Bill und Tom Kaulitz sprechen in der neuesten Folge ihres Podcasts "Kaulitz Hills" viele wichtige Themen an. Zum Beispiel die Verurteilung Donald Trumps, wie man mit Delfinen umgehen sollte, den kommenden Boxkampf von Mike Tyson, die Europawahl, die Wirkung von Knoblauch oder wie man die richtige Person für einen Dreier findet. Je nach persönlicher Lebenslage ist also für fast jeden etwas dabei, aber es gibt auch ein Thema, das bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit erfahren hat: Geometrie.

Christian Vock
Eine Satire
Diese Satire stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Alles beginnt mit einer scheinbar harmlosen Frage: "Kannst du eigentlich gerade Striche machen?", will Tom von seinem Bruder Bill wissen und sagt über sich selbst: "Ich kann keinen Kreis malen." Gerade freihändig sei das schwierig, erklärt Tom und gesteht weiter: "Und einen gerade Strich kann ich auch nicht. Oder so zweimal was unterstreichen." Bill offenbart ähnliche Defizite, aber bevor nun hämische Kommentare kommen: Es geht den beiden nicht um das generelle Anfertigen banaler Striche und Kreise, sondern um deren Qualität, sprich: Wie sehr sie ihrer exakten geometrischen Definition entsprechen und da sind wir schon bei des Pudels Kern.

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Denn ein Kreis ist ja nur ein Kreis, wenn alle Punkte auf der Kreislinie den gleichen Abstand zum Mittelpunkt haben. Da ist ein Kreis sehr penibel. Alle anderen geometrischen Figuren übrigens auch. Das ist bei einem Apfelkuchen zum Beispiel anders. Für einen Apfelkuchen braucht man laut Definition nur zwei Dinge: Apfel und Kuchen. Alles, was zwischen und um diese beiden Zutaten herum passiert, ist Interpretationssache. Es ist ja nicht so, dass ein Apfelkuchen nur ein Apfelkuchen ist, wenn alle Apfelstücke den gleichen Abstand zum Kuchenmittelpunkt haben. Wenn ich also der Meinung bin, einen Apfelkuchen gebacken zu haben, dann können Sie, sofern ich Äpfel und Kuchen verwendet habe, sagen, was Sie wollen, es könnte mir egal sein.

Bei geometrischen Figuren ist das anders. Die nehmen ihre Form sehr genau. Man könnte auch sagen: Geometrische Figuren sind ziemlich spießig. Da wird alles auf die Goldwaage gelegt, mit Definitionen hantiert und mit Formeln gearbeitet. Ich stelle mir das Leben als geometrische Figur ziemlich unlocker und wenig spontan vor. Alles läuft in vorgefertigten Bahnen ab, kein Raum für Freigeistiges. Hier hat jede Form genaue Vorgaben, wer wie lang und wo zu sein hat. Deshalb heißen geometrischen Figuren auch Dreieck, Rechteck oder Kreis und nicht etwa Fleck, Flatsch oder Gekrickel.

Geometrische Figuren? Nichts für Freigeister

Nein, bei geometrischen Figuren hat alles seine Ordnung und am besten sieht man das an einer Strecke. Eine Strecke, das sind zwei Punkte und die kürzestmögliche Verbindung zwischen diesen beiden Punkten. Eine Strecke hat also einen Anfang und ein Ende und wenn man von A nach B will, sollte man keine Umwege gehen. Deshalb sagt eine Strecke auch so gerne Wörter wie "zack, zack" oder "dalli, dalli!" Zumindest kann ich mir das vorstellen. Eine Strecke ist also nichts für Träumer und Flaneure.

Ein wenig anders sieht es beim Dreieck aus. Hier hat zwar auch alles seine Ordnung, aber ich glaube, im Innern eines Dreiecks rumort es gewaltig. Ein Dreieck besteht bekanntlich aus drei Ecken und man kennt das ja von sich selbst, wenn man mit Freunden unterwegs ist: Zu zweit ist alles super, auch zu viert, aber wenn man zu dritt ist, wird es kritisch. Ständig verbünden sich zwei gegen den einen, es wird getuschelt und gelästert und es fallen Sätze wie "Hast du gesehen, was der heute anhat? Das geht ja gar nicht!" Deswegen gibt es auch Sprüche wie "Das dritte Rad am Wagen" oder "So unnötig wie ein drittes Nasenloch."

Solche Probleme hat ein Rechteck nicht – dafür aber ganz andere. Hier muss alles denselben Winkel haben, nämlich einen rechten. Sonst wird ein Rechteck sehr schnell instabil und sähe nicht mehr wie ein Rechteck aus. Davor hat ein Rechteck ziemlich große Angst. Deshalb ist ein Rechteck auch so ein großer Fan von Recht und Ordnung. Zumindest sagt das Rechteck das immer. Ich glaube aber, ein Rechteck nimmt es mit Recht und Ordnung manchmal selbst nicht so genau, wenn es denkt, dass keiner hinguckt.

Dreieck, Rechteck, Bogen: schwierig

Wir sehen also, dass jede geometrische Figur so ihre Probleme hat und bei einem Bogen ist das nicht anders. So ein Bogen, der verspricht dieselbe Ordnung und Standfestigkeit eines Rechtecks; weil er aber gebogen ist, verströmt er auch etwas Sanftes. Ein Bogen, so könnte man sagen, soll einem Rechteck ein wenig Wärme und Menschlichkeit verleihen. Das ist aber oft nur Augenwischerei, denn gleichzeitig guckt ein Bogen, egal, an welchem Ende man steht, immer zurück. So als ob der Bogen gerne von der guten alten Zeit träumt. Man könnte also sagen: Die Gegenwart des Bogens ist immer der Blick in die Vergangenheit und nicht der in die Zukunft.

Geometrische Figuren, das haben wir gerade gesehen, sind also ziemlich einfach gestrickt. Sie vermitteln Sicherheit und Ordnung, weil alles so gleich ist, aber das ist eine trügerische Sicherheit. Gleichzeitig haben nämlich alle geometrischen Figuren, auch das haben wir gesehen, so ihre Tücken und Eigenheiten. In einem Dreieck herrscht viel Streit, ein Rechteck hat Angst vor Neuem, ist selbst aber gar nicht so auf Recht und Ordnung bedacht, wie es tut, und ein Bogen gibt sich nach außen gerne lieb und nett, lebt aber in der Vergangenheit.

Klingt alles nicht so attraktiv, was? Wer hätte das gedacht, bei so harmlosen Dingen wie einem Dreieck, einem Rechteck und einem Bogen? Müsste ich mir also unter allen geometrischen Figuren die aussuchen, die ich besonders gut finde, dann würde ich um Dreieck, Rechteck und Bogen, nun ja, einen Bogen machen. Erst recht, wenn sie zusammen auftreten, also zum Beispiel ein Dreieck an der Spitze, darunter ein langes Rechteck, das zu einem Bogen wird. Das sieht erstens nicht gut aus, und symbolisiert zweitens Werte, die ich nicht vertrete. Wäre ich zum Beispiel eine Partei, die so etwas als Logo hat, würde ich mich nicht wählen wollen. Die Kaulitz-Brüder würden mir da sicher zustimmen.

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