Auch in der dritten Folge der "Balkan-Hochzeiten" sollen uns die Vermählungsbräuche der Balkan-Kulturen nahegelegt werden. Leider sind nicht alle gezeigten Feiern auch Hochzeiten – und der Lerneffekt wird auch recht dünn ...

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Genzel dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Rebecca hat schwere Ränder unter den Augen. Sie hat seit Wochen nicht mehr geschlafen, sagt sie. "Aber das gehört dazu", lacht die junge Braut. Recht so: Wer heiraten will, sollte gleich zur Eingewöhnung ein bisschen leiden.

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Rebecca und ihr schöner Ünal sind zwei weitere Protagonisten der ATV-Show "Balkan-Hochzeiten", in denen ein eifriges Kamerateam in jedes Wiener Eck geht, wo ausgiebig und teuer gefeiert wird. Immerhin haben wir in den vergangenen zwei Folgen schon gelernt, dass wir da mitunter von 2.000 Gästen und 100.000 Euro Kosten reden.

Ünal freut sich jedenfalls auch sehr auf die bevorstehende Trauung und erklärt, worauf sein Hauptaugenmerk liegt: "Die Familie ist sehr wichtig, und dass sie auf jeden Fall eine Jungfrau ist". Eine Waage würde wohl vom Temperament her nicht passen? Wir hoffen jedenfalls, dass der junge Mann in der Hochzeitsnacht nicht enttäuscht weinen muss.

Aber der Bursche ist eben noch einer von der altmodischen Schule, was sich auch in seinen romantischen Komplimenten ausdrückt: "Ich bin froh, dass ich die Rebecca kennengelernt habe. Es könnte auch jemand anderer sein." Meint er sich oder sie?

Der heiratet ja gar nicht!

Streng betrachtet gibt es zwei Komponenten, die man von einer Sendung erwartet, die "Balkan-Hochzeiten" heißt: Man sieht Hochzeiten, und die Brautpaare stammen vom Balkan. Zumindest letzteres wird hier auch eingehalten, auch wenn man darüber streiten mag, wie sehr die Türkei zum Balkan zählt. Wahrscheinlich heißt "Balkan" hier ohnehin einfach "Wien".

Auf die Hochzeiten dagegen kann man sich nicht unbedingt verlassen. Eine der gezeigten Feiern, von einer Roma-Familie organisiert, dreht sich um den einjährigen Alex. Nein, der ist kein Frühstarter in Sachen Brautschau: Hier werden sein erster Geburtstag und seine Taufe gefeiert.

Die dazugehörige Feier umfasst einmal mehr zigtausend Leute. Roma seien eben sehr gesellig, wird uns erklärt: Da gehören die Cousins höheren Grades ebenso dazu wie Großtanten und anderer Anhang. Eine freundliche Frau erklärt uns den Unterschied zur hiesigen Feier: "Bei österreichischen Festen ist es so, dass es dezent ist: eben wenig, dezent, nicht viel." Ah ja.

Der kleine Alex kriegt zum Geburtstag eine 1,4 Meter große Micky-Maus-Torte präsentiert und wird mit Krone auf dem Haupt in einem Tretauto in den Festsaal gefahren. Er sieht nicht so aus, als wüsste er den Aufwand wirklich zu schätzen, und geht hinter dem Lenkrad in Deckung. Ob er vom 130-Kilo-Kalb, das als Vorspeise serviert wird, etwas abkriegt, bleibt undokumentiert.

Hauptsache Feier!

Manchmal scheinen die Macher selber gar nicht zu wissen, auf welche Feier sie da geraten sind. Eine gezeigte Festlichkeit wird beständig nur als "kroatische Feier" bezeichnet, Ist es eine Hochzeit, eine Geburtstagsfeier, eine Beerdigung oder ein Jubelfest zur Oscar-Verleihung? Egal: Die Sendung konzentriert sich lieber auf Trachtenmode und Schnaps.

Immerhin erfahren wir, dass die gezeigten jungen Menschen gerne feiern. "Wenn's nicht Spaß machen würde, würde ich drauf scheißen", erklärt einer der Gäste freudestrahlend in die Kamera. Danke für die Auskunft. Was wir wohl noch in der letzten Folge lernen werden?



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