Am Dienstag entscheidet der ORF-Stiftungsrat über den neuen ORF-General. Spannend: beide Kandidaten haben die gleiche Voraussetzung, denn sowohl SPÖ als auch ÖVP stellen jeweils 13 Stiftungsräte. Nun müssen sich Alexander Wrabetz und Richard Grasl im Hearing um eine Mehrheit bemühen.
2016 tut sich als eines der spannendsten Wahljahre der österreichischen Geschichte hervor. Nach dem Krimi um die Bundespräsidentenwahl schiebt sich die nicht minder interessante Wahl des ORF-Generaldirektors dazwischen.
Am 9. August bestellen die 35 Stiftungsräte des ORF den neuen Generaldirektor ab 2017. Es ist nach wie vor offen wer die besseren Karten hat: der amtierende General Alexander Wrabetz, der von der SPÖ unterstützt wird, oder der bisherige Finanzdirektor Richard Grasl, unterstützt von der ÖVP - und mit einem starken Draht zur schwarzen Parteispitze in Niederösterreich.
Beide Kandidaten haben dieselbe Ausgangslage: Sowohl die SPÖ als auch die ÖVP stellen derzeit jeweils 13 der insgesamt 35 Stiftungsratsmitglieder. FPÖ, Grüne, NEOS und Team Stronach stellen je einen Stiftungsrat.
Die Mitglieder werden von Regierung, Parteien, Bundesländern, ORF-Publikumsrat und Betriebsrat beschickt und sind – mit ein paar Ausnahmen - in parteipolitischen "Freundeskreisen" organisiert.
Nun geht es darum, den Rest der Räte zu überzeugen. Die magische 18 muss der Siegerkandidat erreichen, um die Mehrheit hinter sich zu haben. Und hier kämpfen sowohl ÖVP als auch SPÖ mit allen Mitteln.
Was die Chancen betrifft, so wurden Montagmittag dem amtierenden Generaldirektor Blumen gestreut. Allerdings - so warnten Mitglieder des Stiftungsrates - seien Überraschungen diesmal keineswegs ausgeschlossen.
Wrabetz will Alleinentscheider bleiben
Die Strategiepakete, mit denen die beiden die Stimmenmehrheit für sich beanspruchen wollen, sind schon seit längerer Zeit bekannt. Dabei liegen die größten Unterschieden in der Organisation und im Bereich der Information.
Wrabetz will an dem aktuellen Modell von vier Direktoren plus Generaldirektor festhalten. Grasl will sowohl den technischen Direktor als auch seine bisherige Position des kaufmännischen Direktors streichen. Beide Funktionen sollen von der Generaldirektion ausgeübt werden.
Dazu sagte Wrabetz kürzlich der Austria Presse Agentur: "Er (Grasl, Anm.) will die meiste Macht, die je ein ORF-General hatte. Er will viele Kompetenzen in die Chefetage eingliedern, alles im Team absprechen, alleine entscheiden und letztlich bei Misserfolgen nicht schuld sein."
Grasl plant mehr Programmdirektoren
Im Informationsbereich planen beide eigene Chefredakteure sowie Channel-Manager für die TV- und Radiosender. Unterschied: Wrabetz will diese in der Generaldirektion verankern, Grasl bei den Programmdirektoren.
Grasl plant nämlich sowohl für TV-Info, TV-programm, Radio und Digital einen eigenen Programmdirektor.
Wrabetz: FM4 darf nicht Kronehit werden
Kritik an der Strategie von Grasl kommt vom Konkurrenten Wrabetz, der in Grasls Ankündigungen Wahlkampfpolemik ortet. Auch sieht er es kritisch, aus FM4 ein zweites Kronehit zu machen und Ö3 umzubauen: "Wenn jemand sagt, Ö3 ist nicht jung, ist das falsch. Der Sender ist absolute Nummer eins – auch bei den Jungen. Und wenn Kronehit mit viel Musik hier ebenfalls Erfolg hat, können wir ihnen deshalb ja nicht die Luft zum Atmen abschneiden."
Grasl wiederum findet naturgemäß wenig Gutes an dem Konzept seines Kontrahenten: "Wrabetz' Konzept bedeutet den brutalsten Zugriff auf die Information und die Redaktionen, den es jemals in der Geschichte des ORF gegeben hat. Ich warne ausdrücklich davor, das Konzept, dass alle Chefredakteure einem Generaldirektor als Super-Informationsdirektor unterstellt sind, umzusetzen."
Egal, wie die ORF-Wahl ausgeht - eines ist bereits im Vorfeld klar: Der Verlierer wird die ORF-Geschäftsführung wohl verlassen.
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