Dürfen wir vorstellen? Iréna Flury ist der neue Hausverstand. Die 32-Jährige ist das Gesicht der Werbekampagne einer großen österreichischen Supermarktkette. Im wirklichen Leben ist die gebürtige Wienerin mit Schweizer Wurzeln erfolgreiche Schauspielerin am Theater, in Filmen und Musicals. Sie war bereits für den Nestroy-Preis nominiert und bereitet sich aktuell auf ihre neue Musical-Rolle in Berlin vor.

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Für unser Interview trafen wir die sympathische Mimin in einer Bar direkt beim Wiener Ronacher Theater. Iréna Flury sprach mit uns über ihr Engagement in Berlin, über Genderdiskussionen und natürlich ihre Rolle als neue Werbefigur.

Zum Hausverstand über Nacht

Der "Hausverstand" flog der quirligen Darstellerin völlig überraschend zu, durch einen klassischen Casting-Prozess. "Meine Agentur hat mir das Casting vorgeschlagen. Ich habe zunächst sehr lange gar nicht gewusst, worum es genau ging. Das wurde geheim gehalten." Als sie schließlich erfuhr wofür sie hier gecastet wird, musste Flury nicht lange überlegen: "Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich mir gar keine Gedanken gemacht hätte. Aber ich habe mich bewusst für das Abenteuer entschieden. Ich fand die Idee super, eine Frau für diese Figur zu nehmen."

Wichtig war ihr auch die Marke, für die sie ihr Gesicht hergibt. "Hier kann ich zu hundert Prozent dahinter stehen." Angst, dass sie künftig nur mehr auf ihre Werberolle reduziert werden würde, hat Flury nicht. Sie mache gerne bewusst unkonventionelle Schritte in verschiedene Richtungen, sagt sie und schmunzelt.

Davor hatte jahrelang ein männlicher Schauspieler den Hausverstand dargestellt. Tatsächlich dauerte es nicht lange, ehe ein österreichisches Boulevardmedium auf den Gender-Zug aufsprang und eine kurze, nicht recherchierte Story über den neuen "sexy" Hausverstand brachte. Mit zahlreichen biografischen Fehlern und Fotos ihres Instagram-Accounts. Etwas, das Flury ärgert: "Die Figur ist gerade so konzipiert, dass es nicht um die sexuellen Reize der Frau geht, sondern um die Vermittlung der Inhalte. Mit allen diesen Adjektiven, die die Weiblichkeit betonen, verfehlt man wieder den Zweck. Ich freue mich auf die Zeit, wenn es egal wird, ob eine Figur weiblich oder männlich ist."

Genderdebatte: "So kleinlich sie ist, so wichtig ist sie"

Persönlich angegriffen fühle sie sich durch diese Diskussionen allerdings nicht, betont sie. Viel mehr sieht sich die studierte Musicaldarstellerin als Botschafterin: "Ich habe kein Problem mit der Kritik, es ist gut für die Gesellschaft wenn zumindest diskutiert wird." Auch was die Schauspielszene betrifft glaubt sie leichte Änderungen zu beobachten: "Gerade mit Formaten wie 'Vorstadtweiber', wo ein Cast fast vollständig aus Frauen besteht."

Doch Aufholbedarf gäbe es genug: "Besonders hinter der Kamera. Ich bin seit zehn Jahren im Beruf und hatte erst ganz wenige Regisseurinnen." Persönlich kann sich Flury, die hierzulande in TV-Serien wie "Die Detektive" oder "Mitten im 8ten" mitspielte, durchaus vorstellen die Seiten zu wechseln und hinter der Bühne bzw. der Kamera aktiv zu werden: "Ich schreibe gerne und denke mir neue Geschichten aus. Das ist derzeit aber nur ein privates Vergnügen."

Was in der Stück- oder Filmgestaltung auffalle, so Flury, sei die Männerfixierung der Frauenrollen: "Vor allem im Musicalfach strebt die Frauenrolle meist nach dem Prinzen, der das Mädchen rettet. Ich würde gerne mehr Stücke sehen, in denen Frauen eine starke eigenständige Rolle übernehmen." Zur Genderdebatte im Allgemeinen hat Flury eine klare Haltung: "So kleinlich sie manchmal ist, so wichtig ist sie. Es ist wie mit dem Fitnesscenter: man geht nicht gerne hin, aber man sollte es tun, um fit zu bleiben."

Selfies mit dem Hausverstand

Wie ist es eigentlich, wenn man sich selbst im Supermarkt begegnet? "Es ist schon gewöhnungsbedürftig. Wobei der Wiedererkennungsfaktor nicht so hoch ist. Ich war bereits einkaufen und es hat mich niemand erkannt. Außerdem bin ich eine Woche nach dem Kampagnenstart nach Berlin gezogen und habe die große Welle nicht so mitbekommen. Außer, dass ich viele Selfies mit dem Hausverstand von Freunden bekommen habe (lacht)."

Kindheitstraum West Side Story

Berlin. Das ist Flurys neue Heimat für die nächste Zeit. In Magdeburg wird sie 2017 in der Hauptrolle der Maria im weltberühmten Stück "West Side Story" zu sehen sein. Ein Kindheitstraum, der in Erfüllung geht: "Das war für mich immer ein großes Ziel und ist eine meiner Traumrollen." Dabei rückte der Traum vom Musical-Genre eine Zeit lang in den Hintergrund: "Es wird hierzulande leider belächelt. Davor habe ich mich lange gescheut und Angst gehabt, nicht ernst genommen zu werden. Irgendwann hat doch die Freude am Fach überwogen. Ein Musical kann lustig und sprühend sein. Natürlich wird beispielsweise Cats kein tiefgreifendes, philosophisches Stück werden. Aber es geht immer um den Zweck, das ein Stück verfolgt." In Schubladen gesteckt zu werden, darauf habe sie absolut keine Lust mehr: Viel lieber hält sie sich an die amerikanische Art. "In den USA sind Theater- und Fernsehgeschäft viel stärker miteinander verbunden. Die Genres greifen sich dort gegenseitig unter die Arme. Das würde ich mir für den deutschsprachigen Raum wünschen, auch mehr Offenheit im Miteinander."

Schweizer Wurzeln

Selbst erfahren durfte sie den "American Way of Life" als sie für mehrere Monate nach Los Angeles zur Weiterbildung ging. Über einen Wechsel nach Hollywood denkt sie aber nicht nach: "Nur hinzuziehen, um dort auf eine Rolle zu warten ist nicht mein Ding, dafür arbeite ich hier zu gerne." Zudem gibt es da noch die Schweizer Wurzeln. Beide Elternteile sind Eidgenossen. Geboren und aufgewachsen ist Flury aber in Wien. Dennoch: sie hat beide Pässe und fühlt sich auch noch stark der Schweiz verbunden. "Meine Brüder und ich sprechen ausschließlich Schweizerdeutsch miteinander. Nach meinen Studium bin ich zum Beispiel für ein Stück extra nach Zürich gezogen, habe dort gearbeitet. Die Schweiz ist mir wichtig und ich freue mich immer, wenn ich dort arbeiten kann."

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