• Ein Kind wie einen Hund erziehen – klingt erst einmal merkwürdig.
  • Nach der neuen Show "Train Your Baby Like a Dog", die am Sonntagabend bei RTL lief, klingt das zwar etwas weniger merkwürdig, richtig gut aber eben auch nicht.
Christian Vock
Eine Kritik
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Am Ende kann man einigermaßen durchatmen. Keines der Kinder musste Stöckchen holen. Sie mussten auch nicht Platz oder Männchen machen und ihre Eltern gingen auch nicht mit ihnen Gassi.

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Dass man das nach RTLs neuer Show überhaupt festhalten muss, liegt an zwei Dingen. Zum einen, weil die neue Show "Train Your Baby Like a Dog" heißt und zum anderen, weil man RTL nach all seinen Shows, die der Sender als "Experiment" verkauft, nicht mehr so recht trauen möchte, dass er so einen Titel nicht doch wörtlich nimmt.

Nach Formaten wie "Adam sucht Eva" und anderem Niedrig-Niveau-Nonsens der RTL-Gruppe darf man bei einem solchen Titel also zu Recht skeptisch sein, ob RTL nicht auch hier Quote über Qualität stellt. Am Ende der Show am frühen Sonntagabend kann man nun folgendes Fazit ziehen: War die Skepsis gerechtfertigt? Jein. Ist "Train Your Baby Like a Dog" trotzdem eine gute Show? Nein, aber zumindest nicht so schlimm wie befürchtet.

Zwar musste hier kein Kind Kunststückchen machen oder eine Ente apportieren, aber so ganz ohne Grund trägt die Show ihren Titel nicht. Das liegt an Aurea Verebes. Die 38-Jährige hat 2015 eine Ausbildung zur Hundetrainerin gemacht und weil "Säugetiergehirne gleich funktionieren", trainiert sie inzwischen auch Menschen. Das Grundprinzip, das für sie bei Hund und Mensch gleichermaßen anwendbar ist: positive Verstärkung.

"Train Your Baby Like a Dog": Alleine schlafen durch Hundeklicker

In der Praxis sieht das bei "Train Your Baby Like a Dog" dann so aus: In einer Familie gibt es Probleme, weil ein Kind nicht das macht, was es soll. Im ersten Fall ist das die zweijährige Pia aus Chemnitz, die sich noch schwer damit tut, alleine zu schlafen und außerdem hat sie nicht so recht Lust auf's Zähneputzen. Alles keine Situationen, die es nur einmal auf der Welt gibt, aber trotzdem belastend für die Eltern und das Kind.

"Nun soll ausgerechnet eine Hundetrainerin helfen", erklärt der Off-Sprecher und wirklich mehr weiß die Chemnitzer Familie auch nicht: "Wir wissen nur, dass sie mit Hunden arbeitet." Die Not scheint also groß, zumal die Eltern bereits andere "Methoden" ausprobiert haben. So hätten ihnen Viele den Rat gegeben, das Kind einfach "fünf Tage am Stück durchschreien zu lassen". Immerhin haben die Eltern diese emotionale Traumatisierung nach drei Stunden abgebrochen.

Jetzt also nimmt sich Hundetrainerin Verebes des Kindes an und versucht Pia unter fachlichem Feedback des Kinderpsychologen Niko Hüllemann ans Alleinschlafen zu gewöhnen. Dazu etabliert sie eine neue "unbelastete" Decke, auf der "nur tolle Dinge passieren". Irgendwann kommt die Decke dann ins Bett, das damit nicht mehr negativ belegt ist.

Es geht also um die positive Verknüpfung von bestimmten Situationen und so läuft es dann auch beim Zähneputzen ab und auch bei einer Berliner Familie, in der eine Vierjährige aggressives Verhalten zeigt.

Sind die ersten positiven Verknüpfungen geflochten, gibt es eine Steigerung. Hier arbeitet Verebes dann mit einem sogenannten "Hunde-Klicker". Immer wenn ein "Klick" ertönt, gibt es eine Belohnung, in einem zweiten Schritt dann ein Klick und eine Belohnung für erwünschtes Verhalten. "Jedes Mal, wenn sie ins Bettchen reingeht, ein Klick geben, eine kleine Belohnung. So verliert das Bett diese negative Assoziation", erklärt Verebes.

Und was ist mit Respekt?

Das ist es also, was, grob zusammengefasst, hinter "Train Your Baby Like a Dog" steckt. Hundeerziehung auch für Kinder, ein Skandal? Erst einmal nicht. Dass Positives besser motiviert als Negatives, Freude mehr bringt als Frust, ist zwar noch nicht in jedem Kultusministerium angekommen, aber auch längst keine neue Erkenntnis.

Warum dann aber dieser permanente Bezug aufs Hundetraining? Warum braucht es für Kindererziehung eine Hundetrainerin, schließlich gibt es doch so viele andere und erprobte Möglichkeiten, Kindern und Eltern bei Schwierigkeiten zu helfen? Die Antwort darauf liefert "Train Your Baby Like a Dog" nicht, man kann sie aber erahnen.

"Train Your Baby Like a Dog" ist also erst einmal nicht die Horrorsendung, die man hinter einem solchen Titel vermuten könnte. Trotzdem wirft die Show Fragen auf, auch genereller Art. Zum Beispiel, warum eine Zweijährige unbedingt alleine schlafen können muss, vor allem dann, wenn sie offenbar noch nicht bereit dafür ist. Eine Frage, die noch allzu oft mit dem Wunsch der Eltern und nicht mit dem der Kinder beantwortet wird.

Im Grunde geht es um Vertrauen, um das Erkennen der Bedürfnisse eines Kindes und damit auch um den Respekt vor einem Menschen, um das Wahrnehmen eines Kindes auf gleicher Augenhöhe. All das kehrt "Train Your Baby Like a Dog" auch gar nicht unter den Teppich, aber die scheinbare Lösung ist hier eben nur einen "Klick" entfernt. Ob aber das "Erziehen" eines Kindes mit einem Hunde-Klicker etwas mit Respekt und gleicher Augenhöhe zu tun hat, darf man zu Recht bezweifeln.

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