Die sechste Entscheidungs-Show bei "Let's Dance" – und gleich zum Anpfiff geht ein Ruck der Enttäuschung durch die Republik.

Marie von den Benken
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Hatte man sich beim tanzverrückten Zielpublikum zwischen Flensburg und Sonthofen am vergangenen Freitag nach Joachim Llambis vollmundiger Ankündigung "Nächste Woche kommt unser beliebter Partnertausch" auf handfeste Swinger-Erotik zur Primetime gefreut, startet die Tanztee-Matinee vorfreudedämpfend überraschend komplett ohne Jugendschutz-Hinweis.

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Umgehend legt sich lähmende Desillusionierung über deutsche Wohnzimmer. Statt einer lasziv in den Armen von Mark Keller jauchzenden Ekaterina Leonova im Adamskostüm doch wieder nur jede Menge neonfarbene Fransen und ein zu Coverversionen von Songs schwitzender Detlef D! Soost, für die sich die ursprünglichen Interpreten regelmäßig frustriert zum spontanen Karriereende entschließen.

Der offenbar zu TV-Clickbaiting Zwecken suggerierte "Partnertausch" bezieht sich also, das lernen wir Kinder aus der Generation Pornhub heute Abend auf schmerzliche Art, ausschließlich auf Tanz- und keinesfalls auf Kopulationspartner. Um die durch falsche Versprechungen zu imaginären Koitus-Engagements hochmanipulierte Amönitäts-Rekord-Quote direkt wieder auf Normalniveau runterzukochen, noch bevor Jorge González erstmals "Chica" sagen kann, verkündet Haarmodel Daniel Hartwich, dass nach dem heutigen, fast vierstündigen Vortanzprogramm, kein Prominenter von der Tanzakademie Llambi exmatrikuliert werden wird. Keiner fliegt, also auch keine Krokodilstränen im Anschlussprogramm bei Frauke Ludowig, die traditionell nach Abpfiff des Primetime-Hauptprogramms direkt vom Tanzflur nahtlos live durchmoderiert. Das ist nicht mehr mein RTL.

Tanzen ohne Wettbewerb ist wie Sex ohne Joachim Llambi

Erfahrungsgemäß ist die Spannung, welcher Promi am Ende von Jury und Publikum nicht versetzt wird, einer der Hauptgründe, warum "Let's Dance" seit Jahren zu den erfolgreichsten Shows im deutschen Fernsehen zählt. Die sich um Tanzen drehen. Und freitagabends laufen. Und von Victoria Swarovski co-moderiert werden. Gleich zum Start prominent publik zu machen, dass diese Dramaturgie-Hausse an der Emotions-Wallstreet heute ersatzlos wegfällt – das ist mutig. In Zeiten von Fake News, in denen weltweit Medienhäuser Daten von Terrororganisationen mehr Glauben schenken als Daten der Regierung eines demokratischen Staates, möchte RTL offenbar mit gutem Beispiel vorangehen und für mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit sorgen. Diese Ehrlichkeit wird allerdings, davon darf man beim ablenkungsaffinen Schnellzapper-Publikum wohl ausgehen, extreme Auswirkungen auf die Nettozuschauerzahl haben. Es schaut ja auch niemand ein Fußballspiel, wenn man beim Anpfiff bereits festlegt, dass heute niemand gewinnen wird.

Was genau der konzeptionelle Ansatz für den temporären Profiantänzer-Tausch ist, bleibt das Geheimnis des RTL-Beauftragten für Quotenoptimierung. Die DFL hat ja auch keine Regel, dass am sechsten Spieltag mal Trainer durchgetauscht werden und Thomas Tuchel für eine Woche Darmstadt 98 trainiert, Edin Terzić Werder Bremen und Dino Toppmöller den FC Bayern.

Die sogenannten Prominenten präsentieren sich dennoch vertragskonform und reagieren drehbuchgenau komplett durcheuphorisiert. Jana Wosnitza etwa, die sich noch von den unverhofften 10 Punkten, die sie vor Wochenfrist von der Mängelrüge in Menschengestalt, Joachim Llambi, erhalten hatte, erholen muss, hat in der Tanzswinger-Lotterie diese Woche Massimo Sinató gezogen. Hauptgewinn, sagen die einen. Niete, die anderen. Aber genug von Rebecca Mir und Tanja Kuschill. Llambi holt die 10-Punkte-Kelle seltener raus, als sich Olaf Scholz an Termine mit Hamburger Bankern erinnern kann. Ob auch Massimo mit Jana diesen Sensationscoup wiederholen kann?

Massimo Sinató, das Ferkel!

Um den Schock für die RTL-Football-Prinzessin so groß wie möglich zu gestalten, hat der Mann mit Oberhemd-Allergie diese Woche ein paar Accessoires aus seinem "50 Shades of Grey"-Partyraum dabei. Was genau, ist nicht zweifelsfrei zu identifizieren, aber es ist lang und Massimo kündigt an, es wäre aus Latex. Vor Schreck ertanzt Jana keinen erneuten 10er von Kellen-Papst Llambi, bekommt aber umgehend Trost von Victoria Swarovski. Swarovski ist hauptsächlich vor Ort, um den Kandidatinnen (generisches Femininum) direkt nach den regelmäßigen Demütigungen durch Urteile von Joachim Llambi, Duisburgs drittbekanntestem Tänzer nach Nic (tanzt bis heute in Großraumdiscotheken zu seinem einzigen Hit "Ein Stern, der deinen Namen trägt") und Moritz Stoppelkamp (tanzt Gegner auf dem Spielfeld aus), mit einigen spontanen Liebesbekundungen wieder aufzubauen.

Da es beim Unwohlsein der Tanzprotagonisten direkt nach ihrem Auftritt auf dem Parkett und vor dem Dreiertribunal Mabuse/Llambi/González zumeist um Punkte geht, hat Swarovski heute Abend zur Kompensation einige davon dabei. Ihr Kleid sieht aus, als hätte sie beim "Großen Promi 4-Gewinnt" mit Hugo Egon Balder alle weißen Spielchips mitgehen lassen und ihrem Stylisten aufgetragen, ihr daraus ein hautenges Abendkleid zu designen, zu dem meine Oma gesagt hätte: "10 Minuten mit dem Fetzen auf der Straße und du hast 400 Verehrer und eine Nierenbeckenentzündung!"

Biohuhn und die Rache des Llambinators

Biyon Kattilathu, von Oliver-Pocher-Fans gerne "Biohuhn Kattastrophu" genannt, versucht es nach einem eher mittelmäßigen Auftritt letzte Woche nun mit physischer Nähe und fällt seinem Idol Joachim Llambi in die Arme. Der liebt ungeplanten Körperkontakt allerdings nicht sonderlich. Schon gar nicht von Männern. Wie üblich bleiben Attacken auf Cheftanzprüfer Llambi nicht lange ungesühnt. Rache, so sagt man, wird am besten kalt serviert. Llambi sitzt allerdings am längeren (Kellen-)Hebel und ist auf Richttemperaturen nicht angewiesen. Er kann jederzeit ansatzlos via Punktevergabe für Vergeltung sorgen und die Zukunftsaussichten seines Opfers beerdigen. Erwartungsgemäß sanktioniert er nach seiner unbeholfen vorgetragenen Fraternisierungs-Offensive umgehend auch den personifizierten Glückskeks Biyon mit vernichtenden 4 Punkten. Warum Kattilathu ausgerechnet heute so hochemotional und körperkontaktsuchend auftritt, wird nicht aufgeklärt. Vielleicht ist Amira Pocher im Publikum?

Im Reigen der einzigen jugendfreien Paartausch-Orgie im deutschen Fernsehen muss Vadim Garbuzov anschließend mit Ann-Kathrin Bendixen tanzen. Um die Stimmung bei der aufgrund akuter Punktearmut seit Show Eins durchgängig auf der Abschussliste stehenden "Affe auf Bike"-Influencerin direkt zu ruinieren, klärt Vadim eingangs erstmal einige Attitüden-Basics: "Kannst du sexy?" Wo ist die Feminismus-Beauftragte der Bundesregierung, wenn man sie mal braucht? Schockverwundert sagt Ann-Kathrins Blick sofort: "Äh, was? Sexy jetzt im Sinne von Margot Robbie oder im Sinne von Horst Schlämmer?"

Ansonsten bleibt der Showtag auf dem Ossendorfer Dancefloor weitestgehend höhepunktarm. Irgendwann im Laufe des Abends hat Joachim Llambi sich von der Umschlingungsattacke von Biyon Kattilathu erholt und schaltet zurück in seinen Werkszustand: das dauernde Bewerten von Frauen. Sarah Connors Schwester Lulu fragt er: "Warum bist du so verkrampft in der Oberhälfte?" Lulu hat Glück, dass sie eine Frau ist. Da geht es Llambi zumeist um Leiber. Wäre sie beispielsweise Elton, hätte Llambi vermutlich nicht den Oberkörper kritisiert, sondern eher das Oberstübchen.

Vater gesucht!

Am traurigsten über den Partnertausch scheint Tony Bauer zu sein. Er liebt seine Profi-Tänzerin Anastasia Stan inzwischen wie eine Mutter. Eine Mutter, über die sogar Eminem schon einen Welthit geschrieben hat ("Stan"). Jetzt braucht er nur noch einen Vater. Und wo er schon mal hier ist, bewirbt er sich bei Joachim Llambi: "Willst du mich adoptieren?" Tanzkommissionsvorsitzender Llambi und Tanz-Azubi Bauer einigen sich nach kurzer Verhandlung auf folgendes Umsetzungsszenario: Wenn Bauer es bis in Show 14 schafft, unterschreibt Llambi noch im Studio die Adoptionspapiere. Geburtstagswunschlisten sollte Tony allerdings noch nicht schreiben, denn Joachim Llambi zeigt sich in familienjuristischen Angelegenheiten ebenso parkettsicher vorbereitet wie beim Slowdenkfox: Show 14 ist die Show nach dem Finale, die "Große Profi-Challenge", bei der ausschließlich Profitänzer antreten. Bauer gehört punkteseitig zur oberen Hälfte des Teilnehmerfeldes. Dass er in den verbleibenden sieben Wochen vom Kandidaten zum Profi aufsteigt, ist dennoch unwahrscheinlicher als Christian Lindners Durchmarsch zum Bundeskanzler.

Joachim Llambi ist da schon längst beim nächsten Tanz. Sophia Thiel liefert stabil ab, erntet aber dennoch ein anatomisch interessantes Urteil von Hobby-Orthopäde Llambi: "Das Becken muss unter dem Körper bleiben!" Das ist bei Tänzerinnen genauso wie bei Pools. Zum Schluss fliegt dann wie angekündigt: niemand. Um dennoch einen Prominenten mit schlechter Laune in die kommende Trainingswoche zu schicken, verraten die Punktewächter Daniel Hartwich und Victoria Swarovski der interessierten Fangemeinde an den Fernsehschirmen sogar, wer heute hätte ausscheiden müssen, wäre der normale Modus zur Anwendung gekommen. Und da gibt es eine sogenannte faustdicke Überraschung: nicht die jurypunktschlechtesten Kandidaten Ann-Kathrin Bendixen oder Biyon Kattilathu, sondern erstaunlicherweise Lulu.

Ich hoffe, RTL ändert in der verbleibenden Reststaffel nicht nochmal signifikante Säulen der "Let's Dance"-Erfolgshistorie. Nachdem heute bereits durchgewürfelt wurde, blieben wirklich nur noch sehr schwer zu ertragende Special-Optionen. Alle Promis müssen statt mit Profitänzern eine Show lang mit RTL-Moderatoren tanzen, beispielsweise. Sophia Thomalla bringt dann Detlef D! Soost einen Quickstep bei, Frauke Ludowig übt den langsamen Walzer mit Gabriel Kelly und Laura Wontorra geht zum Lachen in den Mark Keller. Würde das jemand sehen wollen? Schreibt es gerne in die Kommentare. Bis nächste Woche!

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