Conchita Wurst siegt beim Eurovision Song Contest 2014 und der Life Ball in Wien zieht internationale Aufmerksamkeit auf sich. Es scheint, als wäre Österreich so tolerant und liberal wie kaum ein anderes europäisches Land. Aber stimmt das? Diese Frage wollte "Im Zentrum" klären.
Wie tolerant ist Österreich wirklich? Diese Frage wollte am Sonntagabend nach dem Life Ball eine Runde im ORF-Talk "Im Zentrum" klären. Die dort angebrachten Äußerungen zu Homosexualität und Trans-Gender führen seitdem in sozialen Netzen zu Aufregung. Der Grund: Stellenweise könnte man sie durchaus als mittelalterlich bezeichnen. Doch von Anfang an.
Grünen-Politiker Marco Schreuder machte in der Talkrunde schon zu Beginn keinen Hehl daraus "ein Problem mit 'politischer Korrektheit'" und dem damit verbundenen "Sprechverbot" zu haben: "Tolerieren heißt dulden. Dabei sind die Österreicher ziemlich gut." Wenn es aber um Respektieren und Akzeptieren gehe, sehe das anders aus. Homophobie scheine in der Bevölkerung immer noch weit verbreitet - trotz oder gerade wegen jener Frau mit Bart, die in den vergangenen Wochen auf der ganzen Welt von sich reden gemacht hat. Für die einen eine Kunstfigur, die Kinder verstört, ist
Debatte um Transsexualität ein "Hype"
Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie bezeichnete die Debatte um Transsexualität und gleichgeschlechtliche Liebe als "Hype", der von Conchita Wursts Sieg beim ESC nur neu befeuert worden sei. Sie kann verstehen, dass nicht jeder sich mit dieser Lebensart arrangieren könne - oder auch mit der Art, mit der das Thema nun von allen Seiten bejubelt werde. Das heurige Life-Ball-Plakats etwa geht Merckens einen Schritt zu weit. Mit Toleranz hat das Trans-Gender-Motiv von Starfotograf David LaChapelle ihrer Ausfassung nach nichts zu tun. Das Plakat sei "verletzend, irritierend, pornografisch". Mario Soldo, als Dame Galaxis ein Pioneer in der Wiener Dragqueen-Szene, war sein Ärger über diese Aussage deutlich anzumerken.
Dem Porno-Aspekt widersprach auch Gender-Forscherin Elisabeth Holzleithner, Anti-Sexismus-Beirätin im österreichischen Werberat: "Ich habe mit sehr viel sexistischer Werbung zu tun, die mich wesentlich mehr stört als dieses Plakat." Vielmehr sei die Darstellung "ein sehr wichtiges Statement im öffentlichen Diskurs".
Während sich Holzleithner für diese Aussage im TV rechtfertigen musste, twitterte "Woman"-Chefredakteurin Euke Frank: "Sohn, 13, sagt den klugen Satz: 'Ich verstehe nicht, warum das alles so schwer sein soll.'" Thomas Mayer, leitender Redakteur des "Standard", zeigte sich ebenso erschüttert über die Ansichten ranghoher Gesprächspartner in der Talkshow: "Bei ORF-Debatten wie #imzentrum heute denke ich manchmal, ich habe plötzlich einen Schwarz-Weiß-Fernseher", schrieb er.
Homosexuelle? Autos? Egal!
Womöglich störte er sich an der Meinung von Marcus Franz, Abgeordneter des Team Stronach. Der erklärte bei "Im Zentrum", politische Korrektheit lege sich "wie ein vernebelnder Schleier über das Volk", und jeder Kritiker werde mundtot gemacht. Darauf reagierte auch das Kabarettisten-Duo Gebrüder Moped bei Twitter: "Wenn Kinder fragen: Was bringt und das Team Stronach? Es sorgt dafür, dass Menschen keine Autos heiraten."
Ob Autos oder Homosexuelle: Überspitzt gesagt macht das in Sachen Ehe laut Merckens tatsächlich keinen Unterschied: "Ehe ist definiert als eine Verbindung von Mann und Frau, und zwar gesetzlich. Natürlich könnte man das ändern, aber ich möchte das nicht!" Nach diesem Statement fragt SPÖ-Mann Rudi Fußi via Twitter nach: "In Wahrheit geht es um die Frage: Wie kommen Sie darauf, dass Sie mir verbieten können, zu heiraten und Kinder zu haben? Es ist doch eine Riesensauerei, dass es keine Ehe für alle und kein Adoptionsrecht für alle gibt. Menschenverachtend."
Journalist Peter Rabl brachte bei Twitter ein mögliches Schlusswort zu dieser Debatte an: "Ich bin auch deshalb für Homo-Ehe und sonstige Gleichstellung, damit dann endlich solche Diskussionen erledigt sind."
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