Nach den schweren Vorwürfen gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann geht ein Riss durch die Fanszene. Während die einen sich abwenden und teils Konzertkarten zurückgeben, planen andere eine Solidaritätsbekundung in München.
Die Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann sorgen weiter für Wirbel und überschatten die anstehenden Konzerte in München. Längst ist auch die Politik auf den Plan gerufen. Kulturstaatsministerin Claudia Roth will die ganze Branche in die Pflicht nehmen und kritisiert "patriarchales Mackertum und sexuelle Übergriffe" scharf. Bundesfamilienministerin Lisa Paus trommelt für das Bündnis "Gemeinsam gegen Sexismus".
Die vier ausverkauften Konzerte in München werden stattfinden, jedoch gibt es auch hier schon Konsequenzen. Die berüchtigte "Row Zero" etwa wurde abgeschafft und ein noch nicht näher erläutertes Awareness-Konzept seitens der Band angekündigt.
Die Fanszene scheint gespalten. In den sozialen Netzwerken, zum Beispiel auf Twitter, zeigen Userinnen und User sich solidarisch mit den jungen Frauen und machen ihrer Enttäuschung Luft. "Ich war großer Rammstein Fan", schreibt etwa eine Nutzerin, "und das hat sich sofort mit den ersten Missbrauchsvorwürfen um 180 Grad gewendet. Weil ich in erster Linie Frau bin und danach Fan." Auch berichten zahlreiche Fans davon, dass sie nun nicht zu den Konzerten gehen wollen und ihre Karten entweder weiterverkaufen oder gar verfallen lassen wollen.
Fans planen Aktion als Zeichen der Solidarität
Doch längst nicht alle kehren der Band den Rücken. Unter anderem auf Instagram organisieren sich Fans und Konzertbesucher und wollen der Band mit einer Geste zeigen, dass sie sich trotz der Vorwürfe mit Lindemann und der Band solidarisieren. "Wir bereiten am Ende der Show eine kleine Überraschung für die Band vor", ist unter anderem in der Insta-Story einer Fangruppe zu lesen. "Wenn sie am Ende niederknieen, knien wir uns mit ihnen nieder und singen den Refrain von OHNE DICH." Der Text endet mit der Bitte um die Teilung des Aufrufes.
Seit einem Konzert in der litauischen Hauptstadt Vilnius am 22. Mai 2023 sieht sich Rammstein-Sänger
Einem gemeinsamen Bericht von NDR und "Süddeutscher Zeitung" zufolge sollen sich im Nachgang weitere Frauen gemeldet haben. Die Anschuldigungen besagen unter anderem: Weibliche Fans sollen vor Konzerten "gezielt angelockt" worden sein, um "Sex mit dem Sänger Till Lindemann anzubahnen".
Nach einem Bericht der "Neuen Zürcher Zeitung" wurden ihnen dazu angeblich Zugang zu Backstage-Partys und zur sogenannten "Row Zero", einem abgesonderten Bereich unmittelbar vor der Bühne, in Aussicht gestellt. Rund um Rammstein-Konzerte sollen Frauen angeblich sexuell bedrängt worden sein, lauten weitere Behauptungen.
Die Youtuberin Kayla Shyx hatte unterdessen mit einem Video für Aufsehen gesorgt, in dem sie die Vorwürfe gegen Till Lindemann bekräftigte und von ihren eigenen Erfahrungen sowie von denen weiterer junger Frauen berichtete.
Statement von Rammstein
In einem ersten Statement wies die Band die Vorwürfe zurück, in einer weiteren Verlautbarung bat sie ihre Fans, von Vorverurteilungen abzusehen. Zudem kommentierte sie: "Die Vorwürfe haben uns alle sehr getroffen und wir nehmen sie außerordentlich ernst. Unseren Fans sagen wir: Es ist uns wichtig, dass Ihr euch bei unseren Shows wohl und sicher fühlt - vor und hinter der Bühne.
Nun stehen für die nächsten Tage gleich vier Rammstein-Konzerte im Münchner Olympiastadion an. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, wurde von der Stadtratsfraktion der Münchner Grünen ein Antrag eingebracht, in dem besondere Auflagen für die Events zwischen dem 7. und 11. Juni gelten sollen.
Awareness-Teams und Safe Spaces auf Rammstein-Konzerten
Wie die "Bild" berichtet, kam es dann am Montagnachmittag in dieser Frage zu einer kurzfristigen Entscheidung. Der Pressesprecher der Olympiapark München GmbH teilte demnach offiziell mit: "Es wird keine Row Zero und keine After-Show-Partys geben. Das haben Veranstalter und Band entschieden."
Auftrittsverbot war keine Option
Zu einem offiziellen Auftrittsverbot wird es allerdings Medienberichten zufolge nicht kommen. Auf Nachfrage von "Bild" äußerte sich die SPD-Fraktionschefin im Münchner Stadtrat, Anne Hübner, folgendermaßen zu dieser Option: "240.000 Menschen haben für vier Konzerte in München Tickets gekauft. Wir können die Konzerte nicht absagen, sonst sehen wir uns hohen Schadensersatzforderungen in zweistelliger Millionenhöhe gegenüber. Deshalb haben wir darüber auch bisher nicht nachgedacht. Es gibt vertragliche Verpflichtungen."
Der Münchner Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner ließ auf die Anfrage des Blatts hin verlautbaren: "Wir beobachten die Entwicklung der Vorwürfe ganz genau. Sollten sich diese erhärten und es staatsanwaltliche Ermittlungen geben, müssen wir prüfen, wie wir als Stadt darauf reagieren können." Eine Absage der Konzerte werde jedoch auch nicht "im Härtefall" möglich sein. (dh)
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