Bill und Tom sind in Peru. Zumindest, wenn es nach Tom geht. Bill ist sich da nicht so sicher. Sicher ist nur, dass die beiden zur selben Zeit vermutlich in Peru sind. Und dass sie dabei eine neue Folge ihres Podcasts "Kaulitz Hills" aufgenommen haben. Deshalb ist es eigentlich egal, ob Bill weiß, wo und wann er gerade ist. Oder?
"Einen wunderschönen guten Morgen hier aus Peru!", begrüßt
Sein Bruder Tom erklärt nämlich, dass sich die zwei gerade in seiner Hotel-Suite befinden und diese habe außer dem Umstand, eben seine Hotel-Suite zu sein, noch eine weitere Besonderheit: den Blick auf den Ozean. Und mit diesem Blick im Kopf und vor Augen zeigt Tom, dass manche Fragen besser sind als ihre Antworten. Denn er will von seinem Bruder wissen, welcher Ozean das sei, den man hier aus seiner peruanischen Hotel-Suite aus sehen könne.
Tom zu Bill: "Du bist so was von uninteressiert"
Und so nähern sich die Brüder dem Phänomen, das hinter Bills Ozean-Ortungsschwäche steckt: "Ich hab das Gefühl, du weißt gar nicht, wo wir sind auf der Landkarte", mutmaßt Tom, und Bill gibt zu: "Könnte ich dir nicht jetzt sofort zeigen, nee." "Das finde ich das Spannende bei dir: Du bist so was von uninteressiert. Du läufst überall hinterher, du rennst nur mit", taucht Tom tiefer in Bills Einstellungen ab, und der gibt seinem Bruder in allen Anklagepunkten recht. Als sie etwa vor kurzem in Montreal waren, sei Bill von der Wasserlage der Stadt ganz überrascht gewesen: "Ich dachte, ich bin ganz woanders auf der Landkarte."
Tom hingegen informiere sich immer über Einwohnerzahlen, Politik oder die Wirtschaft des Ortes. "Und, lebst du so besser?", fragt Bill und zieht dann eine ganze Menge Unbeteiligter in die Sache mit rein: "Ich glaube, wir könnten ganz viele Leute fragen und sagen: Lima – zeig mal! Und da würde keiner wissen, wo das ist." Da könnte Bill natürlich recht haben. Ich selbst könnte zum Beispiel nicht sagen, wo mein Handy gerade ist. Ich könnte lediglich ausschließen, dass es in Lima ist. Zumindest ist es unwahrscheinlich, aber ich bin in letzter Zeit sehr vergesslich.
Lesen Sie auch
Kommen und Gehen
Tom und Bill scheinen auch ein bisschen derangiert zu sein, was absolut nachvollziehbar ist. Die beiden ziehen auf ihrer Tour ja gerade von Stadt zu Stadt, da täte ich mir mit der Orientierung auch ein bisschen schwer. Ich muss aber dazu sagen: Ich habe mit dem Leben auf einer Tour keine Erfahrung. Vergangene Woche war ich beim Bäcker, dann beim Getränkemarkt und hab mich danach auf dem Rückweg verfahren. Ich war zwar lange unterwegs, und wie Bill wusste auch ich nicht, wo ich war, und da mein Handy vermutlich gerade irgendwo in Peru liegt, wusste ich noch nicht einmal, ab wann ich nicht mehr wusste, wo ich war. Ich würde meine Irrfahrt aber trotzdem nicht als "Tour" bezeichnen.
Aber Zeit und Ort, also wann wir wo sind, spielen eine wichtige Rolle im Leben. Nehmen wir nur einmal Geburt und Tod. Pro Sekunde sterben auf der Welt 1,8 Menschen. Statistisch gesehen natürlich. Es ist ja nicht so, dass pro Sekunde ein ganzer Mensch stirbt und dann noch 80 Prozent eines anderen. So bedauerlich das Ableben jedes Einzelnen ist, so wichtig ist dabei, dass diese Menschen zwar zur selben Zeit, aber nicht am selben Ort sterben. Das wäre sonst für die Bestattungsfirmen dieses Ortes eine massive Herausforderung.
Das Gleiche gilt übrigens auch und noch viel mehr für Hebammen. Denn pro Sekunde sterben nicht nur 1,8 Menschen, es kommen auch 4,3 neue Menschen zur Welt. Ebenfalls statistisch gesehen. Da ist ein Burnout bei Hebammen natürlich programmiert. Abgesehen davon ist das mit den Sterbefälle und Geburten natürlich auch eine schlechte Nachricht für alle, die an Wiedergeburt glauben, denn das geht rechnerisch einfach nicht auf. Aber das ist eine andere Geschichte, also zurück zu Raum und Zeit.
Was manche Menschen immer noch nicht wissen
Wie wichtig es ist, Zeit und Ort in Einklang zu bringen, kann man an jedem Tag an unzähligen Beispielen sehen. Nehmen wir einmal die aktuellen Brillen-Trends der Generation Y. Sie wissen schon, diese Brillen, die so aussehen wie die Kassengestelle aus den 1980ern. Die tragen die angesagten Vertreter dieser Generation zwar am richtigen Ort, nämlich auf ihrer Nase, aber zur falschen Zeit. In den 1980ern wäre man wegen dieser Brillen nur deshalb nicht auf dem Schulhof verprügelt worden, weil eben alle diese Brillen getragen haben, selbst die Schulhof-Schläger.
Was für den Kassengestell-Trend gilt, gilt natürlich auch für andere Dinge: Karotten-Jeans, Vokuhila-Frisuren, Lederkleider oder Cowboy-Boots. Aber ich kann die 1980er verstehen, wenn sie diese Sachen nicht mehr zurückhaben wollen. Das gilt auch für die 1930er Jahre. Die würden rückblickend wahrscheinlich sagen: "Uff, ja, diese ganzen Nazis, das ist zwar so ein 1930er-Jahre-Signature-Ding, aber die hätten wir echt nicht gebraucht. Zu keiner Zeit." Dummerweise wissen das manche Leute 2024 immer noch nicht.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.