Melika Foroutan ermittelt in diesem Jahr nicht nur als Staatsanwältin Fida Emam in einer neuen Episode der Krimireihe "Wiener Blut". Ab Herbst ist sie als "Tatort"-Kommissarin in Frankfurt im Einsatz. Wir haben mit der Schauspielerin gesprochen.

Ein Interview

"Wiener Blut – Berggericht" (24. März um 20.15 Uhr im ZDF) setzt die Geschichte rund um die ehrgeizige Fida Emam fort. Im zweiten Teil der Krimireihe ermittelt die Staatsanwältin, gespielt von Melika Foroutan, in einem Entführungsfall.

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Im Interview spricht die 49-Jährige über ihre Rolle und österreichische Sprachfärbungen. Außerdem blickt sie auf den weltweiten Erfolg der Netflix-Serie "Die Kaiserin", in der sie als Erzherzogin Sophie zu sehen ist, und erklärt, was es mit ihr macht, im Frankfurter "Tatort" eine Ermittlerin mit Migrationshintergrund spielen zu dürfen.

Frau Foroutan, im neuen Fall der Filmreihe "Wiener Blut" sind Sie wieder als Staatsanwältin Fida Emam zu sehen. Beschreiben Sie bitte Ihre Rolle.

Melika Foroutan: Fida ist eine erfolgreiche Staatsanwältin, konzentriert und unnachgiebig. Obwohl sie von höheren Instanzen oft Druck bekommt, um einen Fall schneller zu lösen, lässt sie sich nicht beirren und arbeitet sorgfältig und gewissenhaft. Sie hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und obwohl ihr während der Arbeit immer wieder Steine in den Weg gelegt werden, lässt sie sich nicht einschüchtern oder korrumpieren. Ihr Privatleben ist durch das Zusammenleben mit ihrer Mutter, die gerne trinkt, raucht und ausgeht, etwas anstrengender für Fida, da sie in der gemeinsamen Wohnung nicht die Kontrolle hat und ihre Mutter alles auslebt, was Fida sich selbst nicht erlaubt.

"Fida Emam ist wie ein einsamer Wolf."

Melika Foroutan über ihre Rolle in "Wiener Blut"

Ist Fida also jemand, der einem erst auf den zweiten Blick ans Herz wächst?

Fida ist streng und sehr auf ihren Beruf fokussiert, sie erscheint dadurch etwas unnahbar und distanziert, ein wenig ist sie wie ein einsamer Wolf, aber ausgestattet mit einer großen Liebe zu Menschen. Umgekehrt kann es passieren, dass Personen, die ihr erstmals begegnen, sie nicht gleich auf Anhieb sympathisch finden.

Fida Emam ist eine Staatsanwältin mit ägyptisch-österreichischen Wurzeln. War es sehr herausfordernd für Sie, sich auf diese Rolle vorzubereiten?

Im Zuge des Castings 2019 wurde mir aufgetragen, die Szenen auf wienerisch zu spielen, ein Dialekt, vor dem ich als Deutsche den größten Respekt habe und den ich nicht im Geringsten beherrsche. Insofern habe ich schnell gemerkt, dass ich mich eigentlich nur blamieren kann (lacht). Ich nahm die Szenen dann in einem stümperhaften Versuch eines österreichischen Sprachklangs auf, bekam die Rolle trotzdem und wurde dann vier Wochen vor Drehbeginn in die Obhut der Schauspielerin und Dialektcoach Susi Stach gegeben, die unerbittlich an mir gearbeitet hat, sodass wir am Ende zwar kein Wienerisch etabliert haben, aber zumindest eine erkennbar österreichische Färbung. Ich war natürlich sehr streng mit mir, da ich wusste, dass ich täglich an einem österreichischen Set sein würde, umgeben von Menschen, deren Sprache ich behauptete zu können, da kann man schon nervös werden. Es war dann umso schöner, wie mich am Ende alle unterstützt haben.

In der Netflix-Serie "Die Kaiserin" schlüpfen Sie in eine andere spannende Rolle: die der Erzherzogin Sophie. Denken wir beispielsweise an die "Sissi"-Verfilmung mit Romy Schneider, blieb Sophie als herrischer Charakter in Erinnerung …

In Vorbereitung auf "Die Kaiserin" habe ich mir diese "Sissi"-Verfilmung natürlich wieder angeschaut, in der die Erzherzogin von der wundervollen Vilma Degischer gespielt wird. Ich musste feststellen, dass diese Figur zwar durchaus als herrisch interpretiert wurde, Vilma Degischer aber auch eine zärtliche Seite erkennen ließ; ich habe außerdem auch Humor und Schlagfertigkeit gesehen. Jemand mit so viel Verantwortung für den Erhalt einer Dynastie wie die Erzherzogin war sicherlich nicht besonders nachgiebig im Umgang mit Menschen, und trotzdem wäre es langweilig gewesen, nur diese Seite zu zeigen, es wäre zu einfach. Sie war eben nicht ausschließlich herrisch.

Sondern?

Während in den Ernst-Marischka-Verfilmungen der Fokus auf Sissi und Franz lag, spielt die Erzherzogin Sophie in "Die Kaiserin", eine größere Rolle, ich hatte also mehr Raum. In den vergangenen beiden Staffeln habe ich in jeweils sechs Folgen die Möglichkeit gehabt, sowohl das Innenleben der Erzherzogin als auch ihr Verhältnis zum Habsburger Reich und zu ihrer Familie stärker abzubilden. Die historische Sophie wurde als der "einzige Mann am Hof" betitelt, sie war eine mächtige, reaktionäre Frau, die das System erhalten wollte. Natürlich war sie aber auch eine Mutter, eine Ehefrau, vielleicht sogar eine Geliebte.

Katharina Eyssen, die Autorin und Showrunnerin, wollte der Figur gerecht werden und ihr Komplexität und Tiefe verleihen. Es wäre langweilig und vertan, das Despotische und Menschenverachtende, das sich in Sophie findet, in ein Klischee zu verschrumpfen, dann hätte man es den Zuschauern erlaubt, von ihr abrücken zu können. Sie sollte aber auch mal lustig sein dürfen, besorgt um ihre Kinder, verlegen, oder verzweifelt, menschlich, um dann im nächsten Moment den Befehl zu erteilen, in eine protestierende Menschenmenge zu schießen, oder etwas entsetzlich Qualvolles dem eigenen Kind anzutun. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sollten Sophie in einem Moment ins Herz schließen, um sie in der nächsten Szene wieder zu hassen. Menschen sind vielschichtig, und das Böse ist menschengemacht.

Warum Foroutan vom "Die Kaiserin"-Erfolg "nicht überrascht" ist

Eben jene Zuschauerinnen und Zuschauer sitzen auf der ganzen Welt vor dem Fernseher und gucken "The Empress" – wie erklären sie sich den weltweiten Erfolg der Serie?

Netflix ist in knapp 200 Ländern verfügbar, was natürlich einen enormen Effekt mitbringt; ich sehe es als großes Geschenk, Fanpost aus Mexiko, Brasilien oder Nigeria zu bekommen. Uns hat es alle sehr stolz gemacht, dass die Geschichte, die wir erzählen, über den engeren europäischen Raum hinaus so viele Menschen rund um den Globus begeistert und interessiert hat. Dass die Serie weltweit funktioniert, hängt damit zusammen, dass wir die Geschichte universell erzählen. Eine Herrscherdynastie, kurz vor ihrem Untergang, Krieg, Machtmissbrauch, eine dysfunktionale Familie, starke Frauenfiguren, Liebesgeschichten, das interessiert Menschen auf der ganzen Welt, und im Zusammenspiel mit wunderschönen, kunstvollen Kostümen, einem wirklich beeindruckenden Szenenbild und einem großen Stück Eskapismus hat es mich nicht überrascht, dass die Serie viele Menschen erreicht hat.

"Dass Edins und meine Figur einen Migrationshintergrund haben, ist ja lediglich eine Abbildung der gesellschaftlichen Realität, in der wir uns bewegen."

Melika Foroutan

Ab Herbst ermitteln Sie an der Seite von Edin Hasanovic im Frankfurter "Tatort". Sie spielen die Iranerin Maryam Azadi und Edin Hasanovic den Bosnier Hamza Kulina. Was macht es mit Ihnen, dass Sie ein Stück Ihrer eigenen Biografie mit in die Rolle geben dürfen?

Da ich bislang sehr selten eine Iranerin spielen durfte, freue ich mich natürlich sehr über die Möglichkeit, ab jetzt im "Tatort" regelmäßig eine iranische Frau spielen zu dürfen. In der Figur darf ich hin und wieder auch auf Farsi sprechen, für die Rolle kann ich also in einen Teil meiner Biografie eintauchen. Ich kenne das Land, die Kultur, die Menschen – all das kann ich immer wieder verwenden, um die Figur vielschichtiger zu gestalten.

Dass Edins und meine Figur einen Migrationshintergrund haben, ist ja lediglich eine Abbildung der gesellschaftlichen Realität, in der wir uns bewegen. Deutschland ist ein Einwanderungsland: Hier leben und arbeiten seit Jahrzehnten Menschen unterschiedlicher Herkunft, mit deutscher Staatsbürgerschaft, wenn man sie ihnen gewährt. Würde man uns im "Tatort" ausblenden, wären wir in irgendeinem Lalaland, das es nicht gibt, aber wir sind in Frankfurt, wo Bosnier, Bosnierinnen, Iraner und Iranerinnen zum Alltag gehören. Wir bilden also nur die Realität ab, obwohl in den letzten Jahren leider immer mehr Menschen diese Realität ablehnen.

"Wenn Menschen ein Problem damit haben, dass ich mich politisch einmische, kann und will ich mich damit nicht befassen."

Melika Foroutan

Auf Ihrem Instagram-Kanal äußern Sie sich immer wieder aktivistisch und engagieren sich politisch. Schwingt in diesem Zusammenhang auch mal die Sorge mit, gecancelt zu werden?

Ich bin in einem politischen und multikulturellen Haushalt groß geworden und bin aufgrund meiner Biografie politisch sozialisiert. Ich kann nicht nicht politisch sein, und gerade jetzt schon gar nicht. Themen, die mich bewegen, thematisiere ich unterschiedlich, mal auf meinem Instagram-Account, mal moderiere oder kuratiere ich eine politische Veranstaltung oder spreche in einem politischen Podcast. Im Zuge der geplanten Kürzungen im Bereich Kultur, Bildung und Wissenschaft habe ich vor kurzem in Berlin eine Rede auf der Unkürzbar-Demo gehalten. Meine Interviews sind oft politisch.

Es gibt unterschiedliche Orte, an denen man seine Haltung zeigen kann, deswegen verurteile ich es nicht, wenn man sich auf Social Media nicht politisch zeigen möchte. Aber in Zeiten, in denen Rechtsextremismus, Nationalismus und Autoritarismus wieder eine große Gefahr darstellen, erwarte ich von Künstlerinnen und Künstlern, dass sie, mit ihren jeweiligen Mitteln, zu den politischen Entwicklungen Stellung beziehen, denn alle sollten begreifen, dass wir als Zivilgesellschaft sehr viel mehr bewirken können, wenn wir alle zusammen laut sind. Die Vielen sind der beste Schutz für den Einzelnen. Wenn Menschen ein Problem damit haben, dass ich mich politisch einmische, kann und will ich mich damit nicht befassen. Die Zeiten sind zu eskalierend, wir müssen alle Verantwortung übernehmen, jeder und jede auf ihre Art, aber alle zusammen.

Trotzdem gibt es Menschen, die gecancelt werden.

Ja, natürlich. In den letzten Monaten etwa wurden zahlreiche Personen ausgeladen oder gar nicht erst ins Land gelassen, die sich mit Palästina solidarisch gezeigt haben, Wissenschaftlerinnen wurden Preise entzogen, die Reputation von Journalistinnen angegriffen, Ausstellungen abgesagt , linke israelische Jüdinnen und Juden, die ihre Regierung kritisieren, wurden als antisemitisch beschimpft – das muss man sich mal vorstellen, in Deutschland. Die Gefahr ist im Raum und der Korridor wird immer enger.

Insofern kann ich natürlich nicht sagen, dass mir das Canceln nicht Kopfzerbrechen bereitet, aber letztlich ist es mir wichtiger, meine Haltung zu zeigen, als um einen möglichen Job zu bangen. Dazu muss ich sagen, dass ich das große Privileg habe, als Schauspielerin Teil eines festen Engagements zu sein, das mir Arbeit garantiert und bisher habe ich nur mit Menschen zusammenarbeiten dürfen, die meine politische Haltung zwar nicht immer teilen, aber kennen und akzeptieren. Es gibt in Deutschland Menschen, die deutlich mehr riskieren als ich – und die Konsequenzen dementsprechend mehr zu spüren bekommen.

Über die Gesprächspartnerin

  • Melika Foroutan, geboren in Teheran, ist eine deutsch-iranische Schauspielerin und Hörspielsprecherin. 2007 hatte sie in der Rolle der Kriminalkommissarin Sylvia Henke in der ZDF-Krimiserie "KDD – Kriminaldauerdienst" ihren Durchbruch. Seit 2022 ist sie in der Netflix-Serie "Die Kaiserin" als Erzherzogin Sophie zu sehen. Als Frankfurter "Tatort"-Kommissarin Maryam Azadi ermittelt Foroutan ab Herbst an der Seite von Hamza Kulin (Edin Hasanovic) für den Hessischen Rundfunk.