- Tugan Sokhiev ist sowohl in Moskau als auch in Toulouse als Dirigent tätig.
- Doch nun hängt der Musiker beide Anstellungen an den Nagel.
- Der gebürtige Russe wurde offenbar unter Druck gesetzt, eine Wahl zu treffen.
Tugan Sokhiev machte sich als Chefdirigent am Moskauer Bolschoi-Theater sowie als Musikdirektor des Nationalorchesters am Opernhaus Capitole in Toulouse einen Namen. Doch nun hat der gebürtige Russe beide Posten an den Nagel gehängt, wie er am Sonntag (6. März) in einem Facebook-Post bekannt gab.
"Ich weiß, dass viele Leute meinen Standpunkt zu dem, was im Moment passiert, wissen wollten und darauf warteten, dass ich mich zu Wort melde", heißt es in seinem Post. Doch er habe einige Zeit gebraucht, um zu begreifen, was geschah. "Und die komplexen Gefühle auszudrücken, die die aktuellen Ereignisse in mir auslösten."
Chefdirigent am Bolschoi-Theater: Tugan Sokhiev hat keinen Konflikt unterstützt
Sokhiev habe nie einen Konflikt "in irgendeiner Form unterstützt und werde immer dagegen sein". Gemeint ist wohl der russische Krieg in der Ukraine. "Es ist schockierend und beleidigend, dass einige Leute meinen Wunsch nach Frieden infrage stellen und glauben, dass ich als Musiker jemals für etwas anderes als den Frieden auf unserem Planeten sprechen könnte", heißt es im Post weiter.
Sowohl in Toulouse als auch im Bolschoi-Theater habe er regelmäßig ukrainische Sänger und Dirigenten eingeladen. Nie habe jemand über die Nationalitäten nachgedacht. "Deshalb habe ich das Festival Franco-Russe in Toulouse ins Leben gerufen, um allen zu zeigen, dass die Menschen in Frankreich und Russland historisch, kulturell, spirituell und musikalisch miteinander verbunden sind." Doch das Festival werde heute von Politikern und Verwaltern in Toulouse bekämpft – was in seinen Augen eine Schande sei. "Und sie wollen, dass ich mich für den Frieden ausspreche!"
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Tugan Sokhiev wird zu einer Wahl gezwungen
Der Dirigent sei in Europa gezwungen, "eine Wahl zu treffen und mich für eine meiner musikalischen Familien zu entscheiden". Er sei dazu aufgefordert worden, "mich für eine kulturelle Tradition und gegen eine andere zu entscheiden", erklärt Sokhiev. "Bald werde ich aufgefordert, zwischen Tschaikowsky, Strawinsky, Schostakowitsch und Beethoven, Brahms, Debussy zu wählen. Dies geschieht bereits in Polen, einem europäischen Land, in dem russische Musik verboten ist."
Er könne nicht mit ansehen, wie seine Kollegen, Schauspieler, Sänger, Tänzer und Regisseur "bedroht und respektlos behandelt werden". Sie seien Opfer der "sogenannten 'Stempelkultur'". Musiker seien die Botschafter des Friedens. Doch "anstatt uns und unsere Musik zu nutzen, um Nationen und Menschen zu vereinen, werden wir gespalten und ausgegrenzt", kritisiert der Dirigent. Aus diesen Gründen und "weil ich vor der unmöglichen Aufgabe stehe, zwischen meinen geliebten russischen und meinen geliebten französischen Musikern zu wählen", trete er von seinen Posten zurück.
Krieg in der Ukraine: Einige Musiker ziehen sich zurück
Immer mehr Musiker sind in den letzten Wochen aufgrund des russischen Krieges in der Ukraine unter Druck geraten. So hat vor wenigen Tagen der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter den Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker entlassen. Valery Gergiev war zuvor der Aufforderung Reiters, sich vom russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen Angriffskrieg zu distanzieren, nicht nachgekommen.
Auch die russische Opernsängerin Anna Netrebko zieht sich bis auf Weiteres aus dem Konzertleben zurück. Netrebko stand in der Vergangenheit immer wieder wegen ihrer Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin in der Kritik. Kürzlich hatte sie aber bei Instagram erklärt, dass sie sich ein Ende des Krieges wünsche. © 1&1 Mail & Media/spot on news
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