- Adel Tawil meldet sich nach knapp zwei Jahren mit seiner neuen Single "Die Welt steht auf Pause" zurück.
- Im Interview mit unserer Redaktion spricht er über Vernunft, seinen Kleiderschrank und die 60.000 Zuschauer in Fußball-Stadien während der EM.
- Zudem verrät der Sänger, inwiefern er während der Corona-Pandemie auf den Pause-Knopf gedrückt hat.
Bekannt wurde
Nach der Bandauflösung gründete der heute 42-Jährige mit der Musikerin Annette Humpe das Musikprojekt "Ich + Ich". Das Pop-Duo wurde für seine drei Studioalben insgesamt mit achtmal Gold und achtmal Platin ausgezeichnet. Zudem haben sie unter anderem viermal den Echo in unterschiedlichen Kategorien verliehen bekommen.
Seitdem sich Tawil und Humpe 2010 für eine kreative Pause entschieden haben, ist der Sänger als Solokünstler unterwegs. Mit dem Song "Lieder" hielt er sich beispielsweise 70 Wochen auf den obersten Treppchen der deutschen Single-Charts und wurde fünfmal mit Gold ausgezeichnet.
Nun meldet sich der Singer-Songwriter nach fast zwei Jahren mit seiner neuen Single "Die Welt steht auf Pause" zurück. Im Interview mit unserer Redaktion spricht er unter anderem darüber, wie er die Corona-Pandemie wahrgenommen hat und wie es zu den Fotos mit den zwei Gangster-Rappern "Haftbefehl" und
Adel Tawil, die erste Single auf Ihrem neuen Album heißt "Die Welt steht auf Pause". Haben Sie während der Pandemie auch mal auf das Pause-Knöpfchen gedrückt?
Adel Tawil: In dem Lied geht es um die Sehnsucht, sich zu berühren und wiederzusehen – oder was passiert, wenn man sich das erste Mal sieht und das erste Mal küsst. Dieses Verlangen war bei vielen Menschen im Lockdown sehr stark. Mir ging es nicht anders. Am Anfang habe ich ihn zwar ganz klar begrüßt. Mein Gedanke war: "Wow! Es gibt jetzt eine Auszeit. Ich muss mir selbst keinen Druck machen, einfach mal nichts tun." Das hielt aber auch nur zwei Monate an. Dann kam immer mehr das Bedürfnis nach Nähe, Austausch und Konzerten. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass mich das so belastet. Ich musste mich richtig anstrengen, um einen Ausgleich zu finden.
Zum Beispiel?
Ich habe viel Sport gemacht, vor allem Yoga. Außerdem habe ich ein bisschen Gitarre gespielt und meine Französischkenntnisse aus der Schule mit Apps aufgefrischt. Aber das alles kann bei weitem nicht das ersetzen, was man spürt, wenn man auf eine Bühne geht und dort mit anderen Menschen zusammen singt.
Hinzu kam, dass man jedes Mal, wenn man das Radio und Fernsehen angeschaltet hat, nur mit Corona-Themen konfrontiert wurde. Irgendwann musste ich mir selbst – als eigentlicher Talkshow- und Informations-Junkie – eine Zwangspause geben und sagen: "Nein, ich verbringe jetzt die Zeit mit meiner Familie und schalte mal ab."
Ist das zwischendurch "Auf-Pause-Drücken" etwas, das Sie aus der Pandemie als Lehre mitgenommen haben?
Ja. Jetzt beschränke ich mich doch eher auf das, was wirklich wichtig ist – auch bezogen auf materielle Dinge. In der Pandemie fand ich es eigentlich sehr angenehm, mal nicht einkaufen und shoppen gehen zu können beziehungsweise zu müssen. Annette Humpe hat 2008 schon in dem Lied "Junk" davon gesungen, zu viele Klamotten im Schrank zu haben. Und ich dachte: "Sie hat recht: Ich habe definitiv zu viel." (lacht)
Klingt, als seien Sie in dieser Hinsicht nicht unbedingt der vernünftigste Typ Mensch …
Ich bin leider generell sehr auf Bauch beziehungsweise Herz fixiert und reagiere oft spontan. Das kann manchmal zu Problemen führen. Aber eigentlich bin ich damit immer sehr gut gefahren. Ich bin schon sehr emotional und habe mich einige Male unvernünftig verhalten. Das passiert. So ist das Leben.
Adel Tawil: "Sehr verwunderlich, warum dann während der EM bis zu 60.000 Menschen in ein Stadion dürfen"
Wie haben Sie musikalisch den Lockdown genutzt?
Mir ist es sehr schwergefallen, in dieser Zeit Musik zu schreiben. Ich habe es zwar probiert, aber es hat nicht so gut funktioniert. Die Situation war ziemlich ungewohnt: Jeder Song, den ich angefasst habe, wurde ganz düster, voller Angst und melancholisch. Weil ich auf keinen Fall ein Corona-Album haben wollte, habe ich gewartet, bis man sich wieder treffen und austauschen kann.
Wie haben Sie die Zeit wahrgenommen, als es damit wieder so langsam losging?
Zuerst habe ich mir gesagt: "Okay, jetzt hast du ein Jahr Pause gemacht – wie alle Menschen auch – und jetzt musst du irgendwie einen Weg finden." Dann fing es mit den Tests und den Impfungen an. Auf einmal schien alles wieder möglich. Auf der anderen Seite war es im Studio eine komplett neue Situation: Bevor man reinging, pulte man sich erst mit diesem Stäbchen in der Nase und stand dann 15 Minuten noch mit Maske da. Nach einiger Zeit kam heraus: "Negativ, negativ, negativ. Alles klar, Masken ab und los geht's." Es war völlig absurd. Aber wir haben uns an die Situation angepasst.
Musik machen ist wie mein Lebenselixier. Ich habe so sehr gehofft, dass es nicht noch ein Sommer ohne Open-Air-Konzerte wird. Aber das ist allen zu unsicher, weswegen alles auf das nächste Jahr verschoben wird. Gleichzeitig ist es natürlich sehr verwunderlich, warum dann während der EM bis zu 60.000 Menschen in ein Stadion dürfen.
Sehr frustrierend …
Genau. Außerdem konnte man während der Pandemie auch sehr schwer neue Talente entdecken. Normalerweise bin ich jemand, der in dieser Hinsicht ganz klassisch in Berlin unterwegs ist: Ich gehe gerne zu einem Open Mike oder in einen kleinen Club und schaue mich um. Manchmal gehe ich auch in die Studios, klopfe überall an den Türen, störe beim Arbeiten und frage, was sie gerade machen.
Adel Tawil: "Ich hätte gerne etwas mit Marlene Dietrich gemacht"
Lief das Kennenlernen mit Haftbefehl und Farid Bang genauso ab? Auf Ihrem Instagram-Profil gibt es einige Fotos mit den beiden Rappern, die auf eine musikalische Zusammenarbeit hinweisen …
Nicht ganz (lacht). Für mein vorletztes Album 2017 habe ich einen Song mit KC Rebell und Summer Cem gemacht, die zu dem Zeitpunkt beide bei "Banger Musik" unter Vertrag waren. So habe ich dann die "Banger"-Leute kennengelernt, unter anderem kam dabei auch ein Treffen mit Farid zustande. Haftbefehl habe ich zum ersten Mal bei einem klassischen Konzert im Konzerthaus Berlin kennengelernt. Dort sind wir gemeinsam bei einem Mashup aus Klassik und Hip-Hop aufgetreten. Kurz danach hat mich Farid angerufen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte, bei einer Nummer für sein neues Album mitzumachen. Entstanden ist schließlich ein Lied, in dem wir erzählen, was wir so erlebt haben, als wir jung waren.
Es ist nicht Ihre erste Zusammenarbeit mit Rappern. Warum dieses Genre?
Weil ich vom Hip-Hop komme und ich damit groß geworden bin – mit Breakdance und all dem, was Hip-Hop damals war. Das war aber auch noch vor den Zeiten von Gangsta-Rap. Leider denken viele Menschen immer noch, dass Hip-Hop nur daraus besteht. Dabei ist Gangsta-Rap letztlich auch nur eine Sparte davon.
Mit welchem Künstler würden Sie gerne mal gemeinsam Musik machen?
Ich hätte gerne etwas mit Marlene Dietrich gemacht. Sie war großartig und hatte etwas ganz Klassisches. Da war so viel Eleganz und Stimme, ich habe ihr alles in ihren Songs geglaubt. Wahrscheinlich hätte ich mich in so einen richtig feinen Anzug geschmissen und so ausgesehen wie in den Goldenen Zwanzigern (lacht). Das wäre eine gute Kombo gewesen.
Und mit welchen Künstlern aus diesem Jahrhundert?
Cassandra Steen war für mich zum Beispiel immer schon eine der großartigsten Stimmen, die wir hier im Land haben. Wir haben zwar schon zusammengearbeitet, aber bei Konzerten vermisse ich sie und ihre Stimme immer noch.
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