Das Beziehungsgrab "Das Sommerhaus der Stars" macht gerade Pause. Eigentlich. Denn während die Promis ihre Instagram-Kanäle pflegen, schickt RTL nun "Normalos" in die Bocholter Reality-Unterkunft. Für "Sommerhaus"-Fans sicher spannend, im Grunde aber Fernsehen wie vor einem Vierteljahrhundert.
"Das Sommerhaus der Stars" funktionierte von der ersten Sekunde an nach einem ebenso einfachen wie effektiven Prinzip: Man stecke einen Haufen Promis mit Geld- und Geltungsbedürfnis unter Dauerbeobachtung in ein Haus, treibe das Ganze mit Alkohol, demütigenden Spielchen und Hinaus-Wahlen in Richtung Eskalation und warte einfach ab, was all das aus Menschen macht.
Ein klassisches Trash-TV-Format mit dem Alleinstellungsmerkmal, dass die Promis hier mit Partner oder Partnerin einziehen, sich also gleich doppelt unglücklich machen können.
Seit 2016 leiten Promi-Paare im "Sommerhaus" nun schon ihre Sitzung beim Scheidungsanwalt ein, und genauso lange sitzen die Zuschauer zu Hause auf dem Sofa und amüsieren sich über das Elend der Stars in dem Glauben, das alles sehr viel besser meistern zu können.
Doch das dürfte seit diesem Montag Vergangenheit sein, denn RTL hat offenbar das Promi-Begaffen durchgespielt und schickt nun Max Mustermann und Gattin in das ranzige Landhaus in Bocholt-Barlo. Oder wie es RTL nennt: "Das Sommerhaus der Normalos".
"Jetzt hör doch mal auf, Scheiße zu reden!"
Dass der Plan, es besser, weil anständiger zu machen, schiefgehen wird, zeigt bereits das erste Paar nach wenigen Minuten. Lisa, 22-jährige Zugbegleiterin aus Frankfurt, und ihr Freund Marcel, 23 Jahre alt und nach kurzem Überlegen doch nicht Flugbegleiter, sondern Luftsicherheitsassistent, sind sich bereits über die jüngste Vergangenheit nicht einig. Dass man "so ungefähr" seit Oktober 2021 zusammen sei, darauf kann man sich noch einigen, nicht aber bei der Frage, ob Marcel in der Kennenlernphase "noch andere hatte. Mehrere."
"Jetzt hör doch mal auf, Scheiße zu reden!", empört sich Marcel, und als Lisa über die damit verbundene Eifersucht spricht und fragt, wer außer ihm sie denn "toxisch" gemacht haben könne, schließlich sei er ihre erste Beziehung, antwortet Marcel: "Deine Persönlichkeit an sich ist toxisch."
Man muss kein Paartherapeut sein, um zu ahnen, dass die beiden überall hingehören, nur nicht in das "Sommerhaus". Bei RTL wird man hingegen genau das Gegenteil denken.
Zu den beiden gesellen sich bald die medizinische Fachangestellte Sophie und ihr Freund, der 27-jährige Klempner Hendrik, der für das nächste Paar bereits deshalb Antipathien hegt, weil beide nicht rauchen und er "voll viel Botox im Gesicht hat". "Beide", das sind der 36-jährige Immobilien-Investor Marc und seine 27-jährige Freundin Anna-Lucia, die in ihrem Online-Shop handgemachte Hundeleinen verkauft.
Der Wohnort der zwei wechselt zwischen Wuppertal und Dubai und beim Vorstellungsfilmchen müssen sie kurz für die Kamera überlegen, mit welchem Porsche sie durch die Gegend fahren sollen.
"Es ist so cool, Baby!"
Dazu kommen noch Manfred (60) und Andrea (61), Sebastian (30) und Viktoria (26), Mladen "Maki" (31) und Michelle (28), Richard (29) und Vanessa (28) sowie Sascha (36) und Sandra (34).
Wenn RTL diese Mischung aus Bankangestelltem, Büromanager, Studentin, Buchhalter oder Sozialversicherungsfachangestellter als Ansammlung von "Normalos" einstuft, dann liegt der Sender damit nicht ganz falsch – auch wenn Lisa das beim Anblick der Ü-60-Jährigen Andrea und Manfred anders sieht: "Ich hab' gehofft, da kommen normale Leute in unserem Alter."
Das "Normalsein" ist aber nicht die einzige Gemeinsamkeit. Alle finden das Haus ähnlich schäbig, das Wandeln auf Promi-Pfaden aber trotzdem anziehend: "Es ist so cool, Baby!" Weniger cool ist, dass es, ob tatsächlich oder vom Schnitt gewollt, zwischen den und innerhalb der Paare ein Ungleichgewicht bei Zuneigung, Teilnahmewille, Augenhöhe und Geltungsdrang zu geben scheint.
"Uns ist natürlich auch bewusst, dass sich hier Türen öffnen können", erklärt etwa Vanessa mit Blick auf eine Karriere als Influencerin und Reality-Star, und mit "uns" meint Vanessa "mir".
Mit anderen Worten: Das Casting der Produktionsfirma scheint einen guten Job gemacht zu haben, um mit den "Normalos" all das zu halten, was das "Sommerhaus der Stars" versprochen hat. Bereits bei der Einteilung der Betten gibt es Stress, Gesichter werden sich für die Nominierung gemerkt.
"Schwierig für uns, Anschluss zu finden", stellt Anna-Lucia relativ schnell fest, während im Hintergrund die ersten Allianzen geschmiedet werden: "Die ganze Clique, die muss man irgendwie spalten, Alter", glaubt Marcel beim ersten konspirativen Treffen mit Lisa, Hendrik und Sophie. "Vielleicht so, dass die sich untereinander streiten", macht Lisa einen Vorschlag.
"Das Sommerhaus der Normalos" – eine TV-Innovation?
Dass es dafür gar keinen Plan braucht, zeigt das erste Spiel der Staffel. Denn die Aufgabe, Gegenstände auf einer Wippe zu drapieren, erfordert nicht nur Geschicklichkeit und Gelassenheit, sondern auch kommunikative Fähigkeiten – die Kipppunkte einer jeden Reality-Show-Beziehung.
Und so passiert das, was etliche "Sommerhaus der Stars"-Folgen zuvor ebenfalls passiert ist: Die Paare gehen sich ans Gemüt: "Halt die Fresse einfach!", gibt etwa Sophie ihrem Marcel konkrete Anweisungen. Den Rest erledigen die Probleme, die die Paare mit ins "Sommerhaus" gebracht haben.
Das Problem: Die Idee, statt Promis Paare ins Haus zu schicken, ermüdet dadurch relativ schnell. Zum einen benehmen sich die "Normalos" eben nicht anders als ihre prominenten Vorgänger, auch, weil hier die gleichen sozialen Mechanismen und Show-Elemente greifen wie in der Promi-Variante. So dauert es noch nicht einmal eine ganze Folge, bis die ersten "Fake"-Anschuldigungen und andere Reality-Show-Vorwürfe fallen.
Zum anderen gewöhnt man sich mit jeder Minute mehr an die Gesichter, so dass es irgendwann vollkommen egal ist, ob man die Paare vorher schon gekannt hat oder nicht. Das Spannende daran: All das hätte man wissen können.
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Denn "Das Sommerhaus der Normalos" ist absolut keine TV-Innovation, sondern das genaue Gegenteil. RTL geht mit der Show nämlich einfach nur dorthin, wo alles anfing: Als man im Jahr 2000 bei "Big Brother" ein paar Normalos unter Permanent-Beobachtung in ein Haus steckte und dann mal guckte, was passiert.
Dann eroberten Prominente mit einem Hauptberuf das Genre, ehe danach andere das Prominentsein zum Hauptberuf machten und sich "Reality-Stars" nannten. Nun also geht es zurück auf Los und man sieht das Fernsehen von vor 25 Jahren. Scheidungsanwälten gefällt das.