Sängerin und Model Phenix spricht im Interview über ihr Leben als Trans-Frau, queerfeindliche Anfeindungen und den respektvollen Umgang mit Transidentitäten.

Ein Interview

Als Trans-Frau repräsentiert sie nicht nur die Queer-Community, sondern steht für Aufklärung und Identität: Phenix. Die geborene Lübeckerin lebt inzwischen in Berlin und ist als Model, Autorin, Sängerin und Creatorin tätig, im Oktober spielte sie im Münchner Tatort "Königinnen" mit - eine Trans-Frau.

Im Interview mit unserer Redaktion spricht Phenix über ihre Transition, queere Anfeindungen und die Repräsentation queerer Menschen in der Medien- und Fernsehwelt.

Phenix, würden Sie von sich sagen, als Frau oder als Mann im Körper einer Frau auf die Welt gekommen zu sein?

Phenix Kühnert: Ich bin der Überzeugung, dass das vor allem bei Neugeborenen absolut nicht relevant ist. Kinder, die so jung sind, müssen nicht schon in Geschlechterrollen gedrückt werden. Es gibt Merkmale, aufgrund derer Babys Geschlechter zugeordnet werden. In meinem Fall hat sich rausgestellt, dass dies manchmal nicht richtig ist.

Wie verlief Ihre Transition?

Eine Transition ist ein langer Prozess. Mit fließenden Grenzen, was Beginn und Ende angeht. Die Frage ist, ob er je zu Ende ist. Wir alle als Menschen entwickeln uns immer weiter. Meine Transition war ein schwieriger Prozess, in dem ich mir vor allem selbst viel Kraft gegeben habe. Ohne mir dies abzusprechen, muss ich natürlich klar sagen, dass ich dabei sehr privilegiert war. In Berlin lebend, hatte ich Möglichkeiten, mich mit vielen queeren Menschen auszutauschen. Heute lebe ich so, dass meine Transidentität nicht allgegenwärtig ist. Ich umgebe mich mit Menschen, die mich akzeptieren und aufgeklärt sind.

Mit einer Transition verbinden viele Menschen häufig die Angleichung äußerer Merkmale – welche Rolle spielt hierbei aber auch der Prozess, der sich im Inneren abspielt?

Der innere Prozess kann manchmal sogar der wichtigere sein. In meinem Fall war es vor allem auch, mir selbst einzugestehen, dass nicht alles von heute auf morgen passiert und ich Schwierigkeiten haben darf. Trans zu sein ist ein kleiner Baustein meiner Person, aber da ist noch so viel mehr.

Wann haben Sie Ihre Familie mit in Ihren Prozess einbezogen?

Meine größte Stütze in all dem war ich selbst. Retrospektiv habe ich realisiert, wie unglaublich stark ich war. Mein Umfeld habe ich trotzdem teilhaben lassen. Meine Familie steht mir sehr nah.

Was macht es mit Ihnen, dass viele Menschen Schwierigkeiten damit haben, Themen wie Transidentität respektvoll gegenüberzutreten?

Ich finde es traurig. Menschen wie ich tun niemandem etwas. Ich möchte einfach nur in Sicherheit leben. Ein respektvolles Miteinander sollte doch ein gemeinsames Ziel aller sein.

"Meine Kommentarspalten sind geprägt von Hass und Gewalt"

In den sozialen Medien sind Sie aktivistisch tätig, betreiben Aufklärungsarbeit und haben 2022 Ihr Buch "Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau" veröffentlicht. Hat in Ihnen schon immer die Aktivistin geschlummert?

Mich als Aktivistin zu bezeichnen fällt mir schwer, da ich hauptsächlich meine Geschichte und Erfahrungen teile. In der Hoffnung, so für Empathie und dadurch Akzeptanz und Toleranz zu sorgen. In diese Position bin ich "hineingeraten", als ich vor Jahren festgestellt habe, dass auch in meinem Umfeld Menschen teilweise nicht so aufgeklärt sind, wie ich hoffte. Also habe ich angefangen, meine Erfahrungen auf Social Media zu teilen. Damals erhielt ich wahnsinnig viel Zuspruch. Heute sind meine Kommentarspalten im Regelfall voll von Hass und Gewalt.

Sie waren kürzlich im Münchener "Tatort" als Spargelkönigin Luise zu sehen – findet die Repräsentation von Trans-Menschen im deutschsprachigen Fernsehen ausreichend statt?

Persönlich weiß ich, wie wichtig Repräsentation ist. Vor allem als junger Mensch, andere zu sehen, die womöglich ein Leben führen, wie man es sich selbst wünscht, aber gar nicht wusste, dass es möglich ist. Social Media hat hier absolut positive Seiten. Auch ich habe Vorbilder vor allem online und nicht im Fernsehen gefunden. Dass heute mehr Repräsentation auch dort stattfindet, ist wichtig und schön. Relevant ist natürlich immer die Art der Repräsentation: Negative Vorurteile sollten nicht befeuert werden.

Sie sind außerdem als Sängerin aktiv: Mit Ihrer Single "When We Dance" wollten Sie sich beim ESC-Vorentscheid bewerben, haben aber eine Absage erhalten. Geht Ihre ESC-Reise weiter?

Ich hoffe sehr, dass meine ESC-Reise weitergeht. Mir ist zu Ohren gekommen, dass aller guten Dinge zwei sind (lacht). Deswegen habe ich mich wieder beworben, mit neuer Musik, mehr Erfahrung und viel Hoffnung. Jetzt heißt es: Daumen drücken.

Lassen Sie uns in der Musikwelt bleiben: Wie queer ist die Musikbranche? Fehlt es der Szene womöglich an queeren Vorbildern?

Wir leben in einer Zeit, in der Musikkonsum wahnsinnig individuell sein kann. Durch Streamingdienste können auch weniger bekannte Musiker und Musikerinnen gefunden und gehört werden. Meine persönliche Musikwelt ist dadurch sehr queer. Im Großen und Ganzen ist die Musikbranche das weniger. Dennoch macht es mir Hoffnung, dass beispielsweise Kim Petras 2023 einen Grammy gewann.

Wie begegnet Ihnen Queerfeindlichkeit in Ihrem Alltag – und wie gehen Sie damit um?

In meinem Privatleben erfahre ich wenig Queerfeindlichkeit. Damit Menschen mir gegenüber queerfeindlich sein können, müssten sie erstmal verstehen, dass ich queer bin. Ich als Frau passe sehr gut in das Bild, dass die Gesellschaft von einer Frau hat. Dies bietet mir viel Sicherheit. Es gab Jahre in meinem Leben, in denen es für mich normal war, jedes Mal, wenn ich das Haus verließ, beleidigt zu werden. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Ob es für unsere Gesellschaft spricht, dass eine Person dann mehr akzeptiert wird, wenn sie ins Raster passt, ist die andere Frage.

"Meine Strategie ist Ignoranz"

Wie sieht es in der Online-Welt aus?

Online erfahre ich wiederum viel Queerfeindlichkeit. Das führt regelmäßig so weit, dass mein eigener Instagramkanal für mich kein "sicherer" Ort ist. Einst mein Zufluchtsort, heute übersät mit queerfeindlichem Hass.

Gehen Sie heute anders mit queerfeindlichen Anfeindungen um als womöglich noch vor einigen Jahren?

Meine Strategie ist Ignoranz. Warum sollte ich mich mit Menschen und ihren Aussagen beschäftigen, die mich beleidigen, mir den Tod wünschen und mich schlicht nicht respektieren oder akzeptieren? Ich blockiere Profile, die mich und andere beleidigen. Erst vor kurzem kommentierte ein User massenhaft Fotos von Waffen unter meine Beiträge. Natürlich ist es nicht jeden Tag leicht, damit konfrontiert zu sein.

Safe Spaces für die Queer-Community sind "wahnsinnig wichtig"

Wie wichtig sind in diesem Zusammenhang Safe Spaces für die Queer-Community?

Wahnsinnig wichtig. Solche Orte können Freiheit bedeuten. Orte, an denen sich queere Menschen sicher bewegen und entfalten können.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der werdende Eltern häufig sogenannte "Gender Reveal Partys" feiern und somit bereits vor der Geburt ihres Kindes dessen biologisches Geschlecht feiern – jede Menge rosa Tüll und blaues Konfetti inklusive. Was macht diese Festlegung auf ein biologisches Geschlecht mit Ihnen?

Wie eingangs beschrieben, halte ich wenig davon, Neugeborene in gesellschaftliche Vorstellungen von Geschlecht zu pressen. Kinder sollten doch erstmal einfach nur Kinder sein, akzeptiert und gefördert werden.

Wo stehen wir heute, wenn es um die gesellschaftliche Akzeptanz queerer Lebensrealitäten geht?

Ich war der Überzeugung, dass wir uns auf einem guten Weg befanden. Aktuell immer öfter zu sehen, wie queere Menschen zur Zielscheibe werden, Lügen verbreitet und instrumentalisiert werden, belehrt mich eines Besseren. Ich hoffe inständig, dass wir weiter in eine offenere Zukunft gehen und Menschen, die einfach nur sie selbst sind, ohne jemandem zu schaden, nicht einschränken.

Über die Gesprächspartnerin

  • Phenix Kühnert ist als Model, Sängerin und LGBTQIA*-Aktivistin aktiv. Vergangenes Jahr erschien ihr Buch "Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau", in dem sie vom Aufwachsen in einer Gesellschaft erzählt, in der Menschen ausgeschlossen werden, sofern sie nicht der Norm entsprechen.
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