Eigentlich wollte Mickela Löffel schon im Jahr 2019 bei "The Voice of Germany" um den Sieg mitsingen. Doch dann schlug das Schicksal zu: Die junge Frau erhielt die Diagnose Lymphdrüsenkrebs. Wir sprachen mit der 25-Jährigen über das Tabu-Thema Krebs, ihre erneute Teilnahme an der Castingshow und einen Mythos, über den sie dringend aufklären will.
Im Jahr 2019 erhielt Mickela Löffel die Diagnose Lymphdrüsenkrebs. Ihre Teilnahme an der Castingshow "The Voice of Germany" musste die heute 25-Jährige damals abbrechen. Statt ihrer Leidenschaft nachzukommen, kämpfte sie gegen die Krankheit.
Nachdem der Lymphdrüsenkrebs trotz Operationen und Chemotherapie zurück gekommen war, unterzog sie sich einer Stammzelltransplantation. Zwar hatte Mickela das große Glück, einen Spender in der Familie zu haben. Letztendlich konnte sie aber sogar auf die Spende ihres Bruders verzichten, denn die Transplantation erfolgte mit Stammzellen aus ihrem eigenen Blut.
Viele Krebspatienten haben dieses Glück jedoch nicht. Sie sind auf die Stammzellspende eines Fremdspenders angewiesen. Deshalb engagiert sich Mickela Löffel heute für die DKMS. Die gemeinnützige Organisation registriert Stammzellspender, um Blutkrebspatienten weltweit eine lebensrettende Transplantation zu ermöglichen.
Die junge Frau widmet sich nun wieder ihrer großen Liebe, der Musik. Im Team von Online-Coach Michael Schulte tritt sie am Sonntag in der Comeback Stage von "The Voice" zum nächsten Battle an. Wir haben mit ihr über ihre Krankheit, ihr Engagement für Blutkrebspatienten und über ihr Comeback bei "The Voice of Germany" gesprochen.
Frau Löffel, wie fühlt sich das Bühnen-Comeback für Sie an? Es muss sehr emotional sein.
Mickela Löffel: Es ist natürlich alles sehr, sehr emotional. Durch die Krankheit und auch durch Corona sind Auftritte lange her und auch selten geworden. Dadurch ist es noch viel besonderer, auf einer Bühne stehen zu dürfen. Zusätzlich hat sich durch die Krankheit das Gefühl zur Musik verändert. Sie ist für mich so viel wichtiger geworden – und auf der Bühne zu stehen, ist auch wichtiger und emotionaler geworden. Zudem ist es ja so, dass ich schon letztes Jahr dort hätte stehen und singen dürfen und dann hat es kurz vorher nicht geklappt. Jetzt auf der Bühne zu stehen, ist ein krasses Gefühl. Und es ist sehr wichtig für mich, dass es dieses Mal klappt – und geklappt hat.
Ist die Rückkehr zu "The Voice" für Sie auch ein Zeichen an die Krankheit? Nach dem Motto: "Ich hab’s geschafft!"
Nicht direkt. Es ist eher so ein Gefühl von "trotz allem mache ich es". Es ist nicht so, dass die Krankheit jetzt einfach weg ist. Sie ist ja noch irgendwie da. Und man merkt auch, dass sie da war. Es ist also eher ein: "Egal was passiert ist und was noch ansteht, ich mache genau das weiter."
Hat sich Ihre Sicht auf das Leben durch die Krebserkrankung verändert? Gehen Sie bewusster mit Ihrer Zeit um und mit einer anderen Einstellung als 2019 bei "The Voice" auf die Bühne?
Auf jeden Fall. Heute fiebere ich auf solche Momente noch viel mehr hin. Es kann ja alles passieren bis zu diesem Tag – dass man vielleicht doch nicht da sein kann. Und wenn der Moment dann da ist, versuche ich, es zu genießen und dankbar zu sein. Dankbar, dass ich dort sein darf. Bei jedem Auftritt habe ich mir vorgenommen, mir nicht den Druck zu machen, dass alles perfekt sein oder ich unbedingt weiterkommen muss – auch wenn ich das natürlich will. Es ist einfach ein Genuss, dabei sein zu dürfen.
Sind Sie denn gar nicht aufgeregt, wenn Sie die Bühne betreten?
Eigentlich war ich gar nicht aufgeregt. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut. Natürlich verspürt man einen gewissen Druck im Körper. Alles ist einfach ein bisschen komisch. Ich habe mich so gefreut, diesen Moment zu haben – am Mikro zu stehen und die Leute zu sehen. Dann übermannt einen dieses Gefühl, diese Dankbarkeit. Die Aufgeregtheit ist anders als früher.
Sie sprechen offen über Ihre Krebserkrankung, das ist nicht selbstverständlich. Wird die Krankheit Ihrer Meinung nach tabuisiert?
Das kann ich deutlich mit ja beantworten. Das ist ultra-schade, da es viele Menschen betrifft, dazu gehören auch die Angehörigen. Jeder von uns kennt wohl mindestens eine Person im näheren Umkreis, die schon mit dem Thema Krebs zu tun hatte. Auch ich hätte vor meiner Erkrankung mehr darüber wissen können, wenn man offener darüber sprechen würde. Für die Betroffenen ist es schwer. Diese Glatze (gemeint ist Haarausfall durch eine Chemotherapie, Anm. d. Red.) ist ein Bild, das nicht normal ist – vor allem bei Frauen nicht. Die Leute kennen das Bild eigentlich und trotzdem ist es etwas, das man nicht zeigen soll oder darf. Man muss sich irgendwie schämen, wenn man krank ist, was ich komplett falsch finde. Und die Leute verbinden die Krankheit sofort mit dem Tod, das ist auch verständlich. Die Krankheit bedeutet aber nicht unbedingt, dass man direkt stirbt. Es gibt so viele Kranke, die genesen und sie mit Stärke überwinden. Deshalb ist es wichtig, darüber zu sprechen.
Hatten Sie diese positive und offene Einstellung bereits direkt nach der Diagnose Lymphdrüsenkrebs?
Mir war sofort klar, dass ich mich nicht verstecken werde. Natürlich war das in der ersten Woche nach der Diagnose noch kein Thema. Da standen ganz andere Dinge an – die Zeit im Krankenhaus schaffen, die Gespräche schaffen, die Operationen schaffen. Aber es war mir sehr schnell klar, dass ich es öffentlich mache. Nachdem ich es meinen engen Freunden erzählt hatte, habe ich es bei Instagram gepostet. Einfach weil ich keine Lust hatte, es immer wieder erklären zu müssen. Es ist anstrengend, das Thema dauernd auf den Tisch zu bringen. Deshalb war ich direkt so: "Ihr könnt es alle wissen, denn ihr werdet es ohnehin sofort sehen an mir und ich will weiter Musik machen." Dadurch konnte ich auch weiter präsent sein bei Instagram.
War das ein befreiendes Gefühl, die Erkrankung öffentlich zu machen?
Ja, auf jeden Fall. Ich finde alles, was man ausspricht, wird einfacher.
Hat Ihre positive Einstellung Sie durch diese Zeit getragen?
Ich glaube, dass die positive Einstellung den Weg viel einfacher macht. Man kann zwar auch mit einer positiven Einstellung an der Krankheit sterben. Aber die Zeit wird viel schöner, es wird mit den Menschen viel angenehmer, sie gehen schöner mit einem um, wenn sie merken, dass man sich nicht rund um die Uhr um mich sorgen muss. Das war mir wichtig. Auch Schmerzen lassen sich einfacher ertragen, wenn man positiv gestimmt ist. Das habe ich auch während einiger Chemo-Zyklen gemerkt. Wenn ich psychisch nicht so gut drauf war, waren die Zyklen viel schlimmer als die, bei denen ich gut drauf war oder noch mehr Unterstützung hatte. Eine positive Einstellung macht es auch einfacher, mit Rückschlägen umzugehen. Zum Beispiel, wenn unerwartete Nebenwirkungen eintreten. Wenn man sich nur auf die negativen Dinge fokussiert, wird alles noch viel schlimmer.
Nachdem die Krebszellen durch die Chemo nicht vollständig zurückgedrängt werden konnten, mussten Sie sich einer Stammzelltransplantation unterziehen. Wussten Sie sofort, dass Sie keinen Spender brauchen, so wie viele andere Blutkrebspatienten?
Nein, das wusste ich nicht. Zunächst stand im Raum, dass ich einen Fremdspender brauche. So wurden zunächst meine Geschwister getestet. Da hatte ich direkt das Glück, dass mein Bruder als Fremdspender in Frage kam. Das war aber ein Prozess. Es ist nicht so, dass das Blut getestet wird und man sofort das Ergebnis hat. Es ist alles viel Warterei. Plan A war also mein Bruder als Stammzellspender. Kurz bevor die Hochdosis-Chemo und die Stammzelltransplantation beginnen sollten, stand fest, dass ich mir selbst Blut spenden kann. Aber das war großes Glück und auch die Ärzte sagten vorher, dass ich darauf auf keinen Fall hoffen und eher von der Notwendigkeit einer Fremdspende ausgehen soll.
Haben Sie sich während dieser Zeit des Wartens und Bangens dazu entschlossen, sich für die DKMS zu engagieren?
Ich kannte die DKMS vor meiner Erkrankung nur aus der Werbung – Stäbchen rein, Spender sein. Stammzelltransplantation war nie Thema in meinem Leben, bis ich selbst fast eine Spende brauchte. Das war die Zeit, in der ich selbst über das Thema aufgeklärt wurde und damit begann, Leute zu fragen, ob sie schon registriert sind. Ich brauchte dann aber erst einmal Zeit für mich, um gesund zu werden. Heute bin ich stolz und froh, ein Gesicht der DKMS sein zu dürfen.
Das Thema Stammzellspende verbinden viele mit riskanten operativen Eingriffen. Gibt es etwas, das Sie Erkrankten und potentiellen Stammzellspendern sagen möchten?
Es ist wichtig, über diesen Mythos Stammzellspende aufzuklären. Die meisten denken dabei an einen gefährlichen Eingriff. Dabei ist es so viel einfacher als die meisten denken. 80 Prozent der Spenden werden über das Blut gewonnen. Das heißt, man wird "nur" mit einer Nadel an ein Gerät angeschlossen. In diesem Prozess werden dann die Stammzellen gewonnen, das dauert etwa vier bis fünf Stunden. Danach hat es sich für den Spender erledigt. Ich habe es ja selbst machen dürfen und das in einem schwachen Zustand. Ich habe es super durchgehalten und dafür, dass man so Leben retten kann, war es wirklich ein Witz. Deshalb wünsche ich mir, dass sich mehr Menschen über die Stammzellspende informieren und sich registrieren lassen. Und an die Erkrankten: Der Moment, in dem man seine Spende bekommt, das ist der allerschönste Moment.
Wagen wir von diesem ernsten und wichtigen Thema einen großen Sprung zurück auf die Bühne. Mit welchem Mindset gehen Sie in die Show?
Besonders wichtig ist mir, den Moment zu genießen. Natürlich will ich unbedingt ins Halbfinale kommen. Musik ist mein Lebensziel. Trotz allem will ich den Moment genießen. Ich will jeden Song und jeden Auftritt genauso fühlen, wie er ist und nicht so streng mit mir sein, wenn etwas schiefgeht. Das ist mir am wichtigsten: genießen und nicht zu streng mit mir sein.
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