In der Vox-Show "Wo die Liebe hinfällt" sind Claudia Obert und ihr jugendlicher Liebhaber Max Suhr so wie immer: Alles ist irgendwie "sexuell" und "animalisch". Der wahre Star der Doku-Soap ist jedoch jemand anderes.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Hach, muss Liebe schön sein. Vor allem, wenn sie sich so quotenfreundlich inszenieren lässt wie bei Claudia Obert und Max Suhr. Obert, 62, flink an der Flasche und in der Äußerung ihrer zahlreichen Abneigungen, Suhr, 25, und, nun ja: einfach 25 Jahre alt. Das reicht noch immer für einen kleinen Skandal.

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In der letzten Staffel des "Sommerhaus der Stars" erfüllten der Trash-TV-Profi und ihr Gespiele ihren Job phänomenal. Kaum angekommen, warf Obert sich auf die ausgelutschte Matratze des Promi-Knasts, Beine in die Höhe, jugendlicher Liebhaber obendrauf, um, wie drücken wir das möglichst elegant aus? Sich ordentlich durchrütteln zu lassen. "Dry Humping" ist der Fachterminus.

Das kultivierte das Paar in den weiteren Folgen, garniert mit einigen persönlichen Beleidigungen gegen andere Mitbewohner. Da der Rest der Besetzung aber vor allem aus Sternchen bestand, die aus der Social-Media-Blase stammen, wo man unerwünschtes Feedback löschen kann, flogen Claudia Obert und Max Suhr bereits nach drei Folgen aus dem "Sommerhaus der Stars". Es ist wirklich schwer, qualifiziertes Trash-TV-Personal zu finden.

Doch Claudia Obert geht natürlich nie so wirklich. Kaum aus dem "Sommerhaus", bietet Vox einen nahtlosen Übergang an. In "Wo die Liebe hinfällt" begleitet der Sender drei ungewöhnliche Paare, mit Obert und Suhr als prominente Zugpferde. Natürlich wird hier zunächst noch einmal das "Sommerhaus der Stars" rekapituliert, mit den "schönsten Szenen". Zusammenfassung: "So lange wir allein waren, hatten wir Spaß." Eine ziemlich einseitige Meinung, weswegen der Rest der Szenen in der Vox-Show, jetzt wo die beiden wirklich allein sind, eher mäßig unterhaltsam sind.

Claudia Obert als "frischer Wind in der Familie"

Zunächst geht es für Obert und Suhr zu seiner Mama, sieben Jahre jünger als die Schwiegertochter in spe und angesichts der Tatsache, wer da als Schwiegertochter in spe präsentiert wird, tiefenentspannt. "Ich hab einfach gesagt, er soll glücklich sein", sagt sie, Obert bringe "frischen Wind in die Familie". Offenbar besitzt Mama Suhr keinen Kabelanschluss, um zu wissen, dass sich der frische Wind ziemlich schnell in einen Orkan verwandeln kann.

Danach erforschen Claudia Obert und Max Suhr in Rheinland-Pfalz ihre "süddeutschen Wurzeln". Dass Rheinhessen eher mittig liegt und Obert aus Freiburg in Baden-Württemberg stammt, ist nebensächlich. Wer im Zug schon die erste Flasche Schampus köpft, hat keine Muße für geografische Feinheiten. Danach sehen wir die beiden beim Saumagen essen, Wein lesen und Trauben stampfen. Wie immer hat alles "irgendwie etwas Sexuelles, Animalisches". Es ist, als beobachte man seine Eltern bei einem nicht enden wollenden Zungenkuss.

Dann doch lieber zum Beiwerk von "Wo die Liebe hinfällt": die anderen Paare. Das Feigenblatt dieser Pseudo-Dokumentation sind Sara und Niko aus Cölbe bei Marburg. Ein vollkommen normales Paar, das gerade seine Hochzeit plant. Niko ist seit seinem achten Lebensjahr blind, weswegen die Vorbereitungen etwas anders verlaufen. Brautkleider, die er nicht sehen kann. Deko, die er, genau, nicht sehen kann. Und, natürlich eine Hochzeit, die er vor allem mit den Ohren und dem Tastsinn erfühlt.

Vox verkauft diesen Umstand so penetrant, dass man dabei fast vergessen könnte: da sind zwei Menschen, die sich lieben, einer davon ist blind. Für die beiden spielt das keine Rolle. Für den produzierenden Fernsehsender umso mehr.

So eine Protagonistin kann man sich nicht ausdenken

Highlight der ersten Folge von "Wo die Liebe hinfällt" ist aber Kim. Eine Protagonistin, nach der sich das Vox-Format "Die Auswanderer" alle zehn Finger und gleich noch die Zehen lecken würde. Bei ihr stellt sich unmittelbar die Frage: Haben TV-Redakteure eine Pflicht zum Schutz ihrer Darsteller? Aber hey, es ist im weitesten Sinne eine Dokumentation, wenn auch nur aufgrund der Unterzeile in der TV-Zeitschrift, Kim ist volljährig und so ein Ritt ins Verderben spektakulärer.

Kim ist 27, stammt aus einem Schweizer Bergdorf, hat ihre Ausbildung abgebrochen und kellnert in einer Bar. Sie führt eine Beziehung mit dem US-Amerikaner William. So weit, so undramatisch. Jetzt zu den Details: William lernte Kim in einer Kontakt-App für Häftlinge kennen. Er sitzt zurzeit in einem Gefängnis in den USA wegen Drogenhandel. Für Kim kein Hinderungsgrund, er habe sich geändert, sagt sie.

William wurde mit Kokain erwischt, aber nur ganz wenig. Dummerweise hatte er eine Waffe unterm Sitz. Ach ja, und die Tätowierung auf seiner Brust ließe sich mit ein wenig Fantasie als krakeliges Hakenkreuz interpretieren. Was soll man machen, Kim steht auf "Bad Boys", sagt sie und will jetzt in die USA auswandern. Einmal hat sie ihn bisher besucht, für zehn Tage, natürlich nur zu den Besuchszeiten. "Ich hab ihn getroffen und ich weiß, dass er für mich da ist", sagt sie. Wie sollte er auch anders, er kann ja nicht weg.

Knastromanze mit einem Twist

Aber das hier wäre nicht Vox, wenn sich das nicht noch steigern ließe. Während man Kim beobachtet, wie sie ins sichere Verderben rennt, entfalten sich weitere Details. William sitzt, seit er 18 Jahre alt ist, immer wieder im Gefängnis. Seine Mutter war drogenabhängig, seine Großmutter dealte. Während der Dreharbeiten von "Wo die Liebe hinfällt" sitzt er in Einzelhaft, er hat sich im Gefängnis geprügelt. Ob er in elf Monaten entlassen wird, steht noch nicht fest, da er einen Fluchtversuch begangen hat.

Entsprechend begeistert reagiert Kims Umfeld auf ihren Auswanderungswunsch. Opa Fritz sitzt ganz starr vor der Kamera und sagt schweizerisch neutral: "Ich seh ein gewisses Risiko darin." Die Augen seiner Frau, starr daneben, wandern panisch hin und her, sie sprechen eine andere Sprache. Der Mitbewohner von Kim ist passenderweise Angestellter in einer Justizvollzugsanstalt. "Ich bin ein bisschen skeptisch, immer noch", sagt er. Diese Schweizer sind aber auch einfach so … höflich!

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Doch gerade als Kim die Wohnung gekündigt hat und man schreien will: "Bindet die Frau an einem drei Meter großen Emmentaler fest!", da kommt die Wendung. Kurz vor der Auswanderung beendet Kim die Beziehung. "Er habe eine andere Ansicht vom Leben", und wollte alles kontrollieren. Sie habe sich gar nicht mehr wieder erkannt. Sie wohnt jetzt bei einer Freundin und ist mit einer Frau zusammen.

William wird derweil wegen mehrfacher Verstöße in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt. Entlassungstermin: Unbekannt. Solche Geschichten schreibt nur das Leben. Oder das Privatfernsehen. Da kann selbst Claudia Obert in der nächsten Woche in Folge zwei von "Wo die Liebe hinfällt" noch etwas lernen.

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