Pornografie. 2019 ist sie ständig und überall verfügbar. Alles, was man braucht, ist ein Internetzugang. Doch diese permanente Verfügbarkeit hat Folgen. Für die Konsumenten, die Darsteller und die Gesellschaft. Die ZDF-Doku "Milliardengeschäft Porno – Gefahr aus dem Internet" zeigt die Schattenseiten der scheinbaren sexuellen Freiheit.
"Die Unaufgeregtheit, mit der Jugendliche über ihre Erfahrungen mit Pornografie sprechen, steht den AutorInnen zufolge in einem auffälligen Kontrast zur Dramatik der öffentlichen Debatte."
So steht es in einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Universitätsklinik Hamburg Eppendorf von 2011, in der männliche Jugendliche nach ihrem Umgang mit Pornografie befragt wurden.
Die ZDF-Doku "Milliardengeschäft Porno – Gefahr aus dem Internet", die am Samstagabend im ZDF lief und die diese Passage zitiert, zeigt ein ganz anderes, zumindest aber ein ergänzendes Bild.
Von Unaufgeregtheit kann in dem Film keine Rede sein. Das Bild, das Filmemacher Christian Stracke von Pornografie zeichnet, ist ein düsteres – und zwar für alle, die mit ihr in Berührung kommen.
Pornos im Internet: zu früh, zu gewalttätig, zu leicht verfügbar
Die Liste der Vorwürfe ist lang: zu früh, zu gewalttätig, zu leicht verfügbar. Vor allem Kinder und Jugendliche würden ohne große Probleme an pornografische Filme kommen – auch an Hardcore-Pornos.
So wie Rocco. Als 11-Jähriger findet der junge Mann Unmengen an Pornos im Internet, sie ansehen zu können, stellte den Minderjährigen vor keinerlei Probleme: "Da war lediglich ein Button da, wo man sagen musste: Ja, ich bin über 18. Da habe ich drauf geklickt und da war ich schon auf der Seite und konnte mir angucken, was ich wollte."
Dabei dürften in Deutschland Pornos Minderjährigen eigentlich überhaupt nicht zugänglich sein. Das Problem, so die Dokumentation, liege unter anderem daran, dass die Server der entsprechenden Internetseiten im Ausland stehen.
Ein Umstand, der für Psychologin und Psychotherapeutin Tabea Freitag drastische Folgen hat: "Die Tatsache, dass Kinder pornografischen Inhalten ausgesetzt sind, ist eine krasse Form von sexueller Belästigung oder im Grunde von sexuellem Missbrauch, weil es ihre Schamgrenzen verletzt."
Diese leichte Verfügbarkeit wird umso gefährlicher, da sie Suchtverhalten begünstigt. Laut Schätzungen seien in Deutschland rund eine halbe Millionen Menschen pornosüchtig.
Das war auch Rocco und die Sucht hat ihre Spuren hinterlassen: "Der Pornokonsum hat bei mir sehr viel kaputt gemacht. Ich habe auf Frauen eine vollkommen falsche Sicht bekommen. Ich habe sie absolut objektisiert. Dann natürlich, dass der Faktor Gewalt immer in den Sex mit rein geflossen ist, weil das eben durch die Pornos bei mir so krass eingepflanzt wurde, dass ich das gar nicht mehr rausgekriegt habe."
Menschenverachtende Gewalt
Diese Gewalt und Objektivierung von Frauen schadet nicht nur der Ausbildung einer gesunden Sexualität, sondern auch dem Frauenbild, wie Bert te Wildt, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der Doku erklärt: "Wir sehen dort Spielarten von Sexualität, die besonders abstoßend sind, die gefährlich sind, die menschenverachtend sind."
Neben einer gesamtgesellschaftlichen Relevanz, hat das vor allem für die Darstellerinnen brutale Konsequenzen , wie auch eine Darstellerin in der Doku berichtet: "Je mehr Gewalt, umso besser verkauft es sich", erzählt die Frau und berichtet von Verletzungen, die ihr beim Dreh zugefügt wurden und von Verschwiegenheitserklärungen, die die Darsteller unterschreiben müssten.
Eine andere ehemalige Darstellerin spricht von dem ungeheuren Druck, den die Darstellerinnen bei einem Dreh ausgeliefert seien und die sie häufig mit Tabletten oder Drogen betäuben würden.
Es ist ein bedrückendes Bild, aber keinesfalls einseitiges Bild, das Filmemacher Christian Stracke mit seiner Dokumentation von der Pornoindustrie und deren Auswirkungen zeichnet. Stracke bemüht sich, möglichst viele Stimmen zu Wort kommen zu lassen.
Konsumenten, Wissenschaftler, Behörden, Porno-Produzenten, Alt-Darstellerinnen, Einsteigerinnen, Therapeuten und auch Kritiker wie die Britin Shalley Shefer, die sich gegen Pornos engagiert und eine klare Meinung dazu hat: "Das ist pure Gewalt. Gewalt gegen Frauen."
"Pornografie ist nicht Sexualität"
Das sieht man in Großbritannien offenbar mehrheitlich so, jedenfalls wurden hier die gesetzlichen Auflagen laut Doku in den vergangenen Jahren verschärft. So müssen inzwischen dort auch ausländische Anbieter wirksame Jugendsperren auf ihren Webseiten einsetzen, zudem gebe es Aufklärungskampagnen in Schulen.
Ganz offensichtlich funktioniert in Großbritannien etwas anders, was auch am gesellschaftlichen Klima liegen könnte. "In Deutschland haben wir es überwiegend damit zu tun, dass Pornografie als rosarotes, harmloses Vergnügen für Erwachsene angesehen wird", erklärt Sexualwissenschaftler Jakob Pastötter in der Doku über Pornografie.
Den Reiz, den Pornografie auf manche Menschen hat, entzaubert der Wissenschaftler ganz nüchtern: "Pornografie ist nicht Sexualität. Pornografie ist eine Erzählung über Sexualität. Pornografie hat einen bestimmten Sinn und Zweck. Nämlich Lust auf mehr Pornografie zu machen, um die Klickzahlen zu erhöhen.
Die Doku "Milliardengeschäft Porno – Gefahr aus dem Internet" ist noch bis 8. März 2020 in der ZDF-Mediathek verfügbar.
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