Bereits in "Die Wand" überzeugte die deutsche Schauspielerin Martina Gedeck mit ihrem intensiven Spiel. Jetzt ist sie mit dem Drama "Wir töten Stella" (Regie: Julian Pölsler) erneut einen Roman der österreichischen Schriftstellerin Marlen Haushofer zu sehen. Im Interview spricht Gedeck über Emanzipation, späte Berühmtheit und die Angst, den falschen Schritt zu machen.
Als die neunzehn Jahre alte Studentin Stella (
Seine Frau Anna (
"Wir töten Stella" ist die bereits zweite Zusammenarbeit mit Julian Pölsler. Sind die Marlen Haushofer Verfilmungen mittlerweile ein Herzensprojekt von Ihnen?
Martina Gedeck: Ja, es hat mich sehr gefreut, dass es ein Anschlussprojekt an "Die Wand" ist. Denn die Dreharbeiten waren für mich eine bewegende Zeit und auch ein Höhepunkt in meiner Karriere als Filmschauspielerin – einfach, weil es so ein außergewöhnlicher Film war und auch die Dreharbeiten besonders waren. Ich mag die Stoffe von Marlen Haushofer sehr gerne und fühle mich ihr als Autorin mittlerweile verbunden.
Das Buch wurde vor vielen Jahrzehnten geschrieben, der Film wirkt aber in seiner Ausstattung sehr aktuell. Liegt das daran, dass sich zum Beispiel die Rolle der Frau in vielen Bereichen immer noch nicht verändert hat?
Ich glaube, dass es bestimmte Themen gibt, die wir ansprechen, die immer gleich bleiben. Natürlich haben sich die Rollen und Rechte von Frauen in vielen Bereichen maßgeblich verändert. Aber, dass man sich entfremdet, ein Doppelleben führt, innerhalb der Familienstruktur verlassen ist, das ist etwas, was es immer geben wird.
Das ist auch für mich das Hauptthema der Geschichte: Dass jede der Figuren ein Doppelleben führt und sie sich dabei gegenseitig beobachten. Erst zum Schluss kommen die Dinge zutage. Das ist gerade heute, wo jeder im Computer sein Doppelleben führt, ein Thema. Diese Art von Familie kann es immer geben.
Anna wirkt sehr gefühllos. Ist es Ihnen schwer gefallen in diese Figur hineinzufinden?
Ich finde, dass sie unheimlich viele Gefühle hat – aber sie tut nichts. Anna verharrt in ihrer Position und lässt sich nicht anmerken, was sie empfindet. Sie kommuniziert nicht nach außen und bleibt in ihrem eigenen Kosmos.
Viele Filme sind davon geprägt, dass man aus sich hinausgeht, Streit hat oder vor etwas davon läuft. Das alles deutet sich bei Anna nur an und kommt lediglich in ihren Träumen zum Vorschein. Anna ist eine Frau, die ein ganz normales Leben hat. Sie ist eine gut situierte Anwaltsgattin in einem gutbürgerlichen Umfeld. Ich glaube, dass es viele solcher Frauen und Männer gibt, die die Dinge einfach laufen lassen und nicht eingreifen.
Erkennen Sie da Parallelen zu Ihrer eigenen Person?
Nein, das kenne ich von mir gar nicht. Ich lasse Dinge schon auf mich zukommen, aber, wenn mich Sachen wirklich belasten, dann greife ich ein.
Anna hingegen will nicht, dass sie Dinge sich ändern – sie ist mit dem zufrieden, wie es gerade ist und deshalb rührt sie sich nicht von der Stelle. In so eine Lebenssituation würde ich persönlich nicht kommen wollen. Denn das Leben verändert sich immer – und es gibt Situationen in denen man reagieren und sich dem Neuen stellen muss.
Sie haben Ihren Durchbruch im Kino erst mit knapp 40 Jahren erlebt. Hätten Sie sich anders entwickelt, wenn Sie schon früher bekannt geworden wären?
Als ich anfing zu spielen, war das deutsche Kino nur rudimentär existent. Ich habe Theater gespielt und dann sehr komplexe und erfolgreiche Rollen beim Fernsehen gehabt. Insofern war ich einem breiten Publikum bereits bekannt, als das Kino kam. Aber der Medienhype war damals nicht so groß. Ich hatte genug Zeit, um in Ruhe herauszufinden, was den Beruf ausmacht. Auch hatte ich Zeit, unbeobachtet zu lernen.
In dem Moment, wo man mit 20 Jahren schon im Zentrum der Aufmerksamkeit steht und jeder Schritt beobachtet wird ist das etwas vollkommen anderes. Da erlebe ich oft, dass junge SchauspielerInnen aus Angst, den falschen Schritt zu machen, gar keinen mehr machen und sich nicht weiterentwickeln.
Was sind die Folgen?
Der Bonus der Jugend verschwindet irgendwann, die Rollen werden komplexer und man braucht Handwerk, eine gewisse Virtuosität und eine gut ausgebildete Vorstellungskraft. Wenn man zu Beginn nicht unter so einem starken Erfolgsdruck steht, kann man sich freispielen.
Ich habe als junge Schauspielerin wahnsinnig viel gedreht und sehr viel gelernt. Meine Provinz war das Fernsehen und dort habe ich rauf und runter alles Mögliche gespielt. Dadurch konnte ich viele Sachen für mich selber herausfinden und es hat kein Hahn danach gekräht, ob es jetzt der große Erfolg ist oder nicht.
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