei und haben sich einfach das Wort 'Freiheit' unter den Nagel gerissen, als wäre es das Sudetenland 1938."

Aber so sehr die AfD auch von Freiheit spreche, meine sie damit keine Freiheit für alle, sondern für wenige, wie Böhmermann verschiedene Berichte zitiert: "Steuerversprechen im AfD-Wahlprogramm: Profitieren würden vor allem die Reichsten", "Die Partei fordert die Abschaffung der Grundsteuer sowie der Vermögens- und Erbschaftssteuer" oder "Außerdem will [die AfD] die Unternehmenssteuern […] senken. Der Solidaritätszuschlag soll komplett abgeschafft werden", heißt es dort und Böhmermann denkt diese Berichte weiter.

Denn weil Alice Weidel im Gespräch mit Milliardär Elon Musk gleichzeitig erklärt, den Staat minimieren zu wollen, rechnet Böhmermann vor: "Freiheit bedeutet für die AfD zum Beispiel Freiheit von Steuern. Freiheit, vor allem für eine kleine radikale Minderheit: die Reichen und Mächtigen. Freiheit für Millionäre und noch viel mehr Freiheit für Milliardäre. Deswegen schöpfen die Hoffnung, wenn Rechtsextreme einen minimierten Staat versprechen. Weil ein sozialer Staat, der an alle denkt, ist schlecht für die Freiheit der Superreichen."

Freiheit für Milliardäre!

Reiche bräuchten nämlich keine Krankenversicherung, keinen Mietendeckel, keine Gewerkschaften, keine bezahlbare Kinderbetreuung, keinen Rechtsstaat oder Parteien, keine Feuerwehr, keinen Naturschutz, keine Rentenversicherung, keine Pflegeversicherung, kein Arbeitsrecht, Tarifverträge, Moral oder Meinungsfreiheit.

Reiche bräuchten nur die Freiheit, denn "nur die Freiheit der Milliardäre ist echte Freiheit. Die Freiheit, nichts abgeben zu müssen von der eigenen Macht und dem eigenen Reichtum". Der Staat, so zeichnet es Böhmermann, sei nur dafür da, die Freiheit der Superreichen zu schützen. Die hätten Angst, dass der Staat ihre Macht zum Wohle aller begrenze. Genau deshalb würde Elon Musk nun im Auftrag Donald Trumps gerade den US-Staat minimieren.

Gleichzeitig würden Rechtsextreme, egal wo, aus ihren Ländern Festungen machen, was wiederum mehr Staat bedeute, nur eben an anderer Stelle: "Mehr Polizei, mehr Militär, mehr Gewalt, mehr Repression, mehr Waffen, mehr Überwachung, mehr Gefängnisse, mehr Festung." Dafür würden die Mittel eben umverteilt und zwar "von oben nach oben".

Dieses "oben" sei eine "hervorragend vernetze internationale Clique" von Trump, Musk, Meloni, Orbán oder Milei und "während Sie zuhause sitzen und eine Comedy-Sendung gucken, legen die gerade Hand an an die zivilisatorischen und demokratischen Errungenschaften der letzten paar hundert Jahre", so Böhmermann.

"Wenn Freiheit, dann nur für alle!"

Aber Böhmermann macht bei all dem Gerede der Rechten von der Freiheit noch auf etwas Anderes aufmerksam: "Leider muss man für diese Art von Freiheit auf etwas Anderes, genauso Wichtiges verzichten: nämlich auf Gerechtigkeit und vor allem Gleichheit", erklärt Böhmermann.

Er fragt rhetorisch: "Wussten Sie, dass jede und jeder Einzelne von Ihnen exakt genauso viel wert ist wie Elon Musk? Ihre Meinung, Ihre Sorgen, Ihre Wünsche, Ihre Freiheit. Die Freiheit jedes einzelnen Menschen ist exakt genauso viel wert und genauso wichtig wie die von Elon Musk. […] Wenn Freiheit, dann nur für alle!"

Eine gar nicht mal so abwegige Forderung, hinter der aber mehr steckt als nur ein Appell. Dahinter steht nämlich auch ein Perspektivwechsel, wie man auch einmal auf Rechtsextreme und ihre Forderungen blicken sollte. Denn die bisherigen Blickwinkel scheinen in ihrer Wirkung doch an ihre Grenzen gekommen zu sein.

So ernüchternd es für Demokraten klingt: ihr Rassismus, die Hetze, die Skandale, Entgleisungen, Verharmlosungen, Deportationsfantasien und selbst die Verurteilung Björn Höckes haben nichts an den Wahl- und Umfrageergebnissen der AfD geändert.

Im Gegenteil, sogar Alice Weidel hat ihre bürgerliche Maske inzwischen abgenommen und zeigt nun offen, wofür sie wirklich steht. Mit anderen Worten: Es ist alles über die AfD bekannt und so müssen sich alle Demokraten wohl eingestehen, dass die AfD nicht trotz ihrer menschenverachtenden Ansichten gewählt wird, sondern genau deswegen.

Jan Böhmermanns Verdienst ist nun, einmal die Folgen der Rechtsextremen aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Was man von dort aus sieht, ist eine andere Art von Menschenverachtung. Doch diesmal trifft es nicht Migranten, sondern die eigenen Wähler – es sei denn, man ist reich.

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