Mit 53 Jahren tritt Rapper und Musikproduzent Moses Pelham von der großen Bühne ab. Im Dezember endete bereits seine letzte Tour, am 24. Januar kommt sein finales Album "Letzte Worte" auf den Markt. Bereut er seinen Schritt schon?

Ein Interview

Moses Pelham zieht sich zurück, seine letzte Tour ist gespielt. Die war kräftezehrend. Im Interview mit unserer Redaktion verrät der Sänger und Songwriter, wie er sich intensiv darauf vorbereitet hat, was er in Zukunft vorhat - und ob er ein Comeback kategorisch ausschließt.

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Herr Pelham, Ihre letzten Konzerte sind gespielt, Ihre "letzten Worte" auf Ihrem Abschiedsalbum verewigt. Wie oft haben Sie Ihren Schritt, Ihre Karriere als Bühnenkünstler zu beenden, im Rahmen Ihrer emotionalen Abschiedstournee bereut?

Moses Pelham: Die Tour war wirklich sehr emotional, bereut habe ich meinen Schritt aber kein einziges Mal. Ganz im Gegenteil: Ich fühle mich durch die wunderbaren Erfahrungen, die wir dabei sammeln durften, in meiner Entscheidung bestärkt. Ich wollte meinem Publikum noch mal alles, was wir hatten, vor Augen führen. Was zunächst als ein Dienst an meinen Hörern gedacht war, wurde letztendlich auch zu einem Dienst an mir selbst. Es hat mir sehr gutgetan, noch ein letztes Mal mit all den Leuten, die mich zum Teil bereits seit mehr als 30 Jahren begleiten, zusammenzukommen und das Ganze zu zelebrieren. Alles war von irrsinniger Liebe geprägt. Der Aufwand hat sich gelohnt.

Wie kräftezehrend war diese Tour für Sie?

Wir haben 15 Konzerte gespielt und standen pro Abend inklusive der Zugaben zweieinhalb Stunden auf der Bühne. Nach jeweils drei Konzerten gab es maximal einen Off-Day. Dabei wurde mir wieder einmal gewahr: Das ist eine Sache für jüngere Leute. Man kann das nicht ewig machen. Um die Tour in dieser Intensität spielen zu können, musste ich im Vorfeld auch an mir arbeiten. Ich habe 27 Kilo abgenommen.

Kann man das nicht ewig machen oder können Sie das nicht ewig machen, weil Sie eben so hohe Ansprüche an sich selbst haben?

Genau, es soll nicht allgemeingültig klingen. Mein Werk bedeutet mir sehr viel. Ich habe in den vergangenen 31 Jahren alles andere in meinem Leben hintenangestellt. Mir ist es wichtig, das ordentlich zu Ende zu bringen, selbstbestimmt einen Schlussstein zu setzen. Und das im vollen Besitz meiner Kräfte. Auch mir ist das nicht ewig versprochen. Daher ging es darum, den richtigen Moment zu finden, in dem ich noch in der Lage bin, diesen Schritt bewusst zu gehen. Das Problem ist, dass man dazu tendiert, diesen Schlusspunkt zu früh zu setzen. Ich muss aber dazu sagen, dass ich bereits seit sechs Jahren darüber nachdenke. Diese Entscheidung ist also ganz bestimmt nicht aus einer Laune heraus getroffen worden.

Moses Pelham: "Mein Ende mag ein bisschen eigenwillig erscheinen, aber ..."

Lieber zu früh als zu spät?

Ja. Ich wollte nicht, dass es so dahinplätschert. Tatsächlich kenne ich nicht viele Leute, die eine Platte machen, von der sie bereits im Vorfeld wissen, dass es ihre letzte Platte ist. Die meisten Künstler erfahren erst drei, vier Jahre später, dass es ihre letzte Platte war – und das auch nur, weil danach keine weitere mehr kam. Ich hingegen wollte ein Album machen, das sich damit beschäftigt, die letzte Platte zu sein. Mein Ende mag ein bisschen eigenwillig erscheinen, aber ich bin das meinem Werk, meinen Leuten und letztlich auch mir selbst schuldig.

Sie haben die Arbeit an Ihrem Abschiedsalbum einmal mit der Planung der eigenen Beerdigung verglichen. Fühlen Sie sich jetzt, wo das Werk fertig ist, lebendiger als jemals zuvor?

Mir ist zumindest eine Last von den Schultern gefallen. Ich bin sehr dankbar – zum einen für die Liebe des Publikums als auch für den großen Fundus, aus dem wir für die letzte Tour wählen konnten. Vor allem bin ich auch mit der Platte sehr glücklich. Ich wollte keine Platte machen, von der ich später einmal sagen würde: Das hätte man sich auch sparen können! So etwas durfte zum Ende meines Werks auf keinen Fall passieren.

Moses Pelham, hätte es den deutschsprachigen Rap ohne Sie vielleicht nie gegeben?

Wie ordnen Sie Ihr Vermächtnis ein? Hätte es den deutschsprachigen Rap, wie wir ihn heute kennen, ohne Sie vielleicht nie gegeben?

Das würde ich so nicht sagen. Ich finde es sehr schmeichelhaft, dass sich ein paar Leute von meiner Kunst beeinflusst fühlen – insbesondere wenn es sich um Leute handelt, deren Arbeit ich selbst toll finde. Aber den deutschen Rap hätte es auch ohne mich gegeben.

Sie sind der erste und einzige Rapper weltweit, der über fünf Dekaden in den offiziellen deutschen Charts vertreten war. Was macht das mit Ihnen?

Ach, das ist letztendlich auch dem Umstand geschuldet, dass ich bereits Ende der 80er-Jahre erstmals in den Charts vertreten war. Hätte ich meine Debütplatte zwei Jahre später gemacht, würde "fünf Dekaden" schon nicht mehr stimmen. Insofern weiß ich nicht, ob das unbedingt ein Qualitätsmerkmal ist. Es gehört auch ein bisschen Glück dazu, dass alles passt.

Inwiefern haben Sie sich über Ihre künstlerische Weiterentwicklung auch persönlich verändert?

Ich bin ganz und gar davon überzeugt, dass ich mich persönlich verändert habe. Die Kunst war für mich ein Weg, diese Welt zu erkunden, mich mit ihr, aber auch mit mir selbst auseinanderzusetzen. Ich war zwölf, als ich damit begann, erste Reime zu schreiben und etwas aufzunehmen. So konnte ich auf mich aufmerksam machen und der Welt sagen, wie ich heiße. Erst acht, neun Jahre später fing ich an, mir andere Fragen zu stellen: Wer bist du? Und wer willst du überhaupt sein? Als ich mich in jungen Jahren in diese Musik verliebte, konnte noch niemand absehen, wozu diese Kunst eines Tages fähig sein würde.

Wozu ist Rap heute fähig?

Es ist ein Medium. Damit kannst du alles formulieren, was dich bewegt. Das konnte mir damals noch gar nicht klar sein. Neben der intensiven Auseinandersetzung mit mir selbst haben meine Veröffentlichungen wiederum auch etwas mit den Hörerinnen und Hörern gemacht. Das Ganze ist allerdings keine kommunikative Einbahnstraße. Ich sende nicht nur, sondern empfange auch das Feedback der Leute. Eine verrückte Sache, die mein komplettes Leben verändert hat. Ich kann mir nicht vorstellen, wer ich ohne diese Kunstform heute wäre – und welches Bild ich von der Welt und welchen Umgang ich mit Menschen hätte.

Sie werden dieser Kunstform als Produzent und Autor erhalten bleiben. Dennoch: Werden Sie das direkte Feedback des Publikums, sprich den Applaus, vermissen?

In gewisser Weise wird mir das schon fehlen. Ich kann aber sagen: Ich hatte das alles – und zwar sehr intensiv. Es war toll! Auch wenn ich nicht verhehlen möchte, dass Wehmut mitschwingt, herrscht in erster Linie die Dankbarkeit vor. Wenn es nicht wehtut, hat's keinen Wert!

In einem gemeinsamen Song mit Haftbefehl üben Sie an den "Fuckboys" und deren "Gangster-Geschwalle" Kritik. Warum gehören diese Zeilen zu Ihren "letzten Worten"?

"Benelli M4" ist eines der Stücke, die in meiner ursprünglichen Vorstellung von "Letzte Worte" nicht vorhanden waren. Hätten Sie mich vor vier Jahren gefragt, ob dieser Song auf meinem letzten Album enthalten sein würde, hätte ich gesagt: "Nein, auf keinen Fall!" Zunächst hatte ich nur Stücke wie "Der Anfang vom Ende", "Besseres für uns", "Alles verschwimmt" und dergleichen vorgesehen. "Benelli M4" hätte ich damals für unwürdig gehalten, weil der Titel etwas Infantiles hat. Mein Fokus lag und liegt nach wie vor auf der Frage: Was willst du hinterlassen? Doch während ich an der Platte arbeitete, stellte ich mir eine weitere Frage, die unverhofft eine Bedeutung bekam – nämlich: Was willst du noch machen, wenn das deine letzte Platte sein soll?

Moses Pelham blickt in die Zukunft: "Ich würde schon gerne noch mal Scheiße labern"

Wie lautet die Antwort? Was wollen Sie noch machen?

Ich würde schon gerne noch mal Scheiße labern (lacht). Schon als Zwölfjähriger habe ich versucht, Worte zu finden, mit denen ich auf immer neuen Wegen sagen konnte, warum ich der Geilste bin. Wortspielereien sind seit jeher ein Teil meines Gesamtwerks. Daher ergab es für mich jetzt Sinn, mir das noch einmal zu erlauben.

Auf Ihrem Album ist auch Xavier Naidoo, der als durchaus umstrittene Persönlichkeit gilt, zu hören. Rechnen Sie mit Gegenwind und was würden Sie den vermeintlichen Kritikern entgegnen?

Xavier und seine Stimme sind so eng mit meinem Werk verbunden. Xavier sang nicht nur schon auf dem Rödelheim-Hartreim-Projekt-Debütalbum "Direkt aus Rödelheim", sondern bereits auf "The Bastard Lookin´ 4 The Light", meinem ersten selbstproduzierten Soloalbum aus den Jahren 91/92, das allerdings erst 2000 erschien. Wenn er singt, klingt es für mich nach Zuhause. Mir war es künstlerisch und persönlich sehr wichtig, ihn bei diesem letzten Mal dabei zu haben.

Schließen Sie einen Rücktritt vom Rücktritt aus? Sie werden im Februar erst 54 Jahre alt.

Geplant ist es keinesfalls. Wie bereits erwähnt, war es mir erst einmal wichtig, mein Werk zu vollenden, solange ich es noch kann. Sollte ich jedoch in ein paar Jahren meinen, noch mal etwas machen zu müssen, werde ich es mir nicht kategorisch verbieten, eine Zugabe zu geben. Dann müsste es aber schon eine Art Neuanfang sein und keine Fortsetzung dessen, was ich in den vergangenen 31 Jahren gemacht habe. Und es müsste mit anderen Mitteln geschehen, die dann auch meinem jeweiligen Alter entsprechen.

Die Musikbranche entwickelt sich stetig weiter, die technischen Möglichkeiten ebenso. Welchen Einfluss wird Ihrer Meinung nach die KI eines Tages auf Produktionen haben?

In der Tiefe habe ich mich damit noch nicht auseinandergesetzt. Zwar haben wir mal ein paar Sachen versucht, doch es ist bisher lediglich beim Versuch geblieben. Ich bin aber sicher, dass die Künstliche Intelligenz ihren Einfluss haben wird – wie so vieles, was in den vergangenen Jahrzehnten hinzugekommen ist. Ich weiß aber nicht, ob dieser Einfluss so riesig sein wird, wie hier und da befürchtet wird. Doch klar ist: Die Welt dreht sich – und alles in ihr mit. Als vor etwas mehr als 35 Jahren der Sampler erschwinglich wurde, veränderte sich damit ja auch alles. Es war eine Art Neuanfang. Diese Entwicklung ist immer weiter fortgeschritten. Heute gibt es Leute, die ohne weiteres Equipment und nur am Computer Sachen herstellen.

Moses Pelham hat sein neues Album "Letzte Worte" veröffentlicht.

Woran haben Sie damals mithilfe von KI experimentiert?

Es gab die Idee, meinem vor mehr als 20 Jahren verstorbenen Vater mithilfe von KI etwas singen zu lassen. Das Ergebnis war fürchterlich. Entweder war das einem Operator-Fehler geschuldet oder wir haben vielleicht nicht die beste Software genutzt. Jedenfalls hat es mich überhaupt nicht überzeugt. Ich habe aber auch schon von anderen Sachen gehört, die aus Spaß entstanden sind und die ich ganz bemerkenswert finde.

Mit welchen "letzten Worten" möchten Sie dieses interview beenden?

Es war nicht geplant, aber die letzten Worte, die ich auf meinem Album sage, lauten: "Eins noch, vergiss' nicht, wie sehr wir dich lieben." Und das finde ich großartig.

Über den Gesprächspartner

  • Moses Pelham ist ein deutscher Rapper, Sänger, Songwriter und Produzent. Der in Frankfurt geborene Musiker ist zudem Geschäftsführer seines in den 90er-Jahren gegründeten Plattenlabels "pelham power productions (3p)". Pelham gilt als Urgestein der deutschen Musikszene und avancierte mit der Veröffentlichung seines Debütalbums "Direkt aus Rödelheim" zum Paten des deutschen Hip-Hops. Seiner Feder entstammen 29 LPs und 94 Single-Veröffentlichungen. Im Januar 2025 veröffentlicht Moses Pelham sein finales Album "Letzte Worte".
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