In ihrer gerade erschienenen Autobiografie "Ich war mein größter Feind" berichtet die beliebte "Tatort"-Kommissarin von ihrem Leben zwischen Selbstmordversuchen und Karriereerfolgen.

Ein Interview

Bibi Fellner, die melancholische Ermittlerin mit dem Alkoholproblem und den Ecken und Kanten ist sowohl in Österreich als auch in Deutschland eine der beliebtesten Kommissarinnen der "Tatort"-Reihe.

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Trifft man Adele Neuhauser, jene Frau, die die Figur verkörpert, mag sie auf den ersten Blick so gar nicht zu "ihrer" Bibi passen. Denn die Schauspielerin ist in Gesprächen stets offen, kennt keine Allüren und strahlt diese besondere Ruhe aus, die nur Menschen besitzen, die ihre innere Mitte gefunden haben.

Liest man Adele Neuhausers gerade erschienene Autobiografie "Ich war mein größter Feind" (Verlag Brandstätter) wird hingegen deutlich, dass auch die 58-Jährige in der Vergangenheit viele Schicksalsschläge hinnehmen musste: Nach der Trennung der Eltern blieb Neuhauser als Kind beim Vater, doch die Scheidung der Eltern setzte der damals Neunjährigen mit schweren Folgen zu.

Es folgten bis zum Alter von 21 Jahren sechs Selbstmordversuche – und schließlich eine Karriere als Theater- und Fernsehschauspielerin. Wir haben mit der Künstlerin über ihre bewegte Kindheit, den Weg aus der Krise und ihren "Tatort"-Erfolg gesprochen.

Frau Neuhauser, der Titel Ihrer Autobiografie lautet "Ich war mein größter Feind". In welcher Hinsicht waren Sie das – und warum sind Sie es jetzt nicht mehr?

Adele Neuhauser: Ich denke, dass jeder einmal das Gefühl hatte, sich selbst im Weg zu stehen, so auch ich. Ich stand mir viele Jahre im Weg, litt lange Zeit unter einem großen Minderwertigkeitskomplex und hatte auch in jungen Jahren schwere Depressionen. So wurde ich zu meinem "größten Feind". Heute habe ich mit mir den Frieden gemacht und kann sogar sagen, dass ich mich mag.

Sie schreiben sehr offen über Ihre Selbstmordversuche. Ist es Ihnen schwer gefallen, diese Seite Ihres Lebens zu thematisieren?

Es ist mir nicht schwer gefallen, ich habe mich ja, glücklicherweise, überlebt. Außerdem habe ich schon vor Jahren offen darüber gesprochen, weil ich die Hoffnung hatte, Betroffenen zeigen zu können, dass man aus diesen bedrückenden und bedrohlichen Situationen auch wieder rauskommen kann.

Sie schreiben auch darüber, dass Sie dann eines Tages mit den Suizidgedanken aufgehört haben. Was hat Ihnen dabei geholfen?

Ich habe mir eingestehen müssen, oder besser gesagt, eingestehen können, dass ich am Leben bleiben will und noch so viel erleben möchte!

Sie sind in zwei Welten aufgewachsen – ist Ihnen das Griechische oder das Österreichische näher?

Ich glaube das hält sich die Waage. In jungen Jahren wollte ich "nur" Griechin sein, aber heute weiß ich, dass ich schon ganz früh auch Österreicherin war und bis heute gerne bin.

Welche Rolle spielt das Waldviertel in Ihrem Leben?

Ich liebe das Waldviertel. In meiner Kindheit war ich oft bei meinen Großeltern in Gutenbrunn und wir unternahmen viele Wanderungen. Schon damals habe ich diese mystische Landschaft zutiefst anregend auf meine Fantasie empfunden.

Das Theater war lange Ihre Heimat, dann kam das Fernsehen. Sie erwähnen im Buch auch, dass Sie plötzlich auf der Straße erkannt wurden. War es schwer, mit solch einer breiten Berühmtheit umzugehen?

Nein. Es war nie belastend oder unangenehm erkannt zu werden, auch wenn es ganz seltene Momente gab, wo der Zeitpunkt für ein Zusammentreffen mit einem Fan vielleicht nicht ganz glücklich war. Einen solchen Moment beschreibe ich auch in meinem Buch.

In Österreich sind Sie vor allem als Bibi Fellner im "Tatort" bekannt. Was hat diese Rolle für Ihre Karriere bedeutet – und warum steht Ihnen die Figur der Bibi Fellner nahe?

Ich würde meine Sichtbarkeit gerne noch um die Fernsehserie "4 Frauen und 1 Todesfall" erweitern. Die Rolle der wilden Großbäuerin "Julie Zirbner" hat mir erst den Weg zum "Tatort" und somit zu "Bibi Fellner" geebnet.

Durch Bibi bin ich auch über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt geworden. Ich liebe diese Frau, weil sie so ambivalent, emphatisch, chaotisch und kompromisslos ist. Ich würde gerne noch mehr ähnlich ungewöhnliche Frauenfiguren auf dem Bildschirm sehen und auch gerne spielen.

Der österreichische Tatort hat auch in Deutschland sehr viele Fans. Was macht den "Tatort" aus den Alpen so besonderes?

Harry Krassnitzer und ich sind ein wunderbares Gespann. Wir haben großartige Autoren, Regisseurinnen und Regisseure und mutige Redakteure. Wir erzählen unsere Geschichten mit großer Leidenschaft und viel Humor. Ich denke diese glücklichen Kombinationen tragen zu unserem großen Erfolg entscheidend bei.

Wie sollte der Titel Ihrer zweiten Autobiografie lauten, wenn Sie in 20 Jahren eine schreiben würden?

Sollte ich da noch am Leben sein, fragen Sie mich in 20 Jahren bitte noch einmal – und wenn nicht, muss sowieso jemand anderer meine Biografie schreiben.

Was sind Ihre nächsten Projekte?

Mit meinem Buch auf Lesereise gehen. Mit meinem Sohn und seiner Band EDI NULZ gemeinsam auftreten. Beim Festakt zur Eröffnung des Weltmuseums in Wien am Heldenplatz Geschichten und Gedichte aus aller Welt lesen. Ein Auftritt beim Lyrikfestival "Silbentanz" in Bad Ischl und ab März 2018 Dreharbeiten zu neuen "Tatort"-Folgen. Also mir wird nicht fad werden.

Adele Neuhauser wurde 1959 in Athen als Tochter eines Griechen und einer Österreicherin geboren. Mit vier Jahren übersiedelte sie mit den Eltern nach Wien und wollte schon im Alter von sechs Jahren Schauspielerin werden. Ihre Karriere begann sie als Theaterschauspielerin, bald folgten Rollen in Film und Fernsehen. Mit der Figur der alkoholkranken Kommissarin Bibi Fellner im Wiener "Tatort" wurde Adele Neuhauser an der Seite ihres Kollegen Harald Krassnitzer zum Publikumsliebling.
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