Russkaja spielen heuer am Diversity Ball. Das Besonderere daran: Ihr Konzert wird erstmals simultan in Gebärdensprache übertragen. Wir haben mit Russkaja-Frontmann Georgij Makazaria und Gebärdendolmetscher Norbert Pauser gesprochen.

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Am 17. Mai findet für Russkaja ein besonderes Konzert statt: Die Band spielt am siebten Diversity Ball im Kursalon Wien - und wird dabei live und simultan in Gebärdensprache übersetzt. Klingt komisch? Funktioniert aber bestens, wie Russkaja-Sänger Georgij Makazaria und Gebärdendolmetscher Norbert Pauser im Interview verraten.

Veranstalter des Balls ist equalizent - ein Beratungszentrum für Gehörlose in Wien. Die Moderation und Performance übernimmt Roman Gregory (Alkbottle, Wien Martin). Zudem treten das Trio Piller - bekannt aus der "Großen Chance"- , Ich bin O.K. sowie der Gebärdensprach-Rapper Okan Seese auf.

Russkaja haben reichlich internationale Erfahrung: Ihr tretet unter anderem auf Hard-Rock-Festivals wie Wacken auf. Was zieht euch zum Diversity Ball?

Georgij Makazaria: Wir haben die Einladung zum Diversity Ball mit großer Freude angenommen. Es wird ein schöner Abend in schönem Ambiente, und obendrein lernen wir etwas Gebärdensprache.

Wie stark unterscheiden sich Gebärdensprachen untereinander - zum Beispiel österreichische und deutsche?

Norbert Pauser: Deutsche und österreichische Gehörlose können durchaus miteinander kommunizieren, allerdings sind nur etwa 50 Prozent der Gebärden identisch. Mit viel nachfragen, umschreiben und raten funktioniert die Kommunikation aber trotzdem. Schon innerhalb der österreichischen Gebärdensprache gibt es regionale Unterschiede. Wie jede Sprache ist Gebärdensprache einem Wandel der Zeit unterlegen. Ältere Menschen verwenden für das gleiche Wort oft andere Gebärden als die junge Generation. Es werden auch immer wieder neue Gebärden erfunden: Früher gab es keine für E-Mail, Internet oder Facebook.

Russkaja haben das Zusammenspiel mit dem Gebärdendolmetscher vorher geübt.
Russkaja haben das Zusammenspiel mit dem Gebärdendolmetscher vorher geübt. © Chris Waikiki/zvg

Russkaja werden beim Konzert simultan gedolmetscht. Wie funktioniert das? Hat das zuvor schon jemand ausprobiert?

Norbert Pauser: Das passiert immer öfter. Zum Beispiel wurde der Eurovision Song Contest im dänischen Fernsehen auf Gebärdensprache gedolmetscht – und auch das Siegerlied mit Musikgebärden! Michael Jackson hat vor seinem Tod an einer Produktion mit Gehörlosen und Musikgebärden gearbeitet. Aber das sind immer noch Ausnahmen. Beim Diversity Ball wird der Großteil der Hauptacts musikgebärdet.

Wie lässt sich Musik überhaupt übersetzen? Wird nur der Text übersetzt oder auch die Melodie?

Norbert Pauser: Die Musik wird mit dem ganzen Körper gezeigt. Instrumente werden gedolmetscht und gleichzeitig der Text in Gebärdensprachpoesie übersetzt, sodass ein neues Kunstwerk entsteht. Das ganze Feeling, die Lautstärke, die Melodie: All das wird durch Mimik, Gestik und den Körperausdruck wiedergegeben. Erst heute hat mir ein Bekannter erzählt, dass er im Theater an der Wien ein Oratorium von Händel gesehen und gespürt hat, das musikgebärdet war. Er war begeistert, weil er plötzlich das Oratorium ganz anders wahrgenommen hat - viel intensiver!

Es gibt Musikarten, die Gehörlose beinahe hören können, weil sie die Vibrationen spüren. Eignet sich Death Metal da besser als Klassik oder Pop?

Norbert Pauser: Grundsätzlich haben Gehörlose genauso wie Hörende bei Musik individuelle Vorlieben und Abneigungen. Das hängt auch vom Grad der Gehörlosigkeit ab. Es gibt viele, die noch Töne wahrnehmen können. Allgemein werden tiefe Töne besser wahrgenommen als hohe Töne: Ein Cello wird besser gehört als eine Violine. Jemand, der komplett gehörlos ist, kann Musik ausschließlich über die Bässe spüren, da die Schwingungen auf dem Trommelfell als Druck wahrgenommen werden. Das kommt auch auf die räumliche Situation an: Barrierefreie Musik gibt es am ehesten dann, wenn es bestimmte Leiter gibt, zum Beispiel einen Holzboden. Damit kann man den Bass verstärken und muss nicht so nah an der Box stehen.

Russkaja wird simultan gebärdengedolmetscht. Habt ihr das vorher geübt? Macht es für die Band einen Unterschied, ob da jemand steht und übersetzt?

Georgij Makazaria: Es ist auf jeden Fall ganz etwas Besonderes, deine Songs plötzlich in Bewegungen, Moves, Ringerspielen und Körpersprache ausgedrückt zu sehen. Der Übersetzer, der in Gebärden übersetzt, macht hier die Musik, seine Theatralisierung oder Darstellung der Texte ergibt das Erlebnis für die nicht hörenden Menschen. Es ist erstaunlich, wie viel Gebärdensprache wir unbewusst in unseren Gesten verwenden.

Wie wird das Konzert ablaufen?

Georgij Makazaria: Es beginnt mit einem Marching-Teaser. Eine Russkaja-"Parade", die unten beginnt und sich über den ganzen Salon bis in den oberen Stock zur großen Bühne zieht. Dazwischen gibt es viel Programm. Richtung Mitternacht geht es mit unserem Konzert los, wobei die ersten drei, vier Songs live in Gebärden übersetzt werden. Am besten geht man hin und schaut es sich an.

Conchita Wurst hat schon bekannt gegeben, dass sie nicht versuchen wird, ihren Sieg beim Eurovision Song Contest nächstes Jahr zu verteidigen. Haben Russkaja Lust, Österreich zu vertreten?

Georgij Makazaria: Warum denn nicht? Wenn meine neue Heimat ruft, bin ich gerne dabei. Ich bin in musikalischer Hinsicht für fast alles offen!

Wen würdet ihr andernfalls hinschicken, wenn ihr entscheiden dürftet?

Georgij Makazaria: Ich würde an Monomania denken. Die mag ich gerne. Die könnten dazu passen.

Wer soll den ESC 2015 eurer Ansicht nach moderieren?

Georgij Makazaria: Das ist doch eh klar: die Conchita natürlich! Lustig wären natürlich Dirk Stermann und Christoph Grissemann.

Russjaka betonen regelmäßig die russischen Wurzeln des Bandprojekts. Ist euch Wladimir Putin peinlich?

Georgij Makazaria: Nein, ist es nicht. Peinlichkeit ist jetzt die kleinste Sorge, die wir alle haben sollten. Ich hoffe, eine friedliche Lösung des Konflikts wird gefunden, ohne dass sich vorher der Hass zu entfalten beginnt. Das Volk ist so leicht manipulierbar: Einen Feind zu haben, ist für den Mensch irgendwie von Natur aus wichtig. Leider merkt die Masse nicht, wenn sie zum Hass gedrängt wird - was man beim ESC gemerkt hat, wo Russland während der Punktvergabe ausgebuht wurde. Da wurde Politik mit Kultur in einen Topf geworfen. Das ist dann peinlich. Sich auf die Informationen der Massenmedien zu stützen und deren Meinung als die eigene auszugeben: Das ist dann peinlich. Denn du weißt nur das, was dir gesagt wird. Willst du mehr erfahren? Geh hin und schau es dir an.

Georgij Alexandrowitsch Makazaria ist in Moskau geboren und lebt seit Anfang der 199er-Jahre in Wien. Er ist Frontmann und Gründer des Bandprojekts Russkaja, mit dem er wöchentlich in der Late-Night-Show "Willkommen Österreich" von Dirk Stermann und Christoph Grissemann auftritt.
Norbert Pauser ist Gründungsmitglied von equalizent - Qualifikationszentrum für Gehörlösigkeit, Gebärdensprache, Schwerhörigkeit und Diversity Management. Er spricht Deutsch, Englisch und Österreichische Gebärdensprache.
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