Sie zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten deutschsprachigen Kinderbuchautoren: Christine Nöstlinger schuf zahlreiche Werke für die Kleinsten.
Kaum ein Kind ist in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten an Christine Nöstlinger vorbeigekommen: Ihre Bücher über starke Mädchen, zankende Eltern und sympathische Außenseiter wurden zu Klassikern und Schullektüre.
Mit ihrem Erstlingswerk "Die feuerrote Friederike" schuf sie den Prototyp eines emanzipatorischen Kinderbuches mit aufmüpfigem Ton. Damit traf die resolute Wienerin 1970 einen Nerv und legte den Grundstein ihrer bis heute andauernden weltweiten Karriere. Am Donnerstag, dem13. Oktober, feiert sie ihren 80. Geburtstag.
"Mir sind einige Kinder wahnsinnig unsympathisch. Man wird ja nicht mit 18 Jahren plötzlich ein Ungustl", sagte Nöstlinger im ORF-Fernsehen einmal. Die Frau hinter den Büchern hat so gar nichts mit der lieben Großmutter zu tun, die man sich vielleicht vorstellt. Sie trinkt gerne Wein, raucht viel und bezeichnet sich selbst als "Couch Potatoe". Ihren zwei Töchtern hat sie nie vorgelesen.
Mit Natur "nix am Hut"
Öffentliche Lesungen macht die "Anti-Oma" kaum. Aktivitäten im Freien meidet sie: "Mit Natur hab' ich nix am Hut." Ihren Ehrentag feiert der Geburtstagsmuffel auch in diesem Jahr nicht, wie die Verlagsgruppe Beltz sagt. Körperlich mache ihr das Alter zusehends Probleme.
Ihr resolutes Auftreten mit viel trockenem Wiener Humor verleiht der Witwe Authentizität. Sie war Mitglied der 68er-Studentenbewegung und spricht offen über die sexuelle Befreiung der Frauen durch die Einführung der Pille.
Sie hält nichts vom Binnen-I oder von der neuen politischen Korrektheit, die etwa Pippi Langstrumpfs Vater vom "Negerkönig" zum Südseekönig machte. Eine Erläuterung auf der Seite sei wesentlich sinnvoller, so die vielfach prämierte Autorin.
150 Bücher, übersetzt in über 30 Sprachen
Kinder müssten nicht verklärt oder gar belogen werden. Diskussionen über Krieg sollten nicht verheimlicht werden. "Kinder wissen viel mehr als man oft denkt", sagt Nöstlinger, die schon zwei Krebserkrankungen überstand.
Insgesamt schrieb Nöstlinger über 150 Bücher, die in über 30 Sprachen übersetzt wurden. Etwa "Wir pfeifen auf den Gurkenkönig", "Nagle einen Pudding an die Wand!" oder die Serien "Geschichten vom Franz", "Mini" und "Dani Dachs".
Viele der Handlungsstränge drehen sich im heiteren Ton um die Scheidung der Eltern aus Kinderperspektive, um chaotische Familienverhältnisse, Schulängste oder die erste Liebe. Bereits in den 1970er-Jahren wurden die ersten Geschichten verfilmt.
Zuletzt kam 2016 ihr autobiografischer Roman "Maikäfer, flieg!" ins Kino. Darin verarbeitete sie ihre Erinnerungen an das zerbombte Wien 1945.
Eine "nicht praktizierende Feministin"
Sie selbst bezeichnet sich bis heute als politisch und als "nicht praktizierende" Feministin. Sie wählte ihr Leben lang die Sozialdemokraten, auch wenn es ihr manches Mal schwer fiel, und bedauert, dass sich viele junge Menschen heute nicht mehr politisch engagieren. Sie selbst findet, dass Literatur die Welt zwar nicht verändern kann, aber: "Bücher können trösten."
Als Tochter eines Uhrenmachers und einer Kindergartenleiterin kam Nöstlinger 1936 in Wien zur Welt. Gemeinsam mit einer Schwester wuchs sie in einfachen Verhältnissen in einem Arbeiterbezirk auf. Sie konnte sehr frech sein, ohne Angst vor der damals üblichen körperlichen Züchtigung zu haben, sagt sie.
Erwachsenenliteratur war Nöstlinger zu gefährlich
Bis heute bringt Nöstlinger ihre Bücher mit dicker Füllfeder zu Papier. Doch das fortschreitende Alter mache das Schreiben für über Zehnjährige nicht mehr möglich. "Ich fühle mich nicht in der Lage, für zwölf-, dreizehnjährige Kinder noch was zu schreiben", sagt Nöstlinger. Sie verstehe deren Vorlieben nicht mehr.
Auch werden künftig immer weniger Kinder lesen, ist sich Nöstlinger sicher. "Früher haben Kinder oft gelesen mangels anderer Möglichkeiten." Fernsehen, Computerspiele und das Internet hätten die Lebensweise stark verändert. Auf Literatur für Erwachsene umzusatteln, kam trotzdem nie infrage: Das Terrain sei zu gefährlich. © dpa
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