Die Sängerin Asmahan besangt 1944 "Rauschende Nächte in Wien". Ein Dokumentarfilm zeigt das Leben der jung gestorbenen Musikerin, die noch heute Vorbild für Gleichberechtigung ist - und das ausgerechnet als Syrerin.
Sie besang die "rauschenden Nächte in Wien" und setzte der österreichischen Hauptstadt ein Denkmal: Die ursprünglich aus Syrien stammende Prinzessin Asmahan, 1918 geboren, wurde in Ägypten mit nur einem Lied zum Star, bevor sie 1944 bei einem Autounfall ums Leben kam. Die Dokumentation "Asmahan – Rauschende Nächte in Wien" beleuchtet ihr Leben – und zeigt, wie das bei uns völlig unbekannte Lied noch heute einen Widerhall findet, auch wenn die Realität mittlerweile anders aussieht.
In ihrem Hit "Euphoric Nights in Vienna" besingt Asmahan unsere Hauptstadt als Garten Eden. Das war 1944 – im selben Jahr also, als die von den Nazis besetzte Stadt von den Alliierten aus der Luft angegriffen wurde, wobei zahllose Gebäude zerstört wurden und Tausende von Menschen ums Leben kamen. Asmahans klangvolles Wien ist davon unbelastet: Es ist eine romantische Stadt der Feierlichkeiten und der Musik, ganz so wie schon bei Johann Strauss.
Asmahan - Völkerverständigung und Emanzipation
Der Film zeigt in alltäglichen Impressionen auf beiden Seiten - Orient und Okzident - die Diskrepanzen zwischen früher und heute; zwischen dem, was da besungen wird, und dem, wie es in Wirklichkeit aussieht. In den 1930er- und 1940er-Jahren war Ägypten ein Land, das Menschen verschiedener Herkunft gerne empfangen hat – und das paradiesische Bild von Wien setzte sich bei manchen Menschen so sehr im Kopf fest, dass sie die Stadt unbedingt kennenlernen wollten.
Heute stoßen Flüchtlinge, die etwa aus Ägypten nach Österreich kommen, hauptsächlich auf Ablehnung. Eine ältere Frau sagt in einem traurigen Interviewmoment über Asmahan und Wien: "Wenn sie hier gelebt und das Gleiche erfahren hätte wie ich, würde sie nicht 'Rauschende Nächte in Wien' singen."
Für manche ist Asmahan eine Botschafterin der Völkerverständigung – was sich auch in ihrem Gesangsstil zeigt: Sie war eine der ersten Sängerinnen des arabischen Raums, die klassische westliche Stimmtechniken anwandte. Fast bedeutsamer für die heutige Generation ist ihre emanzipatorische Vorreiterrolle: Asmahan gilt als Ikone der modernen, unabhängigen Frau – was nicht nur in einem konservativ geprägten Land wie Ägypten heute noch ein kraftvolles Vorbild darstellt. In der Doku erläutert eine Frau, wie Asmahan öffentlich Ins Casino ging oder rauchte - was absolut verpönt war. Tätigkeiten, die selbstverständlich erscheinen, es aber keinesfalls waren und sind.
Es war ein tragischer Unfall, bei dem Asmahan 1944 starb: Ihr Wagen kam von der Straße ab und stürzte in einen Fluss. Der Fahrer konnte sich retten, aber Asmahan und ihre Freundin, die beide auf dem Rücksitz saßen, ertranken. Asmahan steckte gerade in den Dreharbeiten zu ihrem zweiten Spielfilm "Liebe und Vergeltung", der dann mit einem Double fertiggestellt wurde.
Asmahan – Mythos und Legende
Um diesen verfrühten Tod ranken sich zahlreiche Legenden – ebenso wie um Asmahan selbst. Es heißt, ihr Tod habe zu einem Fluch geführt: Sowohl der Fahrer als auch ein Ex-Ehemann von Asmahan starben wenig später ebenfalls. Nicht minder morbide ist eine andere Geschichte, die im Film erzählt wird: Eine Frau, die eine große Verehrerin von Asmahan war, wartete in der Hotellobby auf ihr Idol – und wurde versehentlich von einem herabkommenden Fahrstuhl geköpft. Die Frau wird auch die "Märtyrerin von Asmahan" genannt. Etwas unheimlich ist auch ein Fernsehinterview mit Youssef Wahby, dem Regisseur von Asmahans zweitem Film. Er erzählt, er habe ihren Geist gesehen – der ankündigte, bei der Premiere des Streifens auf einem Stuhl neben ihm sitzen zu wollen.
Sogar Spionin soll Asmahan gewesen sein: Es heißt, sie habe für den britisch-französischen Völkerbund bei dessen Invasion von Syrien geholfen, weil dem Land Unabhängigkeit versprochen wurde. Sie soll sogar zu den Deutschen Kontakt gehabt haben. Völlig unplausibel ist die Agentengeschichte nicht: Asmahan war mit dem Drusenführer Sultan al-Atrasch verwandt, der als Generalkommandant der Syrischen Revolution fungierte. Trotz der Beteuerung eines Interviewpartners im Film, dass Asmahan immer Geld brauchte, weil sie den Luxus liebte, und deswegen lukrative Spionageangebote nicht abgeschlagen hätte, ist die Geschichte mit Vorsicht zu genießen: Sie wurde nach ihrem Tod von der Regenbogenpresse verbreitet, die Asmahans Autounfall wahlweise dem britischen Geheimdienst, der deutschen Gestapo oder sogar ihrem Ehemann in die Schuhe schob.
Asmahan – Moderner Wunschtraum
Solche Legenden haben keinen geringen Anteil daran, dass man sich selbst so viele Jahrzehnte nach ihrem Tod an eine Sängerin erinnert, die nur rund 30 Lieder und zwei Filme hinterlassen hat. Wichtiger ist das, wofür Asmahan steht – oder sich in ihre Person hineinlesen lässt: Sie erinnert an eine vielleicht utopische, aber im Kern wahre Zeit des kulturellen Austauschs, der Offenheit gegenüber der fremden Welt: Und sie lebte als unabhängige Frau ein Vorbild, das immer noch Anziehungskraft besitzt.
Letztlich zeigt ihre ungebrochene Popularität in Ägypten, welche Sehnsucht nach dem besteht, was sie repräsentiert. Und auch wenn Regisseurin Azza El-Hassan in einer eindringlichen Sequenz davor warnt, sich zu sehr dem Götzendienst hinzugeben und Idole bis ins Unwirkliche hochzujubeln: Es bleibt zu hoffen, dass Asmahans Vision von der Verständigung und der Gleichbereitung Wirklichkeit wird.
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