Millionen von Singles nutzen mittlerweile Online-Plattformen und Apps, um die große Liebe zu finden – oder einfach nur ein wenig unverbindliche Gesellschaft für den Abend. Der Dokumentarfilm "#Single" begleitet fünf Singles auf ihrer Suche und wirft dabei einen Blick hinter die Kulissen der lukrativen Dating-Industrie.

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Weltweit existieren rund 8000 Anbieter von Online-Dating-Diensten. In Amerika alleine sind es über 2500 – und die erwirtschafteten 2015 einen Umsatz von 2,5 Milliarden Dollar. Keine Frage: Das Geschäft mit der Online-Liebe lohnt sich.

Das liegt natürlich an der gigantischen Zielgruppe und ihren starken Bedürfnissen: Es wird geschätzt, dass es in Europa und den USA über 250 Millionen Singles gibt – und von denen nutzen fast 50 Prozent Online-Dating-Portale. Die Sehnsucht nach Partnerschaft ist groß, die Dauer der Beziehungen dagegen wird geringer – und trotz immer größerer Auswahl scheint die Suche auch immer schwieriger zu werden.

Fünf Singles und ihre Horror-Dates

Andrea Eders Dokumentation "#Single" begleitet fünf Singles auf ihrem Weg durch den Internet-Dating-Dschungel. Da sind die 29-jährige Veronika und die 34-jährige Ruth, letztere alleinerziehende Mutter. Sie verschweigt die Kinder auf ihren Online-Profilen. Außerdem lernen wir den Pensionisten Wolfgang, den schwulen Schauspieler Darko und den jungen Mediendesigner Philipp kennen. Frustriert bis resigniert wirken sie alle.

Eder zeigt die geglückten und weniger geglückten Dates, auf die sich ihre Protagonisten begeben. Veronika trifft sich mit einem Kerl, der mit der Gitarre zum Rendezvous erscheint. Als er ihr auf offener Straße ein Ständchen krakeelt, ist für Veronika klar: sie will das Date so schnell wie möglich beenden.

Auch Philipp bleibt glücklos: Er textet eine junge Frau schon in den ersten Minuten so hoffnungslos zu, dass die nach kurzer Zeit schon herumdruckst. "Ich hab' das Gefühl, dass wir nicht so gut miteinander reden können", meint sie. "Kann es sein, dass du ein bisschen zu hohe Erwartungen hast?", will er wissen.

Zu hohe Erwartungen?

Dass Singles oft hohe Erwartungen haben, merkt man besonders gut an Ruths Geschichte. Nach einem charmanten Date auf einem Boot will sie trotzdem kein zweites: "Dafür suche ich schon zu lang, als dass ich dann den Erstbesten nehme", meint sie. Der Widerspruch fällt ihr nicht einmal auf.

Später entdeckt sie Tinder – die Handy-App, bei der man sich bequem zum meist unverbindlichen Stelldichein treffen kann. "Das ist wenigstens ehrlich", meint sie, während sie gerade Brautjungfernkleider für die Hochzeit einer Freundin anprobiert. Auch wenn sie nicht noch darüber sinnieren würde, wann sie selbst ein Brautkleid tragen wird, wären ihre tatsächlichen Wünsche hier völlig klar.

Als sie später über Tinder jemanden kennenlernt, von dem sie schwärmt: "wir sind wahrscheinlich füreinander bestimmt!", schwant einem ebenso schon Schlimmes. Und tatsächlich: Die Sehnsucht nach dem großen Treffer war auch hier so viel größer als die wirkliche Chance auf eine Beziehung.

Tücken und Probleme

Zwischendurch kommen in "#Single" auch einige Experten zu Wort. Philosoph Konrad Paul Liessmann beispielsweise sieht die Online-Plattformen kritisch. "Das Teuflische liegt in der Bequemlichkeit", meint er: Man kann gemütlich von zu Hause aus Hunderte, Tausende an Menschen "wegschieben" – und blendet dabei völlig aus, dass man dabei selber ja auch nur einer unter ebenso vielen ist.

"Diese gigantische Auswahl hat auch Schattenseiten", meint auch Soziologe Kai Dröge: Er denkt, das Online-Dating wird irgendwann zur Routine. Das ständige Profilprüfen, Kontaktaufnehmen, Nachrichtenaustauschen und Einmaltreffen sorgt vielleicht irgendwann dafür, dass man die Person nur noch als nächsten Versuch wahrnimmt. Sprich: Selbst den "Richtigen" würde man dann wohl gar nicht mehr erkennen.

Roman Umschweif vom Konsumentenschutz erinnert dagegen einfach nur an die Kosten, die teils entstehen: die monatlichen Beiträge mögen einem nicht hoch erscheinen, aber wenn man die auf 12 oder 24 verbindliche Monate hochrechnet, aus denen man mitunter nicht einmal bei erfolgreicher Beziehungsfindung aussteigen kann, muss man sich fragen, ob einem die Suche so viel wert ist. Martin Dobner von der Plattform Parship hält dagegen: Wer 600-700 Euro im Jahr für sein Handy ausgibt, wird sicher auch nicht 200-300 Euro für die Partnersuche unangemessen finden.

Blicke hinter die Kulissen

Interessant an "#Single" sind vor allem die Blicke hinter die Kulissen der Plattformen. Claudia Gutjahr vom Dienst Websingles erzählt davon, wie sie Fake-Profile aufspürt und für Ordnung sorgt. "Es gibt wirklich welche, die laden beinhart Fotos ihres steifen Gemächts hoch", schüttelt sie den Kopf.

Ebenso unerwünscht: "Nazi-Scheiße", wie sie es unverblümt nennt. Derartige Inhalte werden ebenfalls sofort gesperrt. Weniger kritisch, aber immer noch unerfreulich: "Männer, die an der Copy-Paste-Krankheit laborieren" – sprich: die jeder Frau exakt dieselbe Nachricht schicken.

Hinsichtlich der falschen Profile, hinter denen sich oft auch betrügerische Absichten verbergen, vermutet Roman Umschweif auch eine wirtschaftlich orientierte Nachlässigkeit mancher Plattformbetreiber: "Warum sollten seriöse Plattformen, die monatlich dafür Geld bekommen, die Idee bekommen: Das geht mich was an?"

Man würde sich mehr solcher Einblicke wünschen, mehr Details über die Mechanismen der Betreiber, mehr kritische Diskussion über eine Wegwisch-Beziehungskultur – aber diese Gedanken tauchen in "#Single" leider fast nur nebenbei auf, während sich ein Großteil des Films mit den fünf exemplarischen Singles beschäftigt. Es ist mehr Reality-TV als Dokumentation, mehr "Traumfrau gesucht" als tiefschürfend informatives Porträt.

Ein wenig scheint aber doch eine distanzierte Haltung zum Internet-Dating-Business durch. Drei der begleiteten Singles bleiben alleine, Philipp lernt jemanden ohne Internet kennen. "Das war so echt. Unverfälscht und echt", berichtet er begeistert. Schöne alte Welt.

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