Die Manieren der Österreicher: Da liegt laut Thomas Schäfer-Elmayer einiges im Argen. Warum außerdem die sozialen Medien dem Papst der Etikette Sorge bereiten und wie er zum aktuellen Diskurs um Schauspielerin Nina Proll steht.

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Etikette - das klingt für manche veraltet. Der Zeremonienmeister des Wiener Opernballs, Roman Svabek, hat sich in der aktuellen Debatte um sexuelle Belästigung jüngst zu Wort gemeldet und zu Bedenken gegeben: Die Etikette gebiete den respektvollen Umgang zwischen den Geschlechtern - "nur haben wir sie leider verloren."

Wie wichtig sie aber ist und dass gutes Benehmen eine äußerst schwierige Gratwanderung sein kann, weiß Thomas Schäfer-Elmayer. Wir haben mit dem Tanzschulleiter, Personaltrainer und Meister der Etikette über Benimmregeln, das Ärgernis "Handy", das enthemmte Agieren in sozialen Medien und den Diskurs rund um Schauspielerin Nina Proll gesprochen.

Die Ballsaison steht vor der Tür. Auch für Abende in Frack und Robe gibt es Verhaltensregeln. Welche wären denn hier wichtig?

Thomas Schäfer-Elmayer: Gute Laune etwa ist ganz wichtig, denn auch die gehört zum guten Benehmen. Man sollte den Ball daher entspannt beginnen und dazu braucht es – vor allem seitens der Herren – viel Geduld. Denn für eine Dame ist es ungleich schwieriger, sich auf einen Ball vorzubereiten. Während wir in wenigen Minuten im Frack oder Smoking stecken, geht das bei Frauen nicht so einfach. Sie soll sich aber am Ball wohlfühlen, und das tut sie lediglich dann, wenn alles entspannt ist.

Natürlich ist auch Pünktlichkeit wichtig, denn, wer abgehetzt auf den Ball kommt, wird ihn nicht so genießen können. Definitiv erforderlich ist zudem eine korrekte Kleidung, da jeder Gast ebenso Teil der festlichen Atmosphäre ist. Wer nicht weiß, wie er sich kleiden soll, kann den Dresscode sicher auf der Eintrittskarte oder auf der Webiste des Veranstalters in Erfahrung bringen.

Unabdingbar ist darüber hinaus natürlich gutes Benehmen. Ich erlebe leider sehr häufig, dass Herren ihren Damen nicht einmal aus dem Auto helfen oder die Türe aufhalten. Wer dies tut, zeigt aber Achtung, Respekt und Wertschätzung für die Partnerin. Auch der Handkuss ist ein Gruß, der auf Bällen durchaus angebracht ist. Wer ihn nicht elegant zu zelebrieren weiß, sollte ihn vorher üben.

Apropos: Ist der Handkuss tatsächlich noch üblich? Haben sich die Benimmregeln im Laufe der Zeit nicht extrem verändert?

Vielleicht ist meine Wahrnehmung hier eine sehr subjektive, aber in meiner Tanzschule wird zum Beispiel von den jungen Tanzschülern sehr wohl noch ein Handkuss verlangt. Dadurch bekommen diese auch sehr viel Routine in dieser Grußform.

Sogar im Business trifft man jetzt vermehrt auf den Handkuss, was mitunter aber auch problematisch sein kann. Denn, wenn mehrere Damen anwesend sind, gebietet es die Höflichkeit, nicht nur – was leider viele tun – etwa der hochrangigsten Dame die Hand zu küssen, sondern alle anwesenden Frauen auf diese Art zu grüßen. In Sachen gutes Benehmen hat aber vor allem das Handy enorm viel verändert.

Inwiefern?

Es gibt kaum noch Menschen, die nicht mindestens einmal pro Stunde auf ihr Smartphone blicken. Ich halte ja auch sehr viele Vorträge in Schulen, wo nicht mehr zu übersehen ist, dass die Kinder kaum mehr miteinander reden, sondern stattdessen in den Pausen das Internet bemühen und mit Menschen kommunizieren, die gar nicht da sind.

Auch im Straßenverkehr, bei Firmenmeetings oder bei Tisch ist das Handy längst ein großer Störfaktor. Leute, die nicht bereit sind, es vorübergehend wegzulegen, halte ich für respektlos und unhöflich.

Sie meinten einmal, Benimmregeln zu kennen, sei Teil des Allgemeinwissens. Wie ist es denn hierzulande um diese Disziplin der Allgemeinbildung bestellt?

Ich hatte gerade zuletzt einige Vergleichsmöglichkeiten und musste feststellen, dass bei uns Österreichern diesbezüglich einiges im Argen liegt. Vor allem bei Tisch gibt es Aufholbedarf. Im Zuge meiner letzten Auslandsreisen ist mir aufgefallen, dass es oft die Österreicher sind, die mit vollem Mund sprechen oder eine Hand unter dem Tisch verstecken.

Wenig nachahmenswert fand ich auch jenen Landsmann, der einen Löffel Pudding in den Mund steckte, um ihn anschließend mit der Hälfte des Puddings wieder herauszuschieben. Das muss wirklich nicht sein.

Manche Menschen wissen sich zu benehmen, andere gar nicht. Hängt das nur von der Erziehung ab?

Es ist in erster Linie eine Erziehungsgeschichte, ja. Ich habe selbst Enkelkinder, die ich etwa immer wieder daran erinnern muss, "Bitte" oder "Danke" zu sagen. Aber irgendwann werden sie es internalisiert haben.

Es wird in einem Leben zum Vorteil, wenn man dieses Allgemeinwissen hat. Auch der beruflichen Karriere ist es zuträglich, denn alleine zu einem Bewerbungsgespräch geht man mit Sicherheit entspannter, wenn man die Benimmregeln verinnerlicht hat und auf seine eigenen Umgangsformen vertrauen kann. Im Grunde gilt das für zahlreiche Bereiche im Leben.

Als Institution der Etikette müssen Ihnen die Umgangsformen in den "Sozialen Medien" körperliche Schmerzen bereiten. Worauf führen Sie das enthemmte und bösartige Agieren dort zurück?

Das ist ein Kapitel, das insbesondere im Jugendbereich massive Folgen nach sich zieht – vor allem in Form von Mobbing. Ich finde es wirklich verabscheuungswürdig, dass die Menschen in den "Social Media" ihre negativen Charakterzüge öffentlich pflegen.

Ich selbst versuche hier im Rahmen meiner Vorträge an Schulen gegenzusteuern. Jedes Mal, wenn ich vor Schülern auf dieses Thema zu sprechen komme, wird es mucksmäuschenstill im Saal. Denn es tangiert die Kinder, die allesamt – aktiv oder passiv – mit dem Thema "Mobbing" in Berührung kommen.

Ich verweise hier auf Nelson Mandela, der einmal folgendes meinte: "Hass ist ein Gift, das man trinkt, und bei dem man hofft, es würde die Feinde umbringen." Und dieser Hass ist zudem auch selbstverletzend, denn man schleppt die Bösartigkeiten, die man irgendwann getan hat, danach meist ein Leben lang als Last mit sich rum.

Das Thema, wie man als Mann mit Frauen umgeht, ist ob der Vielzahl an Skandalen derzeit in aller Munde. Wie weit dürfen Männer, die eine Frau attraktiv finden, gehen, ohne Gefahr zu laufen, das Gegenüber zu belästigen?

Es ist in aller Munde und wirklich sehr heikel. Auf der einen Seite steigert ein nettes Kompliment die Lebensqualität. Es ist aber auch eine Gratwanderung, denn auf der anderen Seite kann ein Kompliment schon dazu führen, dass sich eine Frau belästigt fühlt.

Ich bin der Ansicht, dass man sich mit Komplimenten im Beruf tendenziell zurückhalten sollte. Einer Sekretärin als Vorgesetzter Rosen zu streuen, indem man ihr sagt, dass sie heute besonders gut aussehe, halte ich für eher unproblematisch.

Ihr als Chef jedoch zu sagen, dass sie "schöne Beine" oder "einen sexy Gang" habe, finde ich wieder bedenklich. Die Gratwanderung ist mit Sicherheit keine einfache.

Sollte es hier klar definierte gesellschaftliche Regeln oder gesetzliche Anpassungen geben?

Ich denke schon, dass man sich damit näher befassen sollte, in welcher Form auch immer. Vielleicht werde auch ich mich schon bald damit näher auseinandersetzen.

Der augenblickliche Diskurs rund um die Schauspielerin Nina Proll zeigt ja schon, wie komplex die Angelegenheit ist. Ich kann zum Teil beide Seiten gut verstehen.

Aber natürlich darf man auch die Männer nicht völlig verunsichern und es zu einer Situation wie in den USA kommen lassen. Dort trauen sich diese teilweise nicht einmal mehr, mit einer Dame zu zweit im Lift zu fahren. Das geht eindeutig zu weit.

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