Mit seiner neuen Show "Experte für alles" versucht sich Klaas Heufer-Umlauf diesmal an einem Verbrauchermagazin für skurrile Themen. Zum Auftakt will der Moderator am Dienstagabend etwa wissen, wo man sein Gras lieber kaufen sollte – in der Apotheke oder auf der Straße. Ist das hilfreich? Kann gut sein. Ist das unterhaltsam? Kommt darauf an.
Will man sich "Experte für alles", der neuen Show von
Und genau das könnte auch einer der Gründe sein, warum sich Heufer-Umlauf mit "Experte für alles" an einer Art Verbraucher-Show versucht hat. Wie die Late-Night-Show ein alteingesessenes TV-Genre mit festen Strukturen und Erzählweisen und alleine deswegen schon reizvoll genug für Heufer-Umlauf, dem Ganzen neues Leben einzuhauchen.
Dass Heufer-Umlauf mit einer Show, in der es darum geht, alles Mögliche zu testen, auch seine generelle Neugier befriedigen kann, dürfte ein netter Nebeneffekt für ihn sein, den er am Dienstagabend auch so beschreibt: "Ich habe mir vorgenommen, selber sehr viel zu lernen."
"Wo gibt es das bessere Cannabis?"
Der dritte Grund, warum sich der Moderator für ein solches Format entschieden hat, dürfte an dem Aufbau der Show liegen. Denn wie in all seinen anderen Shows wie "Joko & Klaas gegen ProSieben" oder "Das Duell um die Welt", hält sich Heufer-Umlaufs Vorarbeit in Grenzen. "Jede Woche weiß ich nicht, was heute in der Sendung passiert", erklärt der Moderator in der Auftaktfolge das Konzept. Er bekommt in der Show ihm unbekannte Themen gereicht, die an dem Abend getestet werden, er muss das Ganze lediglich in aller Spontaneität durchmoderieren.
Eine Vorbereitung gibt es also nicht, aber wenn Klaas Heufer-Umlauf etwas kann, dann ist es improvisiertes Moderieren. Und so steht er da am Dienstagabend im Studio, genießt den langen Applaus des Publikums und erklärt ihm, dass er eben auch nicht wisse, was an diesem Abend in der Sendung passiert. Das einzige, was er versprechen könne, sei ein Erkenntnisgewinn am Ende der Show, etwas, das es zum ersten Mal bei ProSieben gebe. Beides Aussagen, die nicht ganz der Wahrheit entsprechen, was nicht zuletzt an der Auswahl der Themen liegt.
"Dealer vs. Apotheke: Wo gibt es das bessere Cannabis?" lautet die erste Frage, die Heufer-Umlaufs Team für ihn ausgesucht hat und mit einem "Möchte jemand darüber reden?" gibt Heufer-Umlauf die Frage an sein Studio-Publikum weiter. Der Mann, der im Publikum antworten wollen muss, bekommt einen schwarzen Balken zur Anonymisierung aufgesetzt und gibt so den ersten Hinweis, wohin der Wind in puncto Seriosität und Humor in den kommenden knapp 60 Minuten wehen wird.
Wie ist der Service beim Dealer?
Denn der "große Cannabis-Test" ist ein Stück Ratgeber-TV, das das Genre durch Imitation zuerst ernst nimmt, um es dann genüsslich und sarkastisch-ironisch auseinander zu nehmen. Das beginnt bei der absurden Fragestellung, bei der legales Cannabis aus der Apotheke mit illegalem Cannabis von einem Drogendealer aus dem Görlitzer Park in Berlin verglichen wird, und reicht bis zu den Test-Kategorien, bei denen Verfügbarkeit, Service, Preis, Geschmack und Wirkung miteinander verglichen werden.
Heufer-Umlaufs Neugier in Ehren: Der Moderator ist zwar wissbegierig, in allererster Linie ist er aber TV-Unterhalter. Deswegen geht Heufer-Umlaufs Sidekick, Jakob Lundt, in der folgenden Test-Reportage auch zuerst zu Menschen auf der Straße, die, sofern man das sagen kann, auf den ersten Blick nicht aussehen, als würden sie Cannabis konsumieren, und fragt: "Ist die Apotheke schon in der Szene angekommen?"
Deswegen spricht der Off-Sprecher Ratgeber-TV-Sätze wie "Wir testen einige der Cannabis-Verkaufsstellen im Park", meint damit aber einfach nur den Gang zum Dealer oder erklärt die Ausweispflicht bei der Bestellung des Cannabis in der Apotheke zu einem "charmanten Marketing-Gag, der das Produkt exklusiver erscheinen lässt." Das ist alles mit Liebe zum Details gemacht, könnte aber auch eine Rubrik aus Heufer-Umlaufs eben erst eingestellter Late-Night-Show sein.
"Ist das Schlimmste an Kokain 'versteckte Kosten'?"
Das wäre in puncto Originalität auch völlig in Ordnung, solange man die Frage "Ist es denn auch unterhaltsam?" mit einem "Ja" beantworten kann. Aber kann man das? Ja – sofern man es schafft, sämtliche moralischen, rechtlichen und medizinischen Maßstäbe beiseite zu lassen. Dann kann man darüber lachen, dass der Off-Sprecher fragt "Wird im Görlitzer Park Kundenfreundlichkeit wirklich großgeschrieben?" oder beim Vergleich zwischen Dealer und Apotheke zu dem Ergebnis kommt: "Die Produktauswahl ist allerdings beschränkt."
Etwas schwieriger mit dem Humor wird es, als der Dealer im Park als "Aktionsangebot" noch weitere Drogen anbietet und der Off-Sprecher dies mit "Das Angebot von Kokain und Cannabis im Paket ist illegal und enthält womöglich versteckte Kosten" kommentiert und einen Punkt abzieht. Da hält Heufer-Umlauf die eingespielte Reportage kurz an und fragt: "Ist das Schlimmste an Kokain 'versteckte Kosten'? Es gibt mehr Sachen, die nicht gut an Kokain sind, als die 'versteckten Kosten'."
Der Grad der Unterhaltung hängt also direkt mit der Fähigkeit des Zuschauers zusammen, Fünfe gerade sein zu lassen, aber wie steht es um den versprochenen Erkenntnisgewinn? Um den geht es tatsächlich am allerwenigsten, was aber nicht heißt, dass es ihn nicht gibt. Und so liest Heufer-Umlauf am Ende zum Beispiel vor, was denn alles so drin ist, im Cannabis von der Straße: "Spuren von gefährlichen Pestiziden, Haarspray, Kokain, MDMA, Ketamin, Crystal Meth, Influenza, Rhinovirus, Covid 19, E-Coli-Bakterien und in 65 Prozent der Fälle Menschenscheiße." "Nur damit man das mal weiß, was man da so kauft", erklärt Heufer-Umlauf und zieht mit einem persönlichen Fazit einen Schlussstrich unter den Cannabis-Test.
"Experte für alles": die Persiflage eines Verbrauchermagazins
Damit ist bereits die Hälfte der Sendezeit verbraucht, den Rest verbringt der Moderator damit, dass er und Palina Rojinski die Tipps eines Rhetorik-Coaches umsetzen, um als erfolgreich wahrgenommen zu werden; ein Redakteur testet, ob ein Leben als Straßenmusiker auch dann einträglich ist, wenn man gar kein Instrument spielen kann und zu guter Letzt fährt Rapperin
Der Witz an dieser Aktion liegt zum einen darin, dass man Shirin David wohl nicht zutraut, dass sie als der Star, der sie nun mal ist, noch selbst Reifen wechselt. Zum anderen aber ist David selbst witzig, etwa als sie über ihr Können beim Reifenwechseln zugibt: "Ich hab's auch nicht direkt bei einem Ferrari gelernt – sondern bei einem Rolls Royce." Der Humor ist aber spätestens dann vorbei, als David den wahren Grund ihres Kommens verrät und Werbung für die kommende Staffel "The Voice of Germany" macht, in der sie in der Jury sitzt. Sei’s drum.
Am Ende der knapp 60 Minuten landet man aber dann doch wieder bei "Late Night Berlin", der Show, die Klaas Heufer-Umlauf bereits durchgespielt hat. Denn mit "Experte für alles" macht sich Heufer-Umlauf wieder daran, ein TV-Genre unterhaltsamer, weil witziger zu machen. Gelingt ihm das? Jein. Denn "Experte für alles" ist kein witzigeres Verbrauchermagazin, es ist die Persiflage eines Verbrauchermagazins. Weil aber ein Witz flüchtiger ist, als der Ernst, kann man davon ausgehen, dass Heufer-Umlauf diesmal nicht wieder ganze sieben Jahre braucht, um dieses TV-Genre durchzuspielen. Dafür ist er auch viel zu neugierig.