Berlin (dpa) - Marcel Reich-Ranicki war viele Jahrzehnte zentrale Instanz der deutschen Literaturszene. Der scharfzüngige Kritiker war mit seiner direkten Art geachtet, aber auch gefürchtet und bei manchem Schriftsteller verhasst. Der am 2. Juni 1920 in Polen geborene Sohn einer jüdischen Familie machte 1938 in Berlin Abitur, die Nazis wiesen ihn dann aber nach Polen aus. Im Warschauer Ghetto gelang ihm 1943 mit seiner Frau Teofila (Tosia), die er dort geheiratet hatte, die Flucht. Seine Eltern und die seiner Frau wurden Opfer des Holocaust. Reich-Ranicki starb am Mittwoch in Frankfurt im Alter von 93 Jahren.
Nach dem Krieg arbeitete Reich-Ranicki in Polens kommunistischem Geheimdienst und im diplomatischen Dienst. 1950 wurde er aus seinen Ämtern entlassen und aus der KP wegen "ideologischer Fremdheit" ausgeschlossen. Seit 1958 lebte er in Deutschland und machte sich bei der Wochenzeitung "Die Zeit" als Kritiker einen Namen. Von 1973 bis 1988 leitete er die Literaturredaktion der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Dann moderierte er im ZDF fast 14 Jahre lang die beliebte Büchersendung "Literarisches Quartett". Bis zuletzt hatte er eine Kolumne in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Deutschlands streitbarer Literaturpapst war gesundheitlich angeschlagen, seit er Anfang 2006 mit Herzbeschwerden ins Krankenhaus gekommen war. Im März 2013 machte er seine Krebs-Erkrankung öffentlich. Seine Frau Tosia, mit der er in Frankfurt lebte, starb im April 2011 im Alter von 91 Jahren. Der einzige Sohn des Paares, Andrew, arbeitet als Mathematikprofessor in Schottland.
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