Abschied von einem Original: Baulöwe, Society-Legende und Opernball-Institution Richard Lugner ist im Alter von 91 Jahren verstorben. Was er zurücklässt? Viele Geschichten. Und eine große Lücke, die kein anderer zu füllen vermag.
Richard Lugner ist tot. Der Wiener, der auf so vielen Ebenen so erfolgreich wie umstritten war, verstarb am Montag im Alter von 91 Jahren. Bei einem Rettungseinsatz am Morgen sei noch versucht worden, ihn zu reanimieren, berichtete die "Kronen-Zeitung".
Ob mit imposanten Bauprojekten wie einer Moschee in Wien-Floridsdorf, einer Shopping-Mall, die zu Beginn nicht wenige spöttisch belächelten, Opernball-Auftritten mit teils ausgefransten Stars im Schlepptau oder seinen politischen Experimenten – Wiens bekanntester Baumeister machte in Österreich über Jahrzehnte von sich reden.
"Und so lange ich gesundheitlich dazu in der Lage bin, mache ich weiter", meinte
Der "Mörtel" spaltete Österreich
Die einen fanden ihn authentisch. Andere primär peinlich. Das Gros der Österreicher war in der "Causa Lugner" aber vermutlich unschlüssig und zwiegespalten.
Einerseits nötigte einem der wirtschaftliche Erfolg des "Baulöwen", der von ganz unten und durch Strebsamkeit und unternehmerische Schläue zu Reichtum kam, zwar Respekt ab. Andererseits war da dieser Fremdschämfaktor bei Lugners medialen Auftritten.
Irgendwann hatte man sich irgendwie daran gewöhnt. Doch der "Mörtel" der Nation spaltete lange die Nation – und zählte nicht zuletzt deshalb in den vergangenen drei Jahrzehnten zu den schillerndsten Figuren Österreichs.
Schicksalsschlag und kluge Firmenpositionierung
Der am 11. Oktober 1932 als ältester Sohn eines Rechtsanwalts geborene Richard Lugner wuchs gemeinsam mit seinem Bruder Roland unter der Obhut der Mutter im Wiener Bezirk Leopoldstadt auf. Sein Vater kam aus dem Krieg nicht mehr zurück. "Seine Spur verliert sich 1943 an der russischen Front", erzählte Lugner einst dem Nachrichtenmagazin "Focus".
Der Vater habe ihm auch immer gefehlt, weshalb er sich später stets starke und erfolgreiche Männer zum Vorbild genommen und sich an "Ikonen wie Krupp oder Rockefeller, alles tüchtige Unternehmer" orientiert habe.
Nach der Matura in der Bundesgewerbeschule Wien-Schellinggasse arbeitete Richard Lugner unter anderem für die Baufirma Lorenz und als Techniker in der Bauabteilung von Mobil Oil Austria. 1962 erhielt er die Baumeisterkonzession, gründete seine Baufirma und engagierte noch im ersten Jahr zwei Arbeiter und zwei Angestellte.
Im Zuge des Baubooms der 1960er-Jahre fokussierte die Firma primär kleinere Baustellen – eine kluge Entscheidung, die ihr, während sich andere Unternehmen um die großen Aufträge zerfetzten, ein beträchtliches Wachstum bescherte. Schon als junger hungriger Baumeister verstand Lugner es, sein Unternehmen zu inszenieren und die Konkurrenz bei Aufträgen für die Wiener Innenstadt zu unterbieten, um vor Ort mit schreiend roten Firmenschildern Präsenz zu zeigen.
"Es gefiel mir, in der Zeitung zu stehen"
Die Lust am Spiel mit den Medien entdeckte Lugner im Zuge seines ersten großen Baumeisterstücks im Jahr 1975, als er vom einstigen saudi-arabischen König Faisal ibn al-Aziz den Auftrag zur Errichtung der Wiener Moschee in Floridsdorf erhielt. Was dem damals 43-Jährigen natürlich jede Menge mediale Präsenz einbrachte.
"Es gefiel mir, in der Zeitung zu stehen", gestand der Baumeister Jahrzehnte später. Doch während sein Unternehmen nachhaltig florierte, vermochte es der Baulöwe nie so wirklich, gesellschaftlich Anerkennung zu finden. Die vornehmen Kreise, bei denen er immer wieder anklopfte, verwehrten ihm letztlich ob seiner häufig wechselnden Liebesbeziehungen zu ungleich jüngeren Frauen - Mausis, Hasis und Katzis - ob des trashigen Mediendaseins und seiner ausgeprägten Distanzlosigkeit zu Fettnäpfchen den Einlass.
"Warum soll man sich eine teure Frau leisten, wenn man auch eine billige haben kann?", sagte "Mörtel" einmal auf einer Pressekonferenz über seine damalige Freundin "Betti-Hasi", die neben ihm saß. Nein, die feine Klinge war nie die Stärke des Richard Lugner.
Was wird aus dem Opernball?
Dass aber ausgerechnet er es war, der dem Opernball über Jahrzehnte mit Stargästen wie Harry Belafonte,
Auch wenn die frühere Opernball-Organisatorin und Wiener Grande Dame Lotte Tobisch einmal sagte: "Die ganze Aufregung habe ich nie verstanden, weil einen Wurschtel verträgt der Opernball, der gar nicht so nobel ist, wie viele meinen. Am Opernball sind 5.000 Gäste, aber 5.000 feine Leute gibt's auf der ganzen Welt nicht. Die Frage ist vielmehr, was aus dem Opernball wird, wenn Lugner einmal nicht mehr ist."
Verewigt mit der Opernball-Kleidung Frack und Zylinder ist er im Wiener Wachsfigurenkabinett von Madame Tussauds: Dort enthüllte Lugner 2019 sein Ebenbild aus Wachs.
Die Liste seiner Opernball-Gäste ist nun zu Ende geschrieben. Große Namen stehen darauf, etwa die Schauspielerinnen Melanie Griffith, Sophia Loren, Pamela Anderson, Jane Fonda sowie Hotel-Erbin Paris Hilton. Sein letzter Gast war Priscilla Presley, US-Schauspielerin und Ex-Frau von Elvis Presley.
Lugner wollte Bundespräsident werden
Präsent war Lugner den Österreichern auch als TV-Star. In der Reality-Soap "Die Lugners" breitete "Mörtel" ab 2003 in rund 100 Folgen sein Privatleben im Privatfernsehen bei ATV aus.
Auch auf dem politischen Parkett versuchte sich Richard Lugner das eine oder andere Mal. So kandidierte er gleich zweimal bei österreichischen Bundespräsidentenwahlen. 1998 erhielt er sogar beachtliche 9,91 Prozent der österreichischen Wählerstimmen. Anlässlich dieser Kandidatur gründete der Baulöwe auch die Partei "Die Unabhängigen", mit der er bei der Nationalratswahl ein Jahr später beim Versuch, ins Parlament einzuziehen, mit lediglich 1,02 Prozent der Stimmen deutlich an der Vier-Prozent-Hürde scheiterte.
Nicht viel mehr Stimmen erntete der "Kasperl unter den Kandidaten", wie sich Lugner damals selbst bezeichnete, bei seinem zweiten Anlauf, Österreichs Bundespräsident zu werden. Mit 2,3 Prozent der Stimmen wurde er Letzter der sechs Kandidaten.
"Mörtel" hörte nie auf zu planen
Die Gesundheit machte ihm in den vergangenen Jahren immer wieder zu schaffen: 2016 erkrankte Lugner an Prostatakrebs und konnte geheilt werden. Auch zuletzt litt der 91-Jährige verstärkt unter gesundheitlichen Problemen, wie die APA berichtete.
Pläne hatte er dennoch große: Lugner hatte am 1. Juni mit "Bienchen" Simone seine sechste Hochzeit gefeiert und wollte sich im Oktober den kirchlichen Segen vom Pfarrer des Stephansdoms, Toni Faber, abholen. Es sollte ein großes Fest werden. Das Paar hatte sich bereits 2021 verlobt, sich zwischenzeitlich getrennt und dieses Jahr wieder zueinander gefunden.
Ein Leben zwischen Frankfurtern und Austern mit Ketchup
Trotz seines direkten Zugs zu Kamera und Mikrofon sowie ungeachtet der unzähligen Momente, die Hunderttausende vor den Fernsehgeräten immer wieder dazu nötigten, ihre Häupter unter der Decke zu vergraben, gab es sie: die Lugner-Augenblicke für all jene, die mit seiner trashigen Seite wenig anzufangen wussten.
Vor allem in entschleunigten Interviews jenseits der fünf Minuten bekam man mitunter einen Richard Lugner zu sehen, der einem zwischen den Zeilen zu verstehen gab, dass ihm ein Paar Frankfurter mit einer Semmel lieber seien als Austern, die er mit Ketchup zu einem satanischen Menü machte, um sie nicht schmecken zu müssen. Dann bekam man das Gefühl, als wollte er jetzt gleich loswerden, dass er in Wahrheit ohnedies all das nicht brauche, es aber für ein normales Leben fernab von ATV, Botox, Viagra und Spatzi einfach schon ein bissl zu spät sei.
In diesen Momenten sowie in jenen, in denen er sich selbstironisch zeigte, holte er die Sympathien und in Österreich vermutlich sogar so manche Wählerstimme ab. Vor allem dieser Richard Lugner wird vielen von uns fehlen.
Verwendete Quellen
- APA
- Focus
- dpa
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