Halbzeit beim 71. Internationalen Filmfestival Locarno: Packende Familiengeschichten um starke Frauen dominieren. Das deutsche Kino punktet mit einer melancholischen Komödie.
Die Halbzeitbilanz des 71. Internationalen Filmfestivals Locarno fällt gut aus. Im Hauptwettbewerb der 15 Filme aus aller Welt dominiert Qualität. Geboten wurden bisher vor allem wirkungsvolle, packende Familiengeschichten um starke Frauen - Filme, die sich zu kritischen Gesellschaftspanoramen weiten.
Besonders beeindruckt hat "Sibel", eine düstere Ballade um die Selbstbehauptung einer jungen Frau in der türkischen Provinz (Regie: Çagla Zencirci und Guillaume Giovanetti).
Realisiert wurde der mit stilistischer Strenge packende Film auch mit Hilfe deutscher Produzenten als internationale Gemeinschaftsproduktion unter Federführung Frankreichs. Titeldarstellerin Damla Sönmez, die zu den populärsten türkischen TV-Stars zählt, gilt vielen als Anwärterin auf die Ehrung als beste Schauspielerin.
Viele Geschichten mit starken Frauen
Große Zustimmung fand daneben "Ein Familienausflug" vom chinesischen Regisseur Ying Lang. Der Film beleuchtet das Leben einer Filmregisseurin. Sie musste die Volksrepublik China verlassen, weil sie als kritische Künstlerin das Missfallen der Machthaber erregt hat. Der dichte Inszenierung macht die scheinbar private Geschichte zum Spiegel gesellschaftlicher Umstände.
Viele der in Locarno gezeigten Spielfilme haben starke Frauen als Hauptfiguren. Nachhaltig eingeprägt hat sich die pubertierende "Alice T." (Regie: Radu Muntean) auf verzweifelter Suche nach Anerkennung im rumänisch-schwedisch-französischen Drama gleichen Titels. Ebenso beeindruckte die Seniorin "Diane", die sich in der Sorge um andere selbst vergisst. Die kluge Charakterstudie wurde vom US-Amerikaner Kent Jones inszeniert. Neben "Ein Familienausflug" gehören diese zwei Filme zu den Favoriten von Publikum und Kritik.
Der deutsche Wettbewerbsbeitrag "Wintermärchen" von Regisseur Jan Bonny wird erst kurz vor dem Ende des Festivals zu sehen sein. Das Anti-Terrorismus-Drama um drei junge Leute, die mordend durch Deutschland ziehen, wird jedoch schon jetzt hoch gehandelt. Die außerhalb der Wettbewerbe im Programm der abendlichen Freiluftaufführungen gezeigte Komödie "Was uns nicht umbringt" von der deutschen Regisseurin Sandra Nettelbeck wurde gut aufgenommen.
Sie und viele ihrer Akteure, so August Zirner, Barbara Auer und Bjarne Mädel, bekamen viel Applaus.
Eine Gala unterm Sternenzelt
Mit Jubel geradezu überschüttet wurde Hollywood-Star Meg Ryan ("Harry und Sally"), die einen Ehrenpreis bekam. Wegen eines Gewitters konnte die Verleihung nicht auf der Piazza Grande, dem alten Marktplatz von Locarno, stattfinden, sondern musste in ein Kino verlegt werden.
Dort wurde die 56-Jährige von etwa 3.000 Besuchern frenetisch gefeiert. Mehr als 2.000 Besucher trotzten sogar dem Regen und verfolgten das Geschehen per Videostream auf der Piazza.
Die Verleihung des Goldenen Leoparden und der anderen Preise findet am Abend des 11. August statt. Geplant ist eine Gala unterm Sternenzelt. Doch auch am Lago Maggiore sorgt die Dauerhitze für Unwägbarkeiten, kommt es des Öfteren zu unerwarteten Unwettern.
Was der Hochstimmung in Locarno keinen Abbruch tut. Die vielen Tausend aus allen Himmelsrichtungen angereisten Filmfans machen den malerischen Ort am Lago Maggiore für die Dauer des Festivals wieder zum weltweit vielleicht schönsten Kino. © dpa
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