Mit riesigen Vorschusslorbeeren startete vergangene Woche die US-Erfolgsserie "This Is Us" bei ProSieben. Doch trotz aller Erwartungen schmierte die erste Folge beim deutschen Publikum ab. Gestern lief Folge zwei und man kann der Serie nur wünschen, dass es ab jetzt aufwärts geht. Denn "This Is Us" ist wirklich sehenswert.
Da steht er also in der TV-Comedy-Kulisse und schaut fassungslos ins Studiopublikum. Mit einem Mal nimmt er das Requisiten-Baby und knallt es vor den verdutzten Zuschauern mit voller Wucht auf den Kinderwagen ehe die Wut vollends in ihm ausbricht: "Es ist nicht die Schuld der Autoren, dass diese Show so mies ist“, schreit Hauptdarsteller Kevin, um sich dann ans Saalpublikum zu wenden: "Es ist auch nicht die Schuld des Senders, dass er es ausstrahlt, sondern es ist eure Schuld, Leute. Warum schaut ihr euch den Quatsch an? Es ist eure Schuld, dass ihr so wenig von uns verlangt, dass wir einschlafen.“
Wer die erste Folge der neuen ProSieben-Serie "This Is Us" noch im Kopf hat, der wird sich sicher an diese Szene noch gut erinnern. Sie sei an dieser Stelle auch nur deshalb noch einmal erwähnt, weil es eben die wenigsten gewesen sind, die diese Szene vergangenen Mittwoch gesehen haben.
"This Is Us" fiel mit der ersten Folge durch
"This Is Us" ist wirklich schlecht gestartet. Nur rund 840.000 Zuschauer schalteten vergangenen Mittwoch ein, dass die gestrige Folge zwei wesentlich besser gelaufen ist, ist nicht unbedingt anzunehmen. Dabei kam die Serie als absoluter US-Erfolg über den Atlantik. Aber der noch viel bedeutendere Grund, über den schwachen Zuschauerzuspruch überrascht zu sein, ist: Diese Serie ist wirklich großartig.
Sie erzählt die Geschichte einer Familie auf verschiedenen Zeitebenen. Jack (Milo Ventimiglia) und seine Frau Rebecca (Mandy Moore) werden 1980, an Jacks 36. Geburtstag, Eltern von Drillingen. Oder besser gesagt: sollten es werden, denn ein Kind stirbt bei der Geburt und so adoptieren Jack und Rebecca ein weiteres Baby, das am selben Tag vor einer Feuerwache ausgesetzt wurde.
36 Jahre später zeigt "This is Us“, was aus den drei Kindern und ihren Eltern geworden ist. Da ist der adoptierte Randall (Sterling K. Brown), der ein erfolgreicher Geschäftsmann geworden ist. Seine Schwester Kate (Chrissy Metz) hat mit ihrem Übergewicht zu kämpfen, aber noch mehr mit den Reaktionen der anderen. Und dann ist da natürlich noch Kevin (Justin Hartley), ebenjener Soap-Darsteller, den obiger Wutausbruch in eine Existenzkrise stürzt oder gerne auch umgekehrt: dessen Existenzkrise erst zu dem Wutausbruch führt.
Warum "This Is Us" mehr Erfolg verdient
Was macht "This Is Us" nun so großartig? Zum einen, dass die Serie wirklich gute Fragen stellt: Was macht man, wenn von drei Kindern nur zwei die Geburt überleben? Freut man sich über die beiden lebenden oder trauert man um das tote Kind? Kann man beides? Wo findet man als Künstler seinen Platz zwischen dem eigenen Anspruch und dem Zwang, Geld zu verdienen? Was macht man, wenn man nach 36 Jahren seinen Vater kennenlernt? Wie lebt man in einer Welt, die Tiefgründigkeit predigt und Oberflächlichkeit lebt? Was macht gute Eltern aus?
Es sind ebenjene existenziellen Fragen, die den Stoff von "This Is Us" spinnen und das funktioniert deshalb so gut, weil damit jeder Zuschauer etwas anfangen kann. Aber vor allem, weil diese Fragen mit erzählerischer Raffinesse daherkommen. Die verschiedenen Zeitebenen liefern von Anfang an immer wieder Unvorhergesehenes und zwar gerade so viel, dass es noch überraschend, aber noch nicht an den Haaren herbei gezogen ist.
Der wichtigste Grund, warum "This Is Us" so gut ist, ist aber, weil es endlich einmal eine Serie ist, die den Unterschied zwischen Kitsch und Rührung kennt. Und wenn ProSieben über die Figuren der Serie im abgedroschensten PR-Sprech schreibt: "Sie werden eure Herzen im Sturm erobern"- ja, dann hat ProSieben eben recht.
Liegt es an uns?
Mit all diesen Zutaten hebt sich "This Is Us" derart wohltuend von dem aktuellen Serien-Geschehen zwischen Krimi-Einerlei, Superhelden-Action und Überdramatisierungskrankenhausserien à la "Grey's Anatomy" ab. "This Is Us" ist zum Kuscheln, Weinen, Lachen, Mitfühlen und Mitfiebern – ohne dass es einem peinlich sein muss.
Warum haben also vergangene Woche nur so wenige Zuschauer eingeschaltet? Das kann tausend Gründe haben. Vielleicht waren schon viele auf dem Weg ins verlängerte Wochenende, haben lieber gegrillt oder haben hinter der ProSieben-Werbung dann doch zu viel Kitsch in der Serie vermutet.
Oder aber: Vielleicht haben wir, die Zuschauer, uns schon zu sehr an all das Mittelmaß im Fernsehen gewöhnt, dass uns Serien-Perlen wie "This Is Us" inzwischen zu viel Mühe machen. Vielleicht ist es wirklich unsere Schuld, wie Kevin in seinem Wutanfall schreit, dass wir so wenig verlangen. Warum schauen wir uns den anderen Quatsch an, wenn es doch Serien wie "This Is Us" gibt?
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.