"Sherlock", die BBC-Neuauflage der Serie um den berühmten Meisterdetektiv, geht in die dritte Runde - und es ist die bislang selbstgefälligste, snobistischste, großspurigste, affektierteste, albernste und rührseligste Staffel geworden. Kurzum: Sie ist perfekt.

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Los geht's natürlich mit der Szene, die "Sherlock"-Fans und John Watson (Martin Freeman) gleichermaßen schockte: die Schlusssequenz aus "Der Reichenbachfall", in der sich Sherlock (Benedict Cumberbatch) nach dem Psychoduell mit Jim Moriarty (Andrew Scott) vom Dach eines Krankenhauses in den vermeintlichen Tod stürzt.

Was die Zuschauer schon am Ende der Folge sahen, Watson hingegen nicht: Sherlock überlebt natürlich. Nur wie? Die Auflösung, die in der ersten Folge der dritten Staffel, "Der leere Sarg", präsentiert wird ist tatsächlich ziemlich bemerkenswert - und noch eine der kleineren Überraschungen der Staffel.

"Sherlock" überraschend wie nie

Ein paar Beispiele gefällig? Sherlock stirbt am Ende der dritten Staffel schon wieder. Und dann doch schon wieder nicht. Und die Wiederauferstehung, die er da feiert, lässt die Sache mit dem Dach wie einen Taschenspielertrick erscheinen. Es ist schlicht und einfach die beste Sterbeszene der TV-Geschichte. Und das Allerbeste: Sherlock ist nicht der einzige mit Wiederauferstehungstendenzen. Das Staffelende legt nahe, dass noch jemand anders den Showdown in "Der Reichenbachfall" überlebt haben könnte.

Da wäre zudem die geheimnisvolle Mary Morstan (Amanda Abbington), Johns neue Freundin, die zunächst gar nicht so geheimnisvoll erscheint, am Ende aber ziemlich viel mit Sherlocks Beinahe-Tod zu tun hat. Sie birgt nämlich ein Geheimnis, das weit über das hinaus geht, was Sherlocks Vermieterin Mrs. Hudson (Una Stubbs) für ihre überraschendste Eigenschaft hält: dass Mary eine Frau ist. Immerhin ist sie noch immer überzeugt, dass Sherlock und Watson ein überaus süßes Pärchen sind.

Außerdem wird im Laufe der Staffel klar, dass Sherlock zwar durchaus schlauer ist als der durchschnittliche "Goldfisch", wie Mycroft Holmes (herrlich arrogant: Mark Gatiss) den Rest der Welt charmant umschreibt. Doch es gibt tatsächlich jemanden, der es intellektuell mit den Holmes-Snobs aufnehmen kann - gegen die Erinnerungspaläste, die sich Charles Augustus Magnussen (wunderbar diabolisch: Lars Mikkelsen) im grandiosen Staffelfinale "Sein letzter Schwur" baut, sind Sherlocks Bauwerke ziemliche Bretterbuden.

Das ist alles nichts gegen die Sensation schlechthin: Sherlock hat eine Freundin. Zumindest kurz. Und mit gutem Grund, der natürlich nichts mit Liebe zu tun hat.

"Sherlock" emotional wie nie

Apropos Gefühle: Die stellen für den "hochfunktionalen Soziopathen" (Eigendiagnose Sherlock) eine größere Herausforderung dar als tödliche Duelle mit Psychopathen. Dafür bekommt er die Rede, die er auf Johns Hochzeit in der Folge "Im Zeichen der Drei" hält, aber ziemlich gut hin. Eine schönere Ode an die Freundschaft wird man selten zu hören bekommen. Einen besseren Freund und Trauzeugen als Sherlock kann man sich also nicht wünschen - wäre da nicht die lästige Eigenschaft, sich mit psychisch Kranken anzulegen. Von der Großspurigkeit mal ganz zu schweigen.

Doch genug von Sherlock an dieser Stelle, es wird Zeit für eine Huldigung. Natürlich dreht Benedict Cumberbatch auch in dieser Staffel schauspielerisch völlig am Rad, aber seine Figur erlaubt ihm jede Exzentrizität. Ganz anders die Rolle des stillen, treuen John Watson, die neben dem Cumberbatch-Feuerwerk zwangsläufig nicht so auffällt. Daher lohnt es sich hier, genauer hinzuschauen: In das Gesicht von Martin Freeman, wenn er seinen totgeglaubten Freund zum ersten Mal wiedersieht. In das Gesicht von Martin Freeman, wenn er herausfindet, dass ihn seine Frau von Anfang an belogen hat. Oder einfach mal so in das Gesicht von Martin Freeman. Er mag mit den "Hobbit"-Filmen jetzt den Durchbruch in Hollywood geschafft haben, besser als in "Sherlock" war er nie.

"Sherlock" witzig wie nie

In manchen Szenen ist die dritte Staffel unfassbar albern. Gleich am Anfang zum Beispiel, als der neue Schnurrbart von John so lange Thema ist, bis nicht nur der Zuschauer, sondern auch Watson selbst genug davon hat und ihn abrasiert. (Sah aber auch wirklich albern aus.) Oder aber Johns Junggesellenabschied, den er und Sherlock mit Bier aus riesigen Reagenzgläsern begehen und sich in knapp zwei Stunden einen derart schlimmen Rausch antrinken, dass Sherlock bei einer Klientin auf den Teppich reihert.

Und es funktioniert. Die Beziehung zwischen Sherlock und Watson bot schon in der Vergangenheit die Gelegenheit für den einen oder anderen Buddy-Witz, aber nie so exzessiv wie in Staffel drei. Warum? Weil das große Thema dieser Staffel eben nicht das Lösen von Kriminalfällen ist, sondern Freundschaft. Die Freundschaft zweier Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber ohne einander nur ein affektierter Schnöseldetektiv und ein komplexbeladener Adrenalinjunkie sind. Und was ist eine gute Freundschaft eben auch mal? Richtig: albern.

Eines kann man der Serie vielleicht vorwerfen: dass sie in Staffel drei sehr selbstgefällig und geschwätzig daherkommt. Sie ist sich ihrer Stärken bewusst und stellt sie hemmungslos zur Schau. Man könnte sagen: Sie ist ein ziemlicher Angeber. Genau wie Sherlock. Gerade dafür hat man ihn ja so gern.

Die dritte Staffel von "Sherlock" startet in der ARD am Donnerstag, den 29. Mai, um 21:45 Uhr mit der Folge "Der leere Sarg". Der ORF zieht ebenfalls am Donnerstag um 22:20 Uhr nach.
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