Lieber Thomas, lieber Icke,

Eine Kolumne
von Christian Schommers
Diese Kolumne stellt die Sicht von Christian Schommers dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Kicker im Camp. Das hat schon Tradition. Vor Dir waren das Thorsten Legat, Ailton, Jimmy Hartwig, Eike Immel ... und jetzt hast Du Dich für eine – wie man hört – sechsstellige Summe zum sicherlich wieder leidvollen Aufenthalt im RTL-Dschungelcamp "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus" im australischen Busch entschieden. Dein Schritt hat nicht so nachhaltig schockiert wie die Nachricht vom Wahlsieg Donald Trumps, aber es wurde dennoch als Überraschung gehandelt. Ehemalige Kollegen spekulierten, ob Du das nötig hast ...

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Dabei waren die Zeichen, die man deuten konnte, schon länger eindeutig. "Icke im Autohaus" titelte Spiegel Online im Februar 2016 und berichtete darüber, dass Du Trainer beim Bezirksligisten FC Club Italia Berlin geworden bist. Untertitel: "Weltmeister Häßler in der achten Liga", inklusive der Auftritte im Sponsoren-Autohaus, dämlicher Fragen bei der Pressekonferenz usw. usf.

Weltmeister, ja das war mal … das warst Du mal, damals in der legendären Mannschaft 1990. Der Zehner. Der quirlige Mittelfeldspieler. Der kleine Große (1,66 Meter), der Mann für die ungewöhnlichen Tore. 101 Länderspiele, Mitglied der Weltmeistermannschaft von 1990, Europameister 1996, Deutschlands Fußballer des Jahres 1989 und 1992. Wikipedia-Eintrag: "Er beendete seine Karriere als aktiver Fußballer am 22. August 2005 mit einem Abschiedsspiel in Köln. In einem Allstar-Team spielten unter anderem Toni Schumacher, Jürgen Kohler, Hans-Peter Lehnhoff, Lothar Matthäus, Thomas Berthold und Birgit Prinz. In seiner Bundesligazeit brachte es Häßler insgesamt auf 400 Einsätze und erzielte 68 Tore". Die Jüngeren werden fragen: Thomas Häßler, Toni Schumacher, Thomas Berthold … weeeer???

Und die passende Erkenntnis dazu: Sic transit gloria mundi, so vergeht der Ruhm der Welt. Schnell, viel zu schnell!! Was folgte, war wenig ruhmreich. Du hast anscheinend, wie viele andere Deiner Kollegen, keine besondere Vorsorge für das Leben danach getroffen. Und dann die schreckliche Angst davor, die Wände anzustarren. Horror vacui. Also: Co-Trainer im Iran, Technik-Coach beim 1. FC Köln, Trainerassistent von Berti Vogts in Nigeria, TV-Auftritte bei "Ewige Helden" (Vox) und im März 2016 bei der RTL-Tanzshow "Let's Dance". Und jetzt also das Dschungelcamp. Und BILD fragte prompt: "Geldsorgen? Icke, warum tust du dir das an?" Meistens sind ja Geldsorgen der Grund für diesen Gang ins Ekelcamp. Immel war pleite, Du hast, wie man liest, eine schweineteure Scheidung hinter Dir.

Ich sage es mal so: Deinen Platz im Fußball-Olymp kann Dir niemand streitig machen. Doch wie wir alle wissen, zahlt das nicht das Brot und füllt auch nicht den Tank. Dass hoch verdiente Sportler in Deinem Alter – Du bist jetzt 50, siehst aber fast aus wie früher – nicht versorgt sind, wirft ein seltsames Licht auf DFB, Funktionäre und Mannschaften, die seinerzeit von Deinem Talent auf dem Platz profitierten. Wo sind die eigentlich alle? Warum gibt es keinen Fond mit fetten Einlagen für in Not geratene Sportsleute wie Dich? Es sollte also heißen: 'Warum tun wir uns das an und lassen es zu, dass Weltmeister auf Eat Shit-Tour gehen müssen?'

In diesem Sinne wünsche ich Dir Glück und auf dass Du den VUPs mal zeigst, was ’ne Harke ist ...   © top.de

Thomas Hässler, WM-Qualifikation, Nationalmannschaft
Thomas Häßler in Aktion – das Foto zeigt ihn beim entscheidenen WM-Qualifikationsspiel am 15. November 1989 in Köln. Deutschland gewann 2:1 gegen Wales, konnte deswegen 1990 zur WM fahren – und wurde Weltmeister. © Bongarts/Getty Images
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