Es gibt Sachen, von denen die Welt wirklich nicht noch mehr braucht. Schlaglöcher zum Beispiel. Oder CO2. Oder Datingshows im Fernsehen. RTL hat mit "Prince Charming" trotzdem wieder eine neue Kuppelshow im Programm. Bei der ist zwar Vieles genauso bekloppt wie bei "Bachelor" und Co., aber Manches auch ein bisschen anders. Der Vergleich.

Christian Vock
Eine Kritik
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Seit Jahren dominieren "Bachelor" und "Die Bachelorette" die Kuppelshows im deutschen Fernsehen und haben sogar ein Kind bekommen. Also nicht die Bacheloretten selbst, sondern nur die Show. Mit "Bachelor in Paradise" dürfen sich inzwischen alle bisherigen Kandidaten einer Zweitverwertung stellen. So weit, so gewöhnlich.

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Bei "Prince Charming", der homosexuellen Variante der Show, ist hingegen Manches ganz anders. Ist "Prince Charming" deshalb vielleicht das bessere "Bachelorette"? Die Unterschiede im Überblick.

"Prince Charming": Nacktheit

Es dauerte ziemlich genau eine Folge, bis der erste Penis bei "Prince Charming" zu sehen war. In den Anfangsminuten der zweiten Folge schält sich Dominic schlaftrunken und vor allem nackt aus dem Bett und für einen kurzen Moment sieht man den kleinen Dominic wie selbstverständlich auf dem Laken ruhen.

So etwas passiert selbst bei RTL in der Regel nur mit Ansage, etwa bei dem Nackedei-Format "Adam sucht Eva". Da war von Anfang an klar, dass Geschlechtsteile aller Art vor der Kamera baumeln werden. Bei den "Bachelor"-Formaten war das bisher eher unüblich.

Die Verkupplung

Bei "Bachelor" und Co. ist auch die Rangordnung klar vorgegeben. Hier der Bachelor, dort das Fußvolk, das den Bachelor anzubeten hat. Wer von den Kandidaten besonders bei der Nacht der Rosen auf Passivität als Erfolgsstrategie setzt, ist schneller weg, als er Rose sagen kann.

Ein Bachelor von Rang bedient sich nämlich einer alten Schauspielerweisheit: Spiel nicht den König – lass die Anderen den König spielen. Dementsprechend müssen die Kandidaten dafür sorgen, dass der Bachelor aktiv umworben wird, so dass jeder gleich weiß, wer hier der Hahn im Korb ist.

Bei "Prince Charming" ist das vollkommen anders, denn hier gibt es ausschließlich Hähne im Korb. Zwar hat auch hier der Prince Charming einen gewissen Wettbewerbsvorteil, das alleinige Recht auf die Auswahl des Partners liegt hier aber der Natur der Sache nach bei allen.

Mit anderen Worten: Hier kann jeder der Herren der Prince Charming eines anderen sein. Man ist Kandidat und Prince gleichermaßen, was zum Beispiel Aaron und Dominic auf ihre Weise interpretieren, wie Lars in Folge zwei erzählt: "Ich denke, dass Aaron und Dominic in einem Bett geschlafen haben. Da könnte ich mir schon vorstellen, dass da so ein bisschen mal die Hand irgendwo war. Jaja."

Aaron sieht seine neuen Möglichkeiten aber völlig unproblematisch: "Zum Einschlafen ein bisschen gelöffelt finde ich jetzt nicht so dramatisch." Manuel hingegen schätzt die Lage völlig anders ein: "Ich kann mir vorstellen, wenn der Nicolas das rauskriegt ...", malt Manuel den Teufel an die Wand und in der Tat ist Nicolas ziemlich enttäuscht, als Dominic ihm die Kuschelei gesteht.

Küsse

In der Regel dauert es bei "Bachelor" und "Bachelorette" ein wenig, bis der erste Kuss fällt. Der wird dann aber mit einem Raunen des Neides in der Runde der Nicht-Geküssten quittiert. Bei "Prince Charming" ist auch das ein bisschen anders.

Gleich beim ersten Einzeldate küssen sich Dominic und Nicolas, als sei ein Kuss beim ersten Date eine Selbstverständlichkeit. Als die Daheimgebliebenen zuhause Wetten darüber abschließen, erklärt Martin den vermeintlichen Grund: "Klar wird’s einen Kuss geben! Hallo? Wir sind schwule Männer!"

Der Wettbewerb

Man darf natürlich nicht vergessen, dass der Zuschauer sowohl bei den "Bachelor"-Formaten als auch bei "Prince Charming" nur einen nicht repräsentativen Zusammenschnitt gezeigt bekommt. Auf den ersten Blick geht es aber bei "Prince Charming" ein bisschen weniger derb zu, wie beispielsweise Sam beweist, als er Dominic auf dessen Badehosenverzicht im Pool anspricht: "Du warst gestern schon richtig billig, aber trotzdem hast du so ne schöne Ausstrahlung."

Netter kann man jemandem nicht sagen, dass er sich doch bitte etwas anziehen soll. Auch Meinungsverschiedenheiten werden hier gesittet geregelt. Etwa, als Dominic mit Aaron darüber diskutiert, dass Dominic Nicolas die gemeinsame Kuschelei gestehen konnte, wodurch Aaron nun ein wenig schlecht dasteht: "Für mich ist das jetzt einfach blöd gelaufen. Das wirst du heute Abend auch argumentativ nicht mehr ändern können", erklärt Aaron und man ist sich absolut sicher, Wörter wie "argumentativ" noch nie bei "Bachelor" und Co. gehört zu haben.

Aber vielleicht war die verbale Zurückhaltung bisher auch nur die Ruhe vor dem Sturm. Dass die Herren auch anders können, beweisen Sam und Pascal in Folge drei. Als Sam den Österreicher "Schlampe" nennt, kommt es erst zu einem Wortgefecht, bevor Pascal eskaliert: "Nennt die Fotze mich einfach Schlampe! Ich glaub, ich knall ihm gleich eine!"

Die Show

So auffällig die Unterschiede sind, so sehr wünscht man sich, dass auch die Show an sich anders wäre. Aber "Prince Charming" präsentiert die gleiche Überromantik wie die "Bachelor"-Formate. Es wäre schön gewesen, wenn RTL hier auf Gleichberechtigung verzichtet und wenigstens "Prince Charming" ein bisschen realistischer aufgezogen hätte.

Stattdessen gibt es die gleichen Brutalromantik-Dates, das gleiche unnötige Action-Dating, die gleichen Zeitlupen von Six-Pack-Bäuchen, von denen in der Abendsonne die Poolwassertropfen perlen.

Wo ist der "Bachelor" für Fitness-Faulenzer, Bücherwürmer oder Alleinerziehende? Warum muss man im deutschen Fernsehen entweder Bauer oder Fitnesstrainer sein, um ein eigenes Dating-Format zu bekommen? Warum kann man sich nur an Traum-Villen, auf Traum-Inseln und an Traum-Stränden verlieben? Wo sind die Kuppelshows aus Herne, Greifswald oder Aschaffenburg?

Das Fazit

Dass "Prince Charming" den heterosexuellen Mainstream durchbricht, ist schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn dabei auch der Rest stimmen würde, wäre die Show tatsächlich der bessere "Bachelor".

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