Am Donnerstag geht es sprichwörtlich um die Wurst: Wenn Conchita Wurst beim zweiten Semi-Finale des Eurovision Song Contest antritt, hofft ganz Österreich auf ein kleines ESC-Wunder. Wie viel ist der bärtigen Dame zuzutrauen?
Der ESC ist ihr großer Traum: 2013 unterlag
2014 ist nun das Jahr der Conchita Wurst. Beim ORF verzichtete man auf einen umständlichen Vorentscheid und nominierte die Sängerin direkt. So darf die umstrittene Glamour-Lady mit dem gepflegten Barthaar nun also dieses Jahr ihre österreichische Heimat in Kopenhagen vertreten.
Gewohnt provokativ schickt sich Conchita Wurst an, nach den peinlichen Niederlagen der vergangenen Jahre Österreichs Ehre auf der internationalen Musikbühne zu retten. Ein vierköpfiges Komponisten-Team, das in unterschiedlicher Konstellation bereits für
Bühnenpräsenz
Conchita fällt selbst im überdrehten ESC-Zirkus auf: die Frisur von Kim Kardashian, ein Bart wie Harald Glööckler und ein goldenes Glitzerkleid, das man durchaus als Hommage an Kopenhagens Wahrzeichen, die Kleine Meerjungfrau, werten könnte. Die Ballade "Rise like a Phoenix" bietet nicht den Rahmen für eine ausgeflippte Bühnenshow, sodass Conchita das Publikum vor allem mit ihrer Stimme überzeugen muss.
Unter den vielen zappeligen Disco- und Folklore-Beiträgen im zweiten Halbfinale wird sie damit auf alle Fälle hervorstechen. Ein besonders geschickter Schachzug: Conchitas Gesicht wird erst spät aus dem Nebel auftauchen, sodass die Zuschauer sich zunächst einmal ganz unvoreingenommen auf die Musik einlassen können.
Ohrwurmpotenzial
"Rise like a Phoenix" wurde aus rund 100 Vorschlägen nationaler und internationaler Komponisten ausgewählt. ORF-Unterhaltungschef Edgar Böhm ist überzeugt davon, dass Österreich mit diesem Titel tatsächlich wie der berühmte Feuervogel aus der Asche der bisherigen ESC-Niederlagen aufsteigen könnte.
Einen Innovationspreis gewinnt die Powerballade im James-Bond-Stil zwar ganz sicher nicht, dafür geht sie mit dramatischem Spannungsaufbau und glamouröser Orchestrierung sofort ins Ohr und hebt sich damit wohltuend von den ESC-typischen belanglosen Euro-Disco-Nummern der Konkurrenz aus Estland, Portugal oder der Ukraine ab.
Stolperfalle
Conchita polarisiert, wo immer sie auftritt. Das dürfte auch beim ESC ihr größtes Problem sein: Nach homophoben Anfeindungen aus Weißrussland, Armenien und Russland steht längst nicht mehr die Musik im Mittelpunkt der Debatte.
Wurst-Gegner sehen im österreichischen ESC-Beitrag "homosexuelle Propaganda" und "perverse europäische Werte". In mehreren Ländern wurden Online-Petitionen gegen Conchitas Auftritt gestartet. Diese Kontroverse dürfte Conchita viele Stimmen konservativer ESC-Fans kosten. Schade, denn gerade in den zahlenmäßig stark vertretenen osteuropäischen Ländern waren Balladen im Stil von "Rise like a Phoenix" bei den letzten ESC-Ausgaben sehr erfolgreich.
Siegeschancen
Die Buchmacher sehen Conchita Wurst auf alle Fälle im Finale, auch wenn es dort wohl nur für einen Platz im Mittelfeld - hinter den poppigeren Titeln aus Skandinavien - reichen wird. An den Erfolg ihres Lieblings-ESC-Titels, den Siegersong "Ne partez pas sans moi" von Celine Dion aus dem Jahr 1988, wird Conchita mit ihrer Ballade wahrscheinlich leider nicht anknüpfen können.
Doch kaum ein Wettbewerb ist so unberechenbar wie der Eurovision Song Contest: Vielleicht sorgt der schillernde Phönix ja doch für ein österreichisches Wunder. Wir halten die Daumen.
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