Christoph & Lollo sind zurück: Am 3. Oktober erscheint das aktuelle Album des kongenialen Liedermacher-Duos aus Wien. Im Anschluss geht es auf Tournee. Wir haben uns mit Gitarrist Lollo Pichler über Kunstscheiße, Beamtenjobs und Internet-Trolle unterhalten.

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Schon beim ersten Lied eures neuen Albums muss man herzlich lachen. Darin reißt ein emanzipierter Mann das gesamte Regiment hinterm Herd an sich. Mal ehrlich: Wie viel kochst du wirklich?

Lollo Pichler: Sehr viel! Der Christoph und ich sind begeisterte Köche. Wir haben mittlerweile die 100-prozentige Kontrolle über alle Essensbelange, deswegen müssen wir mit niemandem mehr schimpfen.

Beim Titel eures neuen Albums kommen einem sofort Gabi und Uwe aus dem "Ärzte"-Song "Das ist Rock’n’Roll" in den Sinn. Was verbindet euch mit der Besten Band der Welt?

Als wir überlegt haben, ob wir den Titel nehmen sollen, ist mir eingefallen, dass es dieses "Ärzte"-Lied gibt. Aber ich dachte, das ist so ein naheliegender Titel, das gibt es sicher schon hundertmal für Alben und Kabarett-Programme. Gibt es aber nicht, es gibt nur dieses Lied.

Die "Ärzte" waren ein sehr früher Einfluss für uns. Wir sind ja alt. Wir haben die schon super gefunden, als sie noch nicht wiedergegründet waren. Wir waren mit 16 auf ihren Konzerten und konnten viele ihrer Lieder auswendig und haben die öfter auch auf der Bühne gesungen, was allerdings nicht so ganz gelungen ist.

Im Lied schlägt Gabi ihrem Uwe vor, doch lieber vernünftig zu sein und Beamter oder Pilot statt Rockstar zu werden. Ihr macht mittlerweile seit 19 Jahren gemeinsam Musik. Habt ihr es je bereut, keine Beamten oder Piloten geworden zu sein?

Beamter...? (kichert) Das wäre zu überlegen. Pilot ist viel zu anstrengend. Viel zu viel Verantwortung. Aber wir sind mit unserer Berufswahl recht zufrieden.

Welche Art von Beamtenjob könntest du dir vorstellen?

Einer im Büro. Nicht einer, der auf der Straße unterwegs ist und Autos kontrolliert, sondern der gemütlich im Büro Wurstsemmeln isst.

"Die Zeit" hat euer aktuelles Werk als eure "bisher ehrgeizigste Platte" bezeichnet. Ihr habt dafür unter anderem mit Ex-Russkaja-Gitarrist Zebo Adam aufgenommen. Was macht das Album so besonders?

Das Besondere für uns ist sicher, dass wir zum ersten Mal alles selber gemacht haben. Wir haben ein eigenes Label gegründet und daher alles selber planen und finanzieren müssen. Es ist aber kein radikaler Unterschied zu den Klein-Labels, mit denen wir vorher gearbeitet haben. Aber die ganze Verantwortung tragen und alles selbst entscheiden: Das war der größte Unterschied.

Im Titelsong zum Album beschreibt ihr das Leben von Rockbands auf Tour. Ihr habt ja auf Tour weder einen Schlagzeuger, der stinkt, noch einen Keyboarder, der den Ton versaut. Welche Rockstar-Klischees habt ihr schon am eigenen Leib erfahren?

Wir waren ja mit echten Bands auf Tour und spielen auch auf Festivals. Wir kriegen das schon alles sehr genau mit, sind da aber eher Zaungäste. Die wesentlichen Sachen des Rock'n'Roll-Business, nämlich: ewig herumfahren, ewig überall warten, kalte Backstage-Räume, Traurigkeit, Einsamkeit, Selbstmordgedanken, das haben wir alles auch ohne Schlagzeuger.

Im Song "Kunstscheiße" macht ihr euch auch über euch und eure Musiker-Kollegen lustig. Wie belanglos sind Kunst und Musik wirklich?

Im Vergleich zu Medizin und Nahrung ist es natürlich ziemlich unwichtig. Wenn man Medizin und Nahrung hat, ist es schon wichtig. Man muss den Geist beschäftigen und eine Möglichkeit haben, auf kluge Gedanken zu kommen und sich des Lebens zu erfreuen.

Das Internet hat es euch textlich angetan. Nach dem "Internetforen-Poster" vom Vorgängeralbum hat das Netz diesmal gleich euer ganzes Leben ruiniert. Wie stehst du zu Facebook und anderen vermeintlich "sozialen" Medien?

Wir sind da nicht sonderlich aktiv. Ich mache die Facebook-Seite unserer Band, habe aber null Freunde. Wir nutzen das Internet viel wie jeder heutzutage, sind aber alt genug, uns an die Zeit zu erinnern, als die Welt noch ohne funktioniert hat. Es ist halt ein sehr bestimmendes Medium.

Überwiegen aus deiner Sicht die Vor- oder Nachteile?

Für uns als Band überwiegen vermutlich die Vorteile. Das lässt sich aber schwer sagen, weil wir zeitlich mit dem Internet großgeworden sind. Dass das Musikgeschäft auch wegen dem Internet den Bach runtergeht, haben wir über die Jahre schon auch mitbekommen. Weil Musik kaufen für die Menschen so wahnsinnig uninteressant geworden ist.

Eure Lieder sind teilweise herrlich gemein und hintenherum. Das taugt sicher nicht jedem. Werdet ihr im Netz mit Hass-Postings bedacht?

Schon, aber wir nehmen uns das nicht zu Herzen. YouTube hat beispielsweise eine katastrophale Kommentarkultur. Da wird teilweise auf unterstem Niveau geschimpft, aber wir wissen ja, dass das hauptsächlich 12-jährige Buben sind, die sich ausprobieren wollen und versuchen, wie Männer zu klingen. Das darf man nicht ernst nehmen, wenn da einer böse wird.

"Du weißt ja, wie die sind" prangert unter anderem Großkonzerne und die kaputten Lebensmittelpreise an. Was machst du persönlich, im Alltag, um dem entgegenzuwirken?

Es gibt viel, was man tun kann. Man kann sich immer für das Korrektere entscheiden. Gemüse und Obst auf Märkten einkaufen ist meistens günstiger und besser als im Supermarkt. Statt einen Konzern zu unterstützen, der keine Steuern zahlt, unterstützt man damit den Bauern und den Standler, der das verkauft. Außerdem bin ich gern auf Märkten. Märkte sind etwas Schönes, und man sollte verhindern, dass sie aussterben. Solange man ab und zu die richtige statt der falschen Entscheidung trifft, darf man schon stolz auf sich sein und ein Stück Fairtrade-Schokolade essen.

Das ist also ein Thema, das dich im Alltag begleitet?

Wenn man weiß, unter welchen Umständen Kleidung hergestellt wird, oder wie der Preiskampf auf dem Kaffeemarkt oder auf dem Schokolademarkt funktioniert und wie das die Leute in Äthiopien umbringt: Wenn man das einmal weiß, ist es schwer, das zu vergessen. Und dann entscheidet man sich natürlich ein bissi anders beim Konsumieren, wenn man es sich leisten kann.

Für einen österreichischen Privatsender habt ihr euch im vergangenen Jahr intensiv mit der heimischen Politik beschäftigt. Welchen aktuellen Eklat kann man aufgrund seiner Absurdität nur mit Humor nehmen?

Da gibt's in Österreich natürlich sehr viel. Die Eurofighter werden gerade wieder einmal spannend, die ÖVP-Kellernazis sind auch ganz lustig. Was gibt's noch...? (überlegt)

Das Team Stronach ist natürlich ein Dauerbrenner. Es ist erstaunlich, dass eine tote Partei immer noch so viel Humor bietet, weil sie immer noch ein paar Posten besetzt - im Gegensatz zum BZÖ, von dem kann man ja nur mehr in der Vergangenheitsform reden. Also, ich mache mir keine Sorgen. Die Themen gehen nicht aus.

Woher stammen die Ideen zu "Das ist Rock'n'Roll"?

Wir versuchen immer etwas zu nehmen, was relevant ist. Was eine Bedeutung hat und uns interessiert - und was dafür geeignet ist, dass man es mit Humor betrachtet. Wir versuchen über Themen zu singen, bei denen wir das Gefühl haben, da singt noch keiner drüber.

Was kommt zuerst: der Text oder die Melodie? Macht ihr das alles gemeinsam?

Zuerst immer das Thema. Es geht schon vom Text aus, aber das geht Hand in Hand. Wir haben eine strikte Arbeitsteilung: Text und Melodie mache ich, und der Christoph muss auswendig lernen.

Wer hat dann mehr Arbeit?

Am Anfang ich, über die Jahre aber der Christoph, weil der muss sich die Texte ja ewig merken. Ich muss mir nur den Teil vom Text merken, wo ich mitsinge. Den Rest kann ich oft überhaupt nicht.

Eure Tournee wird euch durch Österreich, nach Deutschland und in die Schweiz führen. Auf welchen Song freut Ihr euch am meisten, ihn erstmals live zu spielen?

Am Dienstag ist Premiere in Wien und da werde ich erstmal Klavier spielen, auf einem Flügel, vor vielen Leuten. Da bin ich schon ein bisschen aufgeregt, weil das kann ich nicht wirklich gut. Aber ich habe die Vorstellung, dass das dann sehr würdevoll wird. Da freue ich mich drauf.

Lorenz "Lollo" Pichler feiert mit seinem Bandkollegen Christoph Drexler im kommenden Jahr 20-jähriges Bandjubiläum. Bekannt geworden sind die beiden mit Skispringer-Liedern, in denen sie unter anderem Janne Ahonen, Frantisek Jez und Kazuyoshi Funaki besangen. Letzterer ist auch Namensgeber für das hauseigene Label Kazuyoshi Records, auf dem am 3.10. das neue Album "Das ist Rock'n'Roll" erscheint. Ab 7.10. sind Christoph & Lollo auf Tournee.
Tour-Termine
07.10.2014WienStadtsaal
09.10.2014MünchenVereinsheim
10.10.2014Graz ppc
11.10.2014LinzPosthof
15.10.2014DornbirnSpielboden
16.10.2014St. GallenPalace
17.10.2014Innsbruckpmk
06.11.2014LeondingRathauskeller
07.11.2014MünchenStadtbücherei Neuhausen
08.11.2014OberweilingKneipenbühne
13.11.2014Steyrröda
14.11.2014AndelsbuchJöslar
15.11.2014Bad EndorfKramerwirt Hemdorf
19.11.2014WienSchutzhaus Zukunft
21.11.2014FischamendStand Up Club
16.12.2014WienChelsea
17.12.2014WienChelsea
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