Damit haben sie selbst am wenigsten gerechnet: Wegen Christoph & Lollo hätte sich der Buwog-Prozess beinah verzögert. Deswegen hat das Wiener Liedermacher-Duo fast ein schlechtes Gewissen. Aber nur fast.
Ihr seid momentan wegen "Karl-Heinz" recht unerwartet in aller Munde. Das Lied stammt aus 2009. Hättet ihr euch damals gedacht, dass Karl-Heinz Grasser je vor Gericht landet?
Lollo Pichler: Vor Gericht schon. Aber wir haben uns damals schon gedacht, er wird sicher nie ins Gefängnis gehen.
Christoph Drexler: Das war von langer Hand geplant: Dass das Lied für immer gespielt werden wird können. Wir haben auch T-Shirts, wo der Slogan draufsteht, und die sind ein Renner für immer und ewig.
Was hat euch seinerzeit dazu bewogen, euch so intensiv mit Grasser auseinanderzusetzen?
Christoph: Der war ein ganzes Jahrzehnt der Liebling aller Schwiegermütter. Er war als amtierender Finanzminister auch bei "Wetten, dass..?" zu Gast. Deswegen war es naheliegend, über so eine prominente Person ein Lied zu machen.
Lollo: Und zu dem Zeitpunkt ist die Stimmung in der Bevölkerung immer mehr umgeschlagen, weil der ja - scheinbar - in immer mehr Dinge verwickelt war, die die meisten Leute nicht ganz koscher finden.
Die Boulevardmedien, insbesondere die "Kronen-Zeitung", haben weiter an ihm festgehalten und alle paar Tage einen Jubelartikel veröffentlicht, um ihn zu preisen. Da haben wir uns gedacht, es wäre doch nett, einmal einen Mann aus dem Volk sprechen zu lassen.
Ihr habt zum Start des Buwog-Prozesses eine Live-Version von "Karl-Heinz" veröffentlicht - mit dem Vermerk, ihr hättet gehört, Herr Ainedter und Herr Grasser wären große Fans, und gezeichnet mit lieben Grüßen von der Abteilung Vorverurteilung und Medienhetze. War das nicht ein bissl sehr gehässig?
Lollo: Gehässig? (lacht) Nein. Wir sind ein internationaler Konzern, wir haben Tausende Abteilungen, die sich um alles kümmern, was unsere Geschäfte betrifft. Es war ja nicht unsere Idee, dass unser Lied in dem Prozess eine Rolle spielt.
Christoph: Die Kanzlei von Grassers Anwalt hat eine andere Kanzlei damit beauftragt, alles zusammenzutragen, was unter die Rubrik Medienhetze und Vorverurteilung fällt. Da ist ein 600 Seiten starkes Dossier zusammengetragen worden - mit all dem, was in deren Augen darunter fällt. Es ist nicht uns eingefallen, das Lied da einzuordnen.
Ist jemals wer auf euch zugekommen deswegen und hat versucht, euch zu verklagen? Oder sich beschwert, dass ihr darüber scherzt, dass der Fritzl den Karl-Heinz sekkieren könnte ?
Christoph: Wenn es so wäre, wäre das wahrscheinlich schon lang passiert. Der Karl-Heinz Grasser ist ja nicht unbedingt dafür bekannt, dass er sich mit so etwas lange Zeit lässt.
Habt ihr damals überlegt, ob etwas kommen könnte, und das miteinkalkuliert?
Lollo: (überlegt) Wir machen Lieder und Witze. Wir können nicht jedes Mal überlegen, ob uns was passieren kann. Dann ist kein Witz mehr möglich.
Es gibt trotzdem immer wieder mal Versuche, Satiriker zu verklagen. Stermann und Grissemann zum Beispiel.
Christoph: Der Punkt ist, ob man etwas Fragliches im Rahmen einer Kunst - in unserem Fall von Satire - macht, oder ob man das in einem Interview sagt. So quasi Prosa-mäßig.
Lollo: ... und bei unserem Lied: Ich habe keine Ahnung, was man uns da vorwerfen könnte. Es geht nicht um unsere Meinung, es geht nicht um die diversen Fälle, in die der Grasser verwickelt ist. Es geht um einen Typen, der im Wirtshaus nachdenkt. Es werden auch keine Nachnamen verwendet. Und Fritzl ist die Verkleinerungsform von Fritz.
Wegen "Karl-Heinz" bzw. weil der Ehemann der nunmehrigen Buwog-Richterin Marion Hohenecker das Lied auf Twitter kommentiert hat, wäre der Buwog-Prozess fast noch verschoben worden. Was war euer erster Gedanke, als ihr das gehört habt?
Christoph: Ich hätte mich tatsächlich ein wenig schuldig gefühlt, glaube ich. Und wahrscheinlich ist es auch nicht die beste Idee, als Richter so etwas zu posten.
Andererseits: Wenn ich mich in die Situation versetze, wüsste ich auch nicht, ob ich vor ein paar Jahren darüber nachgedacht hätte, ob meine Frau vielleicht irgendwann später so einen Prozess leiten wird.
Lollo: Das müsste man den Typen fragen, warum er das tut. Wir haben keine Kontrolle darüber, wer im Internet was über uns schreibt.
Seid ihr erschrocken, als ihr gehört habt, dass so diskutiert wird über ein Lied, das acht Jahre alt ist?
Lollo: Wir finden es in erster Linie lustig, wobei ich langsam das Gefühl habe, irgendwann könnt's uns auch nerven. Wir haben auch neuere Lieder, über die man sich aufregen kann.
Ihr seid deswegen sogar auf dem Titelblatt von "Österreich" gelandet. Premiere?
Lollo: Die größte Ehre, die uns je zuteil wurde. Wir beenden hiermit unsere Karriere, weil wir können nicht mehr erreichen als das. Und selbstverständlich haben wir uns 100 Exemplare der Zeitung geholt und unsere Wohnungen damit austapeziert.
Haben die gefragt, ob sie einen Screenshot aus dem Video verwenden dürfen oder ist der geklaut?
Christoph: Stimmt, da gibt's ja gar kein Foto.
Lollo: Stimmt, da haben wir die Rechte dran. He, super Idee! Da schreiben wir gleich einen Brief! (lacht) Die haben auch unseren Text abgedruckt, ohne uns zu fragen.
Warum die das gemacht haben, ist uns ein völliges Rätsel. Wir waren wirklich ein völlig unwichtiger Aspekt in der ganzen Sache.
Eure Lieder zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein bisschen hinterfotzig daherkommen. Zum Beispiel das Lied "Demokratie". Den einen oder anderen Aspekt darin kennt jeder von sich. Wie singt ihr über Dinge, die ihr an anderen beobachtet, und wie oft steckt von euch selbst was drin?
Christoph: Ich finde, anklagende Lieder zu singen, hilft sehr dabei, etwaig gleiches Verhalten zu entschuldigen. Und andere Leute zu beschuldigen. Da kann man sein schlechtes Gewissen relativ leicht beruhigen.
Es gibt zum Beispiel ein Lied über Ausbeutung auf der Welt. Da tue ich mir leichter, wenn ich meine Adidas-Schuhe anhabe, wenn ich dieses Lied singe. Im Gegensatz dazu fühlen sich die Leute vielleicht angegriffen.
Lollo: Wir singen gern über Inhalte. Wenn wir Glück haben, denken die Leute darüber nach. Aber was wir persönlich in unseren Schlössern, wenn wir auf unseren Jachten unterwegs sind und im Privatjet herumfliegen, darüber denken, ist doch völlig egal.
Christoph: So egal ist das halt nicht! John Lennon ist umgebracht worden, weil er in einem Penthouse gewohnt hat und gesungen hat "Imagine no possessions".
Lollo: Von einem Verrückten.
Christoph: Ja, oder der hat gesagt, es ist wegen seinem Penthouse. (beide lachen)
Welche Vorgänge in der Welt sind so skurril, dass euch als Satirikern nichts mehr dazu einfällt?
Lollo: Ähm ... (überlegt) Als der Tennislehrer (Sebastian Kurz, Anm.) und der Zahntechniker (Heinz-Christian Strache, Anm.) gesagt haben, Kindergärtnerinnen sollen gefälligst akademische Ausbildungen haben, haben wir schon gelacht.
Immerhin hat der Tennislehrer ja ein Studium abgebrochen.
Lollo: Jaaa, das haben Kindergärtnerinnen auch oft. (lacht)
Am 31. Dezember spielt ihr zum ersten Mal eine Silvestervorstellung im Theater Akzent. Welche guten Vorsätze habt ihr für 2018?
Christoph: Ich möchte nicht rauchen. (kichert)
Lollo: Schon wieder nicht zum Rauchen anfangen? (lacht) Es wird viel einfacher, jetzt kannst überall rauchen ...
Christoph: Ja, schade eigentlich. Vielleicht fang' ich doch zum Rauchen an. (überlegt) Ich möchte nicht gemein sein. Das ist tatsächlich ein Vorsatz. Ich bin öfter mal gemein.
Lollo: Zu mir bist du nie gemein.
Christoph: Ja, da hätt's auch größere Konsequenzen.
Lollo: Zu wem bist du gemein? Zu deinen Kindern?
Christoph: (murmelt) Ja, ich bin immer gemein zu meinen Kindern. (Lollo lacht im Hintergrund)
Und zu deiner Frau?
Christoph: Nein, zu der bin ich nie gemein.
Und Lollo?
Lollo: (überlegt) Machen das Leute wirklich ernsthaft? Ich hab' noch nie Silvestervorsätze gehabt, weil: Warum? Ich könnte mich ja zum Beispiel auch nach dem chinesischen Kalender orientieren.
Wie viel Therapie steckt in eurer Musik? Zumindest klingt der Text von "Fenchelrohkost oder Bierdurchfall" dezent nach Midlifecrisis ...
Christoph: Wir sind Künstler und müssen uns die ganze Zeit mit Haushalt beschäftigen. Weil wir immer zu Hause sind und immer kochen. Und müssen uns mit der Unbedarftheit unserer Frauen herumschlagen, was das Kochen betrifft. Das sind Themen, die uns wirklich beschäftigen.
Unter anderem wartet ihr immer noch auf euren Nobelpreis.
Christoph: Ja, tatsächlich. Aber vielleicht kannst du an das Komitee eine Stellungnahme schicken, wie würdig wir dafür sind.
Ich glaube, man kann da einfach Vorschläge hinschicken. Hitler ist zumindest einmal vorgeschlagen worden für den Friedensnobelpreis.
Lollo: Echt? Und dann hat ihn doch Obama bekommen ...
Christoph: Ja, man kann's ja mal probieren. Vielleicht findet sich grad kein Besserer. Was wäre das dann für eine Rubrik?
Lollo: Ich kenne mich da auch nicht aus. Aber da kriegt man sehr viel Geld oder? Also, ich bin dafür.
Christoph: Man kriegt vor allem eine Urkunde, angefertigt von einer Österreicherin. Die ist Meisterin in der Schönschrift. Die überlegt sich immer was ganz Besonderes für den Jeweiligen.
Und irgendeine Münze.
Lollo: Mhmm, diese Nobelmünze, klar.
Vielleicht könnt ihr euch auch selber vorschlagen. Oder gegenseitig.
Lollo: Wir haben doch keine Zeit. Wir müssen ständig Interviewanfragen von irgendwelchen Tageszeitungen beantworten, ob wir Angst haben, dass wir geklagt werden.
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