München (dpa) - Lebensmittel sind in Deutschland für viele Menschen nichts besonderes mehr. Seit Discounter versuchen, Produkte wie Brot, Milch oder Fleisch immer günstiger zu verkaufen, ist auch die Wertschätzung dafür gesunken.

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Vieles landet im Müll, weil die Menschen für wenig Geld viel zu viel kaufen und am Ende doch nicht alles aufessen können. Die EU-Kommission schätzt, dass in Europa jedes Jahr bis zu 100 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet werden. Ein Trend, dem die christlichen Kirchen mit dem Erntedankfest an diesem Sonntag (5. Oktober) entgegenwirken wollen.

"In einer globalisierten und urbanisierten Gesellschaft hält die Kirchengemeinde inne und besinnt sich darauf, dass unsere Lebensmittel nichts Selbstverständliches sind", erklärt die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern das Fest, das die Christen seit dem 3. Jahrhundert feiern. Ähnlich sehen es die Katholiken: "An Erntedank wollen die Christen Gott für die Schöpfung danken und zeigen, dass sie sich ihrer Abhängigkeit von der Natur bewusst sind", heißt es auf der im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz betriebenen Internetseite katholisch.de.

Schon im Mittelalter feierten die Grundbesitzer das Ende der Ernte - in Dankbarkeit für die reichen Erträge, mit denen die Menschen den Winter überstehen konnten. Wie wichtig das Fest vor allem in bäuerlich geprägten Gegenden noch heute ist, zeigt ein Kirchenbesuch in diesen Tagen. Kunstvoll arrangierte Körbe mit Getreide, Gemüse, Kartoffeln und Obst schmücken die Altäre: orange-leuchtende Kürbisse, knallrote Äpfel, goldgelbes Getreide, blaue Zwetschgen, weißer Fenchel und grüner Kohl. Dazwischen Wein, Brot und bunte Blumen. In manchen Gemeinden binden die Gläubigen aufwendige Erntedankkronen aus Stroh und Getreide oder gestalten Teppiche mit christlichen Motiven aus Getreidekörnern.

Seit 15 Jahren gibt es am Erntedankfest den "Tag der Regionen". Er ist eingebettet in eine mehrwöchige Veranstaltungsreihe. Bis zum 12. Oktober sollen zahlreiche Aktionen auf die Bedeutung lokaler Wirtschaftskreisläufe hinweisen. In diesem Jahr steht der Tag unter dem Motto: "Aus Liebe zur Region: Denken - Handeln - Genießen".

Viele Jugendliche haben das Fest auf besondere Weise für sich entdeckt: Sie backen Brot. Die Katholische Landjugendbewegung bietet seit 45 Jahren Mini-Brote an, die möglichst mit Zutaten aus der Region gebacken und gegen Spenden verteilt werden. Die Erlöse fließen in Eine-Welt-Projekte. Der Kirchenkreis Bayreuth, die Erzdiözese Bamberg und die oberfränkische Bäckerinnung laden mit Jugendlichen beider Konfessionen zu einer ökumenischen Aktion, bei der es frisch gebackene Brote mit dem Aufkleber "Gott-sei-Dank-Brot" zu kaufen gibt.

Ähnlich ist das Vorhaben "5.000 Brote - Konfirmanden backen Brot für die Welt", bei dem der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm kürzlich mitgeholfen hat. Er sei glücklich, endlich mal in einer Backstube zu stehen und als Bäcker zu arbeiten, sagte er in einem auf der Facebookseite der Kirche veröffentlichten Video. "Das war nämlich mein erster Berufswunsch." 90 Kirchengemeinden in Bayern beteiligen sich an der Aktion. "Man lernt, das Grundnahrungsmittel Brot wieder wertzuschätzen, gerade mit Blick auf die Menschen, die wenig zu essen haben", erklärt der Sprecher der Landeskirche, Johannes Minkus. "Immer nur billiger - wenn Brot nichts mehr kostet, schmeißt man es auch schneller weg."  © dpa

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