Pflichttermin oder Ekel-Enttäuschung: Am 10. Juni ist die erste Staffel von "BÖsterreich" zu Ende gegangen. Wir ziehen Bilanz: Was hat sich Fieses, Geschmackloses und Kurioses getan? Konnte die "Parade des Grindigen" halten, was sie versprochen hat und – wie geht es weiter?

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Planet "BÖsterreich"

Der ORF lockte mit dem neuen "DIE.NACHT"-Format als einer "Sightseeing-Tour in die emotionalen Hinterhöfe und abgründigen Kellergassen". Seit dem 1. April 2014 wurden die grotesken Fratzen, Unsympathen und Albträume der österreichischen Gesellschaft entfesselt: Tierhasser, Frauenmörder, Penisneider. Dabei schafften es die "BÖsterreich"- Protagonisten Nicholas Ofczarek und Robert Palfrader mit Figuren wie dem Jugendseelsorger Gisbert, echten Ekel zu erzeugen. Doch meistens ging es zu grotesk zu, um wahr zu sein: Die Tour führte nicht durch reale Alltags-Abgründe, sondern an Orte, die den Naturgesetzen gern widersprechen.

"Wir haben versucht, Österreich in einem Paralleluniversum abzubilden - mit leichten Korrekturen der Realität. Aber wir bilden halt nicht Österreich, sondern Bösterreich ab", erklärte Robert Palfrader in einer ORF-Meldung. In "BÖsterreich" fungieren Engel als Türsteher, warten Leberkas-Verkäufer hinter Bäumen und ist das Zähneputzen auf Schultoiletten verboten.

Zehn Folgen, 80 Rollen

In nur zehn 30-minütigen Folgen bringen es Ofczarek und Palfrader auf jeweils fast 40 Rollen. Manche haben nur kurze Auftritte, andere tauchen gleich in mehreren Episoden auf und werden fast zu alten Bekannten. Eine echte Höchstleistung, was Maske, Requisite und das Repertoire der beiden Akteure vollbringen. Es gab stets Neues, Gastauftritte anderer Darsteller und viel Liebe zum Detail, sodass Langeweile kaum aufkommen konnte.

Dazu trugen ebenso die eleganten Übergänge von einer Geschichte zur nächsten bei, die jeder Episode einen abwechslungsreichen Fluss verleihen konnten – manchmal mit etwas abruptem Ende.

Blut, Exkremente und ein Riesenpenis

"BÖsterreich" befindet sich jenseits des guten oder schlechten Geschmacks. Es gibt Tote, Verletzte, Blut, Fäkalien, nackte Tatsachen und entlarvte Tabus. Das Wartezimmer des Swinger-Clubs beantwortet beispielsweise die Frage, warum man bei Schnupfen keine Latex-Maske tragen sollte. Der Blick in die psychiatrische Praxis enthüllt, dass vor lauter Kastrationsängsten sogar der Psychiater sein bestes Stück verlieren kann. Solche Szenen sind vielleicht nicht zum Brüllen komisch, doch sie loten neues Terrain aus.

Überschritten war die Geschmacks-Grenze für den ORF nur einmal: Ein nackter Swinger-Club-Besucher trägt einen überdimensionalen Penis zur Schau. Deshalb wurde die zweite Folge von "BÖsterreich" nicht in die ORF-Mediathek aufgenommen.

Was sagt die Quote?

Der Sendeplatz dienstags gegen 23 Uhr gilt als schwierig. Trotzdem schaffte die erste Folge einen Super-Start mit 322.000 Zuschauern, beziehungsweise 22 Prozent Marktanteil. Die Neugier war also groß, blieb allerdings nicht erhalten. Schon bei Folge fünf waren es nur noch 186.000 Zuschauer. Ob das dem ORF für eine Fortsetzung reicht?

Wie geht es weiter?

So wie die einzelnen Folgen scheinbar wahllos im Geschehen ansetzen und die Schauplätze wieder verlassen, ließe sich das Konzept von "BÖsterreich" unendlich fortführen. Von der vergleichbaren Serie "Little Britain" gibt es schließlich ganze vier Staffeln. Doch wer braucht die wirklich? Vielleicht ist es eine weise Entscheidung von Machern und Darstellern, sich zuerst neuen Projekten zu widmen. Die Dreharbeiten der nächsten TV-Serie von Produzenten David Schalko und John Lüftner laufen bereits. Auch bei "Altes Geld" sind Ofczarek und Palfrader dabei, Sendetermin voraussichtlich im ersten Halbjahr 2015.

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