Bei Vox ist mit "Real Cool Runnings" eine neue Reality-Show angelaufen. Prominentes Aushängeschild ist diesmal Anni Friesinger. Ihre Aufgabe: Vier kenianische Langstreckenläufer in zehn Wochen fit für einen Eislaufmarathon zu machen. Die Afrikaner haben zuvor noch nie Schnee oder Eis gesehen, geschweige denn auf Schlittschuhen gestanden. Doch das ist nicht das eigentliche Problem der Sendung.
Was will die Show?
Kenianische Läufer verfügen bekanntermaßen über besonders gute konditionelle Voraussetzungen. Mit professioneller Unterstützung könnte man aus ihnen hervorragende Langstrecken-Eisläufer machen. Das ist zumindest der Grundgedanke von "Real Cool Runnings". Die Idee zu dem Format ist an den Disney-Film "Cool Runnings" angelehnt, der auf der wahren Geschichte einer jamaikanischen Viererbob-Mannschaft basiert, die sich 1988 für die Olympischen Winterspiele in Calgary qualifizieren konnte.
Um Kandidaten für die Show zu finden, reist die dreifache Eisschnellauf-Olympiasiegerin Anni Friesinger nach Kenia. Die Langstreckenläufer müssen sich einem mehrstufigen Casting unterziehen. Dabei sind nicht nur läuferische Fähigkeiten gefragt, sondern auch Teamgeist, Ehrgeiz und eine fröhliche Grundeinstellung. Nur wer bei der Trockenübung auf Inline-Skates jeden Sturz mit breitem Grinsen hinnimmt und vor der Kamera gut rüberkommt, hat eine Chance.
Für die vier Auserwählten geht es schließlich per Flugzeug nach München. Zur Begrüßung liegen warme Winterjacken und Mützen bereit. Als würde er ihnen den heiligen Gral überreichen, präsentiert Friesingers Co-Trainer Michael Ströbel den Kenianern das erste bayerische Highlight: "This is a Breze."
Zeit, sich auf die neue Umgebung einzustellen, bekommen die vier kaum. Von allen Seiten werden ihnen permanent tolle Dinge gezeigt und erklärt: "Here we say 'Grüß Gott'", heißt es zum Empfang. Oma Hirschbichler, die Hausherrin einer der Gastgeberfamilien, ist verwirrt: "Kennen die überhaupt einen Gott?" Ihr Mann klärt auf: "Die sind alle katholisch!"
Zum Abendessen gibt es Salami, Leberkäse, Schweinsbraten und natürlich eine Maß Bier. Die Kenianer bedanken sich höflich und probieren artig.
Rassismus oder Völkerverständigung?
Dass bereits im Vorfeld von Rassismus die Rede war, verwundert nicht. Ein Vorstandsmitglied der "Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland" äußert seine Bedenken in "Bild am Sonntag": "Auf diese Weise werden dunkelhäutige Menschen, wenn auch subtil, zum Gespött gemacht." Vox setzt sich dagegen zur Wehr: "Durch den kenianischen Blick auf unsere deutschen Lebensgewohnheiten können wir einiges über uns lernen. Und das hat komische Momente, wenn man den Spiegel vorgehalten bekommt."
Ja, natürlich ist es komisch, wenn Menschen, die zum ersten Mal auf Schlittschuhen stehen, unbeholfen übers Eis stolpern. Oder wenn Menschen, die zum ersten Mal ein Bidet sehen, darüber spekulieren, wozu das Gebilde wohl zu gebrauchen sein mag: "Maybe to urinate?" Die Läufer stammen aus einem völlig anderen Kulturkreis, dass sie sich wundern ist sonnenklar.
Genau hierin liegt das Problem der Sendung. Denn leider erinnert "Real Cool Runnings" in seinen schlimmsten Momenten an Wandermenagerien des 19. Jahrhunderts, in denen Zirkusbesuchern "Negertruppen" als Kuriosität vorgeführt wurden. Gleichzeitig stellt die Sendung damit unfreiwillig sich selbst bloß. Sie zeigt die selbstherrliche Ignoranz, die auch heute noch in Teilen unserer Gesellschaft vorherrscht.
Fast wie im richtigen Leben
Der bayerische Kabarettist Gerhard Polt hätte sich das Szenario nicht besser ausdenken können. Der einzige Unterschied ist, dass Polts Sketche darauf abzielen, das deutsche Spießbürgertum mit all seinen Klischees aufs Korn zu nehmen. Dass "Real Cool Runnings" streckenweise genau so überspitzt daher kommt, irritiert.
Schirmherrin Anni Friesinger trifft dabei die geringste Schuld. Die deutsche Wintersport-Legende, die selbst gerade ein Kind erwartet, übernimmt die Rolle der sympathischen und fürsorglichen Mutterfigur. Friesinger scheint aufrichtig daran interessiert, ihren Schützlingen Gutes zu tun. Man nimmt ihr das ab.
Dennoch ist das Ziel von "Real Cool Runnings" nicht, sportliche Karrieren zu befördern, sondern den Voyeurismus der Zuschauer zu bedienen. Die Läufer aus Kenia sind dafür ein Mittel zum Zweck. Deshalb bleibt ein seltsamer Beigeschmack.
"Real Cool Runnings" läuft immer dienstags um 20:15 Uhr bei Vox.
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