Dass mit der Model-Welt irgendetwas nicht stimmen kann, ahnen Pro7-Zuschauer spätestens seit "Germany’s Next Topmodel". Bei der zweiten Ausgabe von "Felix Hutt Investigativ", die am Donnerstagabend bei RTL zu sehen war, geht es aber nicht um eine trashige TV-Unterhaltungsshow, sondern um einen Blick hinter die Kulissen der echten Mode- und Model-Welt. Und dieser Blick ist zum Teil schockierend.
Worum geht's bei "Felix Hutt Investigativ: Mode. Macht. Missbrauch. Das skrupellose Geschäft mit jungen Models"?
Felix Hutt ist Reporter und Autor, studierte Journalismus und Spanisch in den USA. Hutt arbeitete für den "Stern" und den "Spiegel", ehe er 2021 zu RTL wechselte. Dort ist seit kurzem seine Reportage-Reihe "Felix Hutt Investigativ" zu sehen. In der ersten Ausgabe recherchierten Hutt und sein Team unter dem Titel "Mallorca: Rauschgift, Rotlicht, Rocker - Der kriminelle Kampf um unsere Lieblingsinsel."
In der aktuellen, zweiten Ausgabe nun taucht Hutt in die Mode-Welt ein und will wissen, wie dort mit Models umgegangen wird. Wie leben und arbeiten Models? Geht es ihnen gut? Werden sie anständig bezahlt? Was machen die Models, die bei den Fashionshows keinen der begehrten Jobs bekommen? Welche Wege haben sie, um Geld zu verdienen? Werden Sie von ihren Agenturen ausgenutzt?
Eine Menge Fragen, die Hutt und sein Team zu beantworten versuchen, doch im Zentrum der Recherchen und der Folge steht eine andere Frage: Gibt es systematischen Missbrauch in der Modelbranche? Dabei geht es Hutt nicht nur um konkrete Vorwürfe, sondern auch um die Frage, in welchem Machtungleichgewicht Models ihren Beruf ausüben müssen. Denn Missbrauch hat immer auch etwas mit Macht zu tun.
Wie gehen Felix Hutt und sein Team vor?
Ein Jahr lang, so Hutt, hätten er und sein Team recherchiert. Das ist bei einem Thema solcher Größe und mit einem solchen Anspruch nichts Ungewöhnliches, dennoch oder besser: Genau deshalb hat Hutt einigen Aufwand betrieben. Um Einblick in die Modewelt zu bekommen, knüpft er bei einer Fashionshow Kontakt zum Model Rosalie Schmoller. Zum einen, um mit ihr über ihre Erfahrungen zu sprechen, zum anderen, um durch sie einen persönlichen Eindruck vom Arbeitsleben eines Models zu bekommen.
Dafür reisen Hutt und Team auch nach Mailand, um Schmoller bei der dortigen Fashionweek zu begleiten. Für den Reporter aber auch ein Einstieg in die Schattenseite des Business, denn in Mailand recherchiert Hutt auch undercover im Nachtleben, um herauszufinden, was die Models machen, die nicht so viel Glück wie Schmoller haben und in Mailand für Armani und Co. laufen können.
Hutt reist aber auch nach Paris und trifft dort das ehemalige Model Tysha Huisman, das erzählt, wie sie als 18-Jährige von einem berühmten Modelagenten vergewaltigt worden sei. Seine Recherchen führen Hutt auch in die USA, um dort die Vorwürfe mehrerer Models gegen den Gründer von "Guess", Paul Marciano, zu untersuchen. Er führt dabei sowohl ein Interview mit den Models, aber auch, ohne Kamera, ein Gespräch mit Marciano selbst; das Unternehmen "Guess" antwortet nicht auf Hutts Anfragen.
Was sind die Vorwürfe?
Es sind gleich mehrere Vorwürfe, die in der Reportage erhoben werden. Es beginnt mit der Art und Weise, wie Models in Bezug auf ihre Körper behandelt werden. Wer nicht die "richtigen" Maße mitbringe, so zeigt es die Reportage, sei raus aus dem Geschäft. Die angebliche "Diversity", die seit einigen Jahren in der Modewelt Einzug gehalten habe, sei mit Vorsicht zu genießen. So seien etwa unter den 33 Models, die auf der Berliner Fashionweek für den Designer Marcel Ostertag laufen, gerade einmal zwei Plus-Size-Models.
Bei seinen Recherchen lernt Felix Hutt aber nicht nur den körperlichen Druck auf die Models kennen, sondern auch den finanziellen. Bei seinen Recherchen in Mailand knüpft er Kontakt zu einem Mann, der Models, die sich ohne Erfolg auf die Laufsteg-Jobs bewerben, an Nachtclubs vermittelt, wo sie Stimmung machen, aber auch als Begleitung für Männer arbeiten sollen. Der finanzielle Druck der Models ist offenbar so hoch, dass sie wegen der geringen Verdienste und der hohen Mieten ihr Geld auf diese Weise verdienen.
Noch härter sind die Vorwürfe, denen Hutt in den USA und in Frankreich nachgeht. Es geht um die Vorwürfe gegen den Mitbegründer des Modeunternehmens "Guess", Paul Marciano. Ehemalige Models wie Amanda Rodriguez und Gwen van Meir werfen dem Unternehmensgründer sexuelle Nötigung vor. Erst nach Suizid-Gedanken vertraut sich Rodriguez ihrem Mann Charly an. Der ist schockiert: "Es war das Schlimmste, was ich je gehört habe."
In Paris wiederum trifft Hutt das ehemalige Model Thysia Huisman, das berichtet, vom ehemaligen "Star"-Modelagenten Jean-Luc Brunel vergewaltigt worden zu sein. Gegen Brunel wurden erstmals Ende der 1980er Jahre Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs laut, zudem soll er in den Fall Epstein verwickelt gewesen sein. Brunel sitzt zum Zeitpunkt der Recherchen im Gefängnis, wo er 2021 tot aufgefunden wurde.
Das Fazit
Ja, Felix Hutt und sein Team haben sich in der Tat viel vorgenommen und das wollen sie auch zeigen. Es sind eine Menge Handlungs- und Themenstränge, an denen sich der Zuschauer durch die Reportage hangeln soll und manchmal ist das ein bisschen anstrengend. Denn Hutt springt von einem Ort zum nächsten, von einer Geschichte zur anderen und von einer Person zu einer neuen, deren Geschichte er dann aber auch mal nicht zu Ende erzählt. Nicht immer kann er so den Zuschauer mitnehmen, manches bleibt ein bisschen an der Oberfläche.
Zum Beispiel, wenn er Schmollers Mutter zu deren Ängsten um ihre Tochter Rosalie befragt. Dann übersieht man in der Eile als Zuschauer vielleicht, dass diese Ängste nicht zwangsläufig etwas mit dem Model-Business zu tun haben müssen, sondern einfach Ängste einer Mutter um ihr Kind sind. Dennoch ist die Absicht hinter den vielen Themen und Geschichten klar: Hutt will ein möglichst umfassendes Bild von den Schattenseiten des Modelberufs zeigen und tatsächlich entsteht ein solch negatives Bild.
Natürlich durch die Vorwürfe, die erhoben werden, aber auch durch Aussagen wie die von Lisa Bloom, der Anwältin von Amanda Rodriguez, die über "Guess" sagt: "Ich bearbeite solche Fälle seit mehr als 35 Jahren und meiner Meinung nach, ist 'Guess' das schlimmste Unternehmen für Frauen, das ich je gesehen habe. Das Unternehmen hat nie richtig ermittelt, obwohl sie dazu rechtlich verpflichtet sind. Stattdessen haben sie die Frauen ins Visier genommen, gegen sie ermittelt, versucht, sie bloßzustellen."
Reicht das schon für das Ziel, das sich Felix Hutt selbst gesteckt hat – systematischen Missbrauch in der Model-Branche zu ermitteln? Jein. Aber das wäre wahrscheinlich auch zu viel verlangt. Denn auch in dieser Reportage kann Hutt nur Vorwürfe und deren Dementi abbilden, den Rest müssen die Staatsanwaltschaften übernehmen. Hinzu kommt ein Problem, das Hutt persönlich ärgert – außergerichtliche Einigungen wie im Fall Rodriguez: "Das Problem ist eben, dass es nie zu Gerichtsverfahren kommt. […] Dadurch bleibt’s diesen Typen halt immer erspart."
Die Modelbranche also ein "skrupelloses Geschäft mit jungen Models"? Dafür zeigt Hutt viele Anhaltspunkte, aber er zeigt nicht, ob es eventuell auch gute Beispiele gibt. Agenturen, die es anders machen. Und wenn es diese Agenturen nicht gibt, verrät Hutt nicht, warum. Das wäre aber eine spannende Frage gewesen. Was Hut aber schafft, ist, zu zeigen, welche Mechanismen in Branchen wie der Mode- und Modelindustrie greifen können. Wenn es nämlich ein derart krasses Machtgefälle gibt. Denn wo Macht ist, ist Machtmissbrauch oft nicht weit weg.
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