Am 29. April startet die neue Staffel "Die Verräter" bei RTL. Dann geht es wieder ums Täuschen und Getäuschtwerden. Wir haben mit dem Experten für Körpersprache, Stefan Verra, darüber gesprochen, woran man einen Verräter erkennen könnte, welche Strategie er selbst wählen würde und welcher Zeitraum für die Teilnehmer besonders wichtig ist.

Ein Interview

In der RTL-Show "Die Verräter", die am 29. April in eine neue Staffel geht, trifft sich eine Gruppe Prominenter in einem herrschaftlichen Anwesen zu einem Spiel. Einige der 16 Promis werden als Verräter auserwählt, die unentdeckt bleiben müssen. Der Rest, die Loyalen, müssen versuchen, die Verräter zu enttarnen.

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Es folgen Täuschungen, Verhöre, Mutmaßungen und manchmal auch Tränen. Körpersprache Stefan Verra schätzt im Interview ein, was bei der Show zum Erfolg führen könnte – und was nicht.

Herr Verra, die Show startet erst so richtig mit der Wahl der Verräter. Wie sollte man reagieren, wenn man von Moderatorin Sonja Zietlow als Verräter ausgewählt wird?

Stefan Verra: Das ist ganz simpel. Man sollte möglichst genau in seinem üblichen Verhalten bleiben. So hat man die größte Chance, tatsächlich unentdeckt zu bleiben. "Im üblichen Verhalten" heißt: Wenn ein Mensch sehr temperamentvoll ist, dann sollte er möglichst so bleiben. Ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die anderen skeptisch werden. Das kennen wir zum Beispiel aus einer Partnerschaft. Wenn dort jemand sein Verhalten ändert – nicht graduell, sondern plötzlich – dann wäre das ein Hinweis. Es ist aber nur ein Hinweis, kein Beweis!

Das bedeutet aber auch, dass man erst einmal eine Art Referenzgröße braucht, um überhaupt eine Verhaltensänderung feststellen zu können.

Vollkommen richtig. Das heißt: Menschen, die wir nicht kennen, beim Lügen zu ertappen oder in diesem Fall als Verräter zu enttarnen – das ist eher ein Raten. Diesbezügliche Studien bewegen sich immer um eine 50-Prozent-Chance, also 50:50, was also genau der Ratequote entspricht und damit ein unbefriedigendes Ergebnis ist. Deshalb ist es auch wahrscheinlicher, dass wir unsere Kinder, unseren Partner oder einen langjährigen Arbeitskollegen beim Lügen erwischen als eine wildfremde Person.

"Je mehr man an seine Lüge glaubt, desto überzeugender ist man."

Es gibt zu Beginn der Show einen Zeitraum, in dem die Rollen noch nicht verteilt sind. Wäre das eine gute Zeit, auf dieses grundsätzliche, natürliche Verhalten zu achten?

Das Allerbeste wäre hier, einen beiläufigen Blick zu behalten. Nicht darauf zu achten, welche Einzelsignale jemand gibt, sondern, ob jemand grundsätzlich lebendig ist, also eine große Frequenz und einen großen Umfang in der Bewegung hat, oder eher zurückhaltend mit einer niedrigen Frequenz und einem kleinen Bewegungsumfang. Damit kann man den Grundduktus einschätzen und dann in der Folge grobe Abweichungen eher erkennen. Das erhöht die Chance.

Gleichzeitig ist die Nervosität bei so einer TV-Produktion bei den Teilnehmern grundsätzlich und von Beginn an hoch.

Genau. Das natürliche Verhalten würde erst kommen, wenn der Körper die Situation nicht mehr als fremdartig einschätzen würde. Das konnte man vor einigen Jahren erleben, als die Show "Big Brother" neu war. Da haben die Teilnehmer ihr normales Verhalten erst dann gezeigt, als sie die Kameras nach einer gewissen Zeit vergessen haben. Solange das nicht passiert, ist es schwierig, eine Verhaltensänderung zu erkennen.

Irgendwann sind die Rollen verteilt. Was sollte man dann als Loyaler machen?

Auf eine Veränderung der Distanz achten. Menschen, die ihr Verhalten ändern, weil sie etwas im Schilde führen, verändern oft ihr Distanzverhalten. Sie suchen üblicherweise mehr Abstand zum Gegenüber. Sowohl, was die Häufigkeit des Kontakts anbelangt, als auch die Distanz beim Gespräch. Es kann also sein, dass man weiter voneinander entfernt steht, dem Anblick des Anderen nicht standhält oder Berührungen nun meidet. Aber: Das trifft immer nur auf ungeübte Lügner zu. Ein Mensch, der die Situation, andere hinters Licht zu führen, genießt, wird hier überhaupt keine Verhaltensänderung zeigen.

Wenn der Verräter seine Rolle so annimmt, dass er selber daran glaubt, dann ist seine Körpersprache von seiner normalen Körpersprache nicht zu unterscheiden. Der wissenschaftliche Hintergrund ist der, dass selbst eine Vorstellung im Gehirn wie die Realität verarbeitet wird. Wenn wir uns zum Beispiel im Kopf eine ganz große Angst zurechtlegen, reagieren wir tatsächlich panisch, Blutdruck und Herzfrequenz steigen. Je mehr man also an seine Lüge glaubt, desto überzeugender ist man.

Noch einmal kurz zurück: Sie sagen, die Distanzänderung betrifft nur ungeübte Lügner. Kann man Lügen denn üben?

Na klar, sehr gut sogar. Menschen, die häufig lügen, werden immer besser darin. Wirklich geübte Lügner erkennt man schwer bis gar nicht. Dazu gibt es große Studien, und die Quote ist immer bei 50 Prozent, also der Ratequote. Deswegen funktionieren Mentalisten und "Lügenerkenner" immer nur in der Retrospektive. Das heißt, sie sind immer wahnsinnig gut darin, im Nachhinein zu erklären, wenn jemand gelogen hat.

Und wie übt man Lügen ganz praktisch?

Indem man erstens seine Rolle übt und zweitens, indem man es häufig macht. Nehmen wir einmal den klassischen Ehebruch. Wenn der über einen längeren Zeitraum stattfindet, ist der untreue Partner bei der ersten Lüge vielleicht noch nervös, bei der 140. Lüge nicht mehr.

"Man muss tatsächlich eine Freude haben, diese Doppelrolle zu spielen."

In der Show kommt es häufig vor, dass Loyale jemanden direkt ansprechen und fragen: Bist du ein Verräter? Eine gute Strategie?

Das ist gar nicht so ungeschickt. Mit der Tür ins Haus zu fallen, kann diejenigen überführen, die ein schlechtes Gewissen haben und ein wenig ungeübt sind. Die Verräter können dem entgehen, indem sie in Gedanken so eine Frage vorher sehr, sehr oft durchgehen, also wirklich genau diese Situation vorher durchspielen. Wenn sie emotional vorbereitet sind und die Frage keine Überraschung mehr ist, dann haben sie eine höhere Chance, sich nicht zu verraten.

Jetzt kommt allerdings das große Aber: Wenn man diese Frage stellt und jemand reagiert nervös darauf, dann ist das nur ein Hinweis, kein Beweis, dass der Andere ein Verräter ist. Das ist wie beim Einsatz eines Lügendetektors. So ein Lügendetektortest macht einen Menschen auch nervös, denn auch hier wird ganz direkt gefragt, ob man gelogen hat. Man kann aber nicht unterscheiden, ob die körperliche Reaktion auf eine Lüge zurückzuführen ist oder auf die Unterstellung, man habe gelogen.

Man kann also nur herausfinden, ob jemand bei der Frage nervös wird, aber nicht, warum.

Ganz genau.

Die Verräter der vergangenen Staffeln berichten immer von einem großen innerlichen Druck, die Maskerade aufrechtzuerhalten.

Das kann zwei Gründe haben. Zum einen, dass die Situation, ein Doppelleben zu führen, tatsächlich stresst. Und es stresst dann, wenn man nicht geübt ist oder sich nicht wirklich darauf einlässt. Man muss tatsächlich eine Freude haben, diese Doppelrolle zu spielen. Zum anderen kann es aber auch die soziale Norm sein, die uns zu sagen zwingt, das Hintergehen anderer sei wahnsinnig stressig. Man will ja nicht sagen, dass es einem gefällt, andere zu belügen.

Welche Rolle spielt denn die Sympathie zum Gegenüber beim Lügen? Mit Motsi Mabuse, Joachim Llambi und Jorge González kennen sich zum Beispiel drei Teilnehmer seit vielen Jahren.

Wir Menschen haben alle ein großes Talent zum Lügen. Ich würde nicht sagen, dass man bei einem Freund weniger lügt. Das kennt jeder, zum Beispiel, wenn die Freundin sich über ein neues Oberteil freut, das ihr aber nicht wirklich steht. Dann wird man sie trotzdem anlügen. Ihr die Freude nicht zu nehmen, ist hier wichtiger, als die Wahrheit.

Es gibt unzählige Tipps, wie man Lügen erkennt, unter anderem solle man weniger auf die Mimik, sondern mehr auf die Körperhaltung achten, also zum Beispiel, ob die Füße zur Tür zeigen. Damit würde man angeblich ausdrücken, dass man am liebsten aus der Situation fliehen möchte. Was halten Sie von solchen Tipps?

Da geht es weniger darum, was ich davon halte, sondern, was die Wissenschaft dazu sagt, und das ist: Bullshit. Füße zur Tür, Meiden von Blickkontakt – all diese Signale sind keine verlässlichen Hinweise. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg, dass das stimmt. Die Körpersprache eignet sich einfach nicht dazu, Lügner zu überführen. Wir können die körperliche Reaktion zwar sehr wohl erkennen, wir können aber nicht erkennen, aus welchen Gründen diese Reaktion erfolgt. Der Grund kann natürlich sein, dass man gelogen hat – aber auch, dass man auf die Toilette muss oder generell nervös ist. Die Körpersprache eines Menschen ist kein Lügendetektor.

"Ich würde mich vor allem auf das Bauchgefühl verlassen."

Gibt es dennoch etwas, das die Loyalen machen können? Was wäre Ihre Strategie, um einen Verräter zu enttarnen?

Ich würde sehr wohl das grundsätzliche Verhalten beobachten, aber ich würde mich vor allem auf das Bauchgefühl verlassen, gerade, wenn ich die Leute nicht gut kenne. Unser Gehirn nimmt sehr, sehr viele Informationen auf. Das Bauchgefühl wiederum ist nichts anderes, als die Menge an Daten, die wir wahrgenommen haben, die uns aber noch nicht bewusst sind. Der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann hat es einmal so formuliert: Ein Bauchgefühl ist eine Sinneswahrnehmung, die noch nicht verbalisiert werden kann.

Ich beschäftige mich seit 25 Jahren mit Körpersprache und kann sagen, dass ich bei dieser Show keine höhere Erfolgsquote hätte als jemand, der sich noch nie damit beschäftigt hat. Das Bauchgefühl ist für jeden Menschen gleich und in dieser Sendung wertvoller, als jedes Pseudo-Analysieren irgendwelcher Fußrichtungen. Ich hätte bei dieser Sendung allerdings gar nicht mitgemacht.

Oh, warum?

Weil ich ja weiß, worauf die Show abzielt: dass herumgeraten wird. Dass suggeriert wird, es gäbe Hinweise, an denen man Lügen erkennen könnte. Das verstärkt unwissenschaftliches Denken über Körpersprache. Vielmehr könnte die Lehre aus dieser Show sein, dass man von außen nicht annähernd zuverlässig sagen kann, ob jemand lügt.

Was wäre denn Ihre Strategie als Verräter?

Ich würde versuchen, mich vollkommen in die Rolle zu versenken. Mich richtig wohlzufühlen darin und alle Eventualitäten mental durchzuspielen. Dann bliebe meine Körpersprache immer gleichförmig.

Tatsächlich passiert es häufig, dass jemand in der Runde einen Verdacht äußert und die anderen entdecken dann plötzlich irgendetwas Logisches in diesem Verdacht und übernehmen ihn.

Das ist die berühmte Selffulfilling Prophecy. Man hat die Annahme, jemand sei ein Verräter, und will dann zeigen, dass die Annahme richtig ist. Man versucht also, zu verifizieren, und das ist unwissenschaftlich. Damit läuft man ins Verderben. Man müsste eigentlich falsifizieren, sich also bei jedem Hinweis fragen, ob derjenige sich auch aus einem anderen Grund so verhalten haben könnte. Erst, wenn man keinen Grund mehr findet außer dem, dass der andere gelogen hat, kann man sicher sein.

Noch eine persönliche Frage: Sie haben schon gesagt, dass Sie an der Show nicht teilnehmen würden, aber wenn doch: Für welche Seite würden Sie sich entscheiden: Verräter oder Loyaler?

Ich glaube, für die Verräter. Es ist reizvoller, sich in eine solche Situation hineinzuversetzen. Es ist vor allem auch selbstbestimmter, denn hier müsste ich geschickt sein. Die anderen sind ja darauf angewiesen, dass sie das Gras wachsen hören, also aus nichts eine Theorie erzeugen. Das ist ein Herumstochern im Dunkeln, vor allem aber eine Frage der Gruppendynamik. Denn plötzlich sind alle einer Meinung: "Ah, der muss der Verräter sein!". Das ist gruppendynamisch interessant, aber als persönliche Herausforderung wäre das Verrätersein spannender.

Über den Gesprächspartner

  • Stefan Verra ist ein österreichischer Experte für Körpersprache. Der 52-jährige Tiroler hat zahlreiche Bücher über Körpersprache veröffentlicht und hält Vorträge und Seminare zum Thema. Seine Website: www.stefanverra.com