David Schalkos neue Serie "Altes Geld" zeichnet das Bild einer betuchten und völlig kaputten Familie, bei der Intrigen, Inzest, Erpressung und Mord auf der Tagesordnung stehen. Es ist ein bitterböser Zerrspiegel der sogenannten hohen Gesellschaft – eine komplexe aber monotone Geschichte.
Familie Rauchensteiner macht sich nicht einmal sonderlich Mühe, zwischenmenschliche Abgründe unter den Teppich zu kehren. Patriarch Rauchensteiner ist ein Nazi-Nachfahre, der im hauseigenen Museum die Limousine des Führers und aus jüdischer Menschenhaut gefertigte Handschuhe als Fetischobjekte aufbewahrt. Die Tochter schläft mit dem Bruder – nur per Analverkehr, versteht sich, um nicht versehentlich degenerierte Kinder in die Welt zu setzen. Die Ehefrau schläft mit dem Stiefsohn und mit dem persönlichen Hausarzt ihres Mannes, und schmiedet auch gleich Pläne für das Ableben ihres Gatten. Sie alle befinden sich in einem gefühlstauben Schwebezustand, in dem nichts mehr wehtut – außer der Aussicht, Geld und Macht zu verlieren.
Das starre Gefüge dieser familiären Alltagsperversion droht auseinanderzufallen, als der alte Rauchensteiner erfährt, dass er sterben muss, wenn er nicht alsbald eine Lebertransplantation erhält. Auf offiziellem Wege ist aber keine Spenderleber aufzutreiben – weshalb das Familienoberhaupt eine hohe Summe als Belohnung für denjenigen aussetzt, der ihm auf anderem Weg eine besorgt. Er setzt damit ein Intrigenspiel höchsten Grades in Bewegung, in dem nicht nur den Familienmitgliedern jedes Mittel recht ist, um an Rauchensteiners Vermögen zu kommen.
Eine komplexe, aber monotone Geschichte
Es ist eine komplexe, ausufernde Handlung, die "Braunschlag"-Regisseur David Schalko mit seiner achtteiligen Serie "Altes Geld" aufzieht. Er selber bezeichnet die Saga dieser dysfunktionalen Dynastie als "Dallas für Geistesgestörte" – ein griffiges Label, das aber auch prompt das Problem seiner Geschichte andeutet: In der Suche nach dem Extrem, in seiner unbedingten Abgründigkeit ist Schalkos Perversionsportrait eine erstaunlich monotone Angelegenheit.
In der Welt von "Altes Geld" existiert nur das Niederträchtige, das Bodenlose – jede Handlung, jede Regung und jeder Satz schlagen in dieselbe Kerbe. Es ist durchaus bemerkenswert, wie vehement und unnachgiebig Schalko hier den sarkastischen Schmerz sucht – aber gleichzeitig nimmt er seinen Boshaftigkeiten damit jegliche Dynamik, lässt jede Reibefläche in einem Meer aus süffisantem Gift verschwinden.
Boshaftigkeiten ohne Erkenntnis
Wo kein Gegenpol existiert, wird das Gemeine zur Normalität – und vielleicht soll genau das gezeigt werden, aber abwechslungsreicher wird das thematische Feld auf sechs Stunden Lauflänge damit kaum. Vielleicht drängt sich der Vergleich auf, weil die Geschichte durchweg von getragenen Klavierklängen begleitet wird, aber die Serie fühlt sich an, als würde jemand 360 Minuten lang denselben düsteren Akkord am Piano anschlagen.
Dass die Geschmacklosigkeiten so schnell eintönig werden, liegt einerseits daran, dass man immer wieder das Gefühl hat, dass sie hauptsächlich zum Zwecke der Provokation aufgefahren werden. Die Serie stellt sich immer wieder selber aus: Schaut, wie abgründig! Es hat andererseits aber auch damit zu tun, dass hinter dem genüsslichen Auskosten der Abgründe nichts zu finden ist. Alles lässt sich unter der Erkenntnis "Geld und Macht verderben den Charakter" subsummieren – die natürlich überhaupt keine ist. Man schaue im Vergleich, welch menschliche Vielfalt ein Helmut Dietl aus seinen gesellschaftlichen Zerrspiegeln gezaubert hat.
Großartige Schauspieler, flache Rollen
Schalko konnte für sein Ensemble eine absolute Schauspielelite für sein Ensemble zusammenstellen – die auch durch die Bank ihre Rollen mit Genuss zelebriert. Udo Kier spielt den Patriarchen mit seiner ihm typischen Entrücktheit, daneben agieren Sunnyi Melles, Nicholas Ofczarek, Manuel Rubey, Nora von Waldstätten, Robert Palfrader, Cornelius Obonya und eine ganze Kolonne weiterer bekannter Namen und Gesichter. Sogar der einstige Fassbinder-Schauspieler Ulli Lommel taucht in einer Rolle auf, in der er wie Beat-Autor William Burroughs über den Schirm knarzen darf.
Aber so monothematisch wie die Handlung fallen auch die Charaktere aus: Die Figuren sind allesamt genau das, was man von ihnen sieht, und nicht mehr. Sicher, es geschieht vieles mit ihnen – Stiefsohn Zeno muss sich sogar einer Lobotomie unterziehen und stolpert danach als sabbernder Idiot durch die Szenerie, ohne dass es viel Entsetzen hervorrufen würde. Aber keine Figur darf verborgene Seiten zeigen, darf Zwiespälte durchleben, Überraschungen offenbaren – sie verkörpern immer, zu jeder Sekunde die boshafte Idee, die hinter ihnen steckt. Auch das mag durchaus gewollt sein, sorgt aber für keinerlei Erkenntnisse.
So versinkt "Altes Geld" nach und nach in seinem eigenen satirischen Sumpf. Was mit amüsantem, unerbittlichem Spott beginnt, wird immer mehr zur Wiederholung. Am Ende schließt die Serie ihren erzählerischen Kreislauf: Die Verhältnisse bleiben so, wie sie waren, und je mehr sich die Dinge ändern, desto größer die Gewissheit, dass alles gleich bleibt. Ein Jammer, dass der lange Weg dorthin sonst nichts zu Tage gebracht hat.
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