• Netflix startet mit dem deutschen Format des internationalen Datingshow-Knallers "Too Hot to Handle" in den März.
  • Im Paradies wird hier die Liebe gefunden und das ganz ohne sexuelle Interaktion, sonst gibt's eine Geldstrafe.
  • Ein interessanter Einfall – wenn das alles nicht nur genauso stumpfsinnig wäre.
Christian Vock
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Da stehen sie also nun in ihren goldenen Glitzer-Fummeln, schlagen die Hände vor die Augen, die Münder vor Schreck geweitet und können es nicht fassen. Ausgerechnet hier und jetzt, wo doch alle Zeichen auf einen Abend der Ausgelassenheit hindeuteten. Ausgerechnet auf "Der Party der Sex-Götter" lärmt plötzlich das Sexometer und aus seinem Inneren kommt Lana herausgefahren. Zugegeben, ein Satz, von dem man nicht geglaubt hat, ihn jemals lesen zu müssen. Aber es ist nun einmal so, man kann die Realität nicht verleugnen.

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Und genau so geht es eben gerade Kevin, Akka, Tobias, Anna, Stella, Dennis, Emely, Onyi, Laura und Fabio, denn diese Realität ist der Grund, warum die zehn jungen Frauen und Männer gerade gucken, als hätte man ihnen den Instagram-Account gesperrt. Wer bisher nur "Instagram-Account" verstanden hat: Es geht um die neue Netflix-Serie "Too Hot To Handle: Germany", die seit dem 28. Februar auf dem Streamingdienst zu sehen ist und dort bereits einen der vorderen Plätze der Beliebtheitsrangliste belegt.

Die Serie ist der deutsche Ableger des US-amerikanischen Originals von 2020. Die Idee: Zehn Singles werden in dem Glauben, sie würden an einer Partnervermittlungsshow namens "Tropical Desire" teilnehmen, in eine Villa gesperrt. Doch wo bei ähnlichen Shows wie "Love Island" Fummeln und mehr gerne gesehen wird, heißt es hier: Hände dort, wo ich sie sehen kann! Mit anderen Worten: "Sexuelle Handlungen jeglicher Art sind nicht erlaubt, kein Küssen, kein Petting, kein Sex, keine Masturbation."

"Too Hot To Handle": Geld gegen Enthaltsamkeit

Das erfahren die Teilnehmenden aber erst ein paar Stunden nach ihrem Einzug. Genauso wie die Tatsache, dass sie durch ihren Aufenthalt in der Show 200.000 Euro gewinnen können – sofern sich alle an die Regeln halten. Tun sie das nicht, wird für jeden Regelverstoß ein bestimmter Betrag vom Preisgeld abgezogen. Warum? Damit sie lernen, "tiefgründige, emotionale Beziehungen aufzubauen". Behauptet zumindest Lana, die Stimme aus einer kleinen Boom-Box, die die Kandidatinnen und Kandidaten mit Anweisungen und Ansagen aller Art versorgt.

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Was Lana nicht sagt: In Wirklichkeit geht es nicht um einen Erziehungsauftrag in puncto Partnerschaft, sondern um Fernsehunterhaltung. Und die erhofft sich die Show durch die aus allen Poren sickernde Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Hier die harten Nicht-anfassen-Regeln, dort zehn Frauen und Männer, die mit hormonellen Verwerfungen zu kämpfen haben. Oder "horny" sind, wie die Kandidaten ihren permanent sexuell unterernährten Zustand nennen.

Doch die Show will nicht nur mit den Singles Quote machen, die spitz wie Nachbars Lumpi sind, sondern auch mit deren sonstigen Qualitäten – oder mit dem, was diese für ihre Qualitäten halten. Dementsprechend sehen Kevin, Dennis und Co. aus wie frisch aus der McFit-Umkleide gecastet und geben Sachen von sich, die von einem sehr körper- und partyfixiertem Selbstbewusstsein zeugen.

Stella: "Ne Orgie wär auch in Ordnung"

Da haben wir zum Beispiel Emely. Von Berufs wegen eigentlich "Make-up-Artist", hier aber als Mathematikerin unterwegs: "Ich bin 50 Prozent Party-Girl und 50 Prozent Ibiza-Hippie", sagt Emely, die die Show mit einem nicht enden wollenden Deutsch-Englisch-Gebrabbel-Mix bereichern möchte. Ein besonderes Mischverhältnis hat auch Laura bei sich ausgemacht: "Ich bin zu ein Prozent deutsch und zu 99 Prozent Argentina." Wie sie das berechnet hat, sagt Laura leider nicht.

Dann hätten wir noch Dennis, dessen Begrüßung an Eleganz und Stil kaum zu überbieten ist: "Leck mich am Arsch, du siehst aber gut aus. Na, Hübsche!" Kevin hingegen ist so etwas wie der Philosoph der Truppe, denn sein Lebensmotto lautet: "No bad days. Man kann aus jedem Tag was Gutes machen." Was Gutes bedeutet bei Philosoph Kevin allerdings: "Partys, Frauen und One-Night-Stands. Das ist mein Vibe." Ach, Kevin. Aber man muss Kevin in Schutz nehmen, denn die richtigen Feingeister kommen erst noch.

Zum Beispiel Akka aus Wien. Sein Motto: "Eat, sleep, fuck, repeat!" Gut, dass man ihn jetzt nicht in der Bibliothek trifft, hat man ahnen können, aber dass sein Motto wirklich nur das Notwendigste beinhaltet, ist doch überraschend. Aber vielleicht sagt Akka deshalb auch über sich: "Ich perform extrem stark im Bett." Man kann sich eigentlich keine Welt vorstellen, in der irgendjemand nicht abgestoßen ist von so einem Spruch, aber vielleicht punktet er ja bei Stella, über die Lana sagt: "Mehr Beine geht nicht." Gut, mehr Beine hätte sie wahrscheinlich auch nicht gebraucht, die Show ist ja kein Wettrennen. Außerdem sagt Stella über sich: "Ich bin die perfekte Frau" und über die Show: "Ne Orgie wär auch in Ordnung."

Kevin: "Dafür hab ich mich nicht beworben!"

Wäre sie aber nicht – zumindest wenn Stella nach dem Finale noch ein paar Cents des Preisgeldes haben möchte. Aber das erfahren die zehn Kandidaten, wie erwähnt, erst nach einigen Stunden, weshalb Folge eins vor allem darum kreist, dass sie sich gegenseitig ihre "Horniness" zur Schau stellen. "Die Energie hier ist so horny", urteilt dementsprechend Onyi über die Tatsache, dass alle gemeinsam in einem Schlafsaal nächtigen. Kevin regt dieser Umstand gleich zu Tagträumen an: "Es sind so viele Betten nebeneinander, das wird Orchester, glaub ich, heute Nacht."

Akka glaubt ebenfalls, einen wertvollen Wortbeitrag zu leisten: "Leute, so eng. Also wenn ich morgens aufstehe mit meiner Morgen-Latte, brauch ich so meine vier, fünf Meter. Aufpassen!" Es wäre fair gewesen, wenn die anderen Akka darauf hingewiesen hätten, dass er mit einer solchen Symptomatik eher zum Arzt und nicht in eine TV-Show gehört. Wie dem auch sei, "Horniness" gehört zum Konzept und die Produktion lässt die Bande nicht nur vorerst in dem Glauben, dass es sich hier um ein Freilandgehege für sexuelle Fantasien handelt, sondern heizt das Ganze noch mit Fummel-Spielchen an, bis die Damen und Herren eben am Sexometer ein Schnütchen ziehen.

"Dafür hab ich mich nicht beworben!", mault Kevin und Stella hat bereits eine Vision: "Wir sind am Arsch, wir werden das ganze Geld verlieren." Dass sie daran einen nicht geringen Anteil haben wird, macht die Münchenerin bereits 32 Minuten nach Regelverkündung klar: "Hast du vor, dich dranzuhalten?", fragt Stella Anna und schon folgt der erste Kuss zwischen den beiden. Es sollte nicht der letzte in dieser Show sein. Natürlich nicht.

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